Werden Syriens Diktator Bashar al-Assad und seine Handlanger sich je wegen Kriegsverbrechen vor einem Gericht verantworten müssen? Ja, wenn es nach sechs deutschen Anwälten geht, die bisher Beweismaterial für 41 konkrete Fälle gesammelt haben, die sich allesamt in den vergangenen Monaten in Aleppo ereigneten. Kristin Helberg erläutert für Zeit Online, warum Anklageerhebungen gegen Assad & Co. gleichermaßen schwierig wie notwendig sind:
„Die internationale Strafverfolgung stößt im Falle Syriens an ihre Grenzen. Bislang lassen sich die Menschheitsverbrechen, die dort in Echtzeit vor aller Augen begangen werden, nicht juristisch verfolgen. Der Internationale Strafgerichtshof kann nicht aktiv werden, weil Damaskus ihn nicht anerkennt und Russland und China im Weltsicherheitsrat eine Überweisung nach Den Haag verhindern. Auch sogenannte hybride Gerichte, in denen nationale und internationale Juristen an einem geeigneten Ort zusammenarbeiten (bisher etwa in Sierra Leone, Kambodscha und im Libanon), brauchen die Zustimmung der Vereinten Nationen. In Syrien herrscht deshalb seit fünfeinhalb Jahren Straffreiheit für Grausamkeiten, die jede sadistische Fantasie übertreffen.
Dabei gibt es Beweise genug. Nichtregierungsorganisationen wie Amnesty International, Human Rights Watch und Physicians For Human Rights weisen in ihren Berichten regelmäßig konkrete Fälle von Massakern und Kriegsverbrechen nach. Schuld trägt nicht nur das Regime, alle Kriegsparteien in Syrien brechen das Völkerrecht. Aber Assads Gewalt ist systematisch, sie wird von offiziellen Stellen befohlen, ausgeführt und dokumentiert.
Ein ganzer Staatsapparat ist mit der Vernichtung von Menschenleben beschäftigt – das erklärt die großen Unterschiede in den Opferzahlen. Das Syrische Netzwerk für Menschenrechte (SNHR) zählt sämtliche seit März 2011 getöteten Zivilisten, bei denen der Name sowie Zeitpunkt und Ort des Todes bestätigt sind. Dieser monatlich aktualisierten Statistik zufolge ist das Regime zwischen März 2011 und November 2016 für mehr als 92 Prozent der getöteten Zivilisten, 86 Prozent der getöteten Kinder, 99 Prozent der zu Tode Gefolterten und 80 Prozent des getöteten medizinischen Personals verantwortlich.“