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Klima-Konferenz: Ägypten blockiert NGO-Websites

Die Klimakonferenz in Ägypten findet im Badeort Sharm el Sheikh statt
Die Klimakonferenz in Ägypten findet im Badeort Sharm el Sheikh statt (© Imago Images /NTB)

Teilnehmer berichten, dass sie Menschenrechtsgruppen und andere während der Klimagespräche benötigte Websites nicht besuchen können.

Teilnehmer des COP27-Klimatreffens mussten feststellen, dass die Internetverbindung der im ägyptischen Urlaubsort Sharm el-Sheikh stattfindenden Konferenz den Zugang zur globalen Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) sowie zu anderen wichtigen Nachrichten-Websites blockiert. HRW wird auf der COP27 eine Podiumsdiskussion gemeinsam mit Amnesty International leiten, deren Website über das Konferenz-WLAN zugänglich ist. Auf der Liste der gesperrten Websites stehen auch die Blogging-Plattform Medium, Ägyptens einziger unabhängiger Nachrichtensender, Mada Masr, und der katarische Nachrichtensender Al Jazeera.

Alexandria Villaseñor, Aktivistin und Leiterin der Jugend-Klimaorganisation Earth Uprising, twitterte, es gebe so viele blockierte Webseiten, »dass es für uns spürbar und schwierig ist zu arbeiten«. So könne ihre Organisation die eigene Seite bei Medium nicht nutzen, »weil Medium blockiert ist. Auch Nachrichtenagenturen, auf die wir uns beziehen, sind blockiert.« Beobachter und Konferenzteilnehmer befürchten, dass die Sperren bei COP27 Teil der Bemühungen der ägyptischen Behörden sind, die Klimaverhandlungen von Menschenrechtsfragen zu separieren und den Zugang der Konferenzteilnehmer zu Informationen über Menschenrechtsverletzungen im Land zu beschränken.

Die ägyptischen Telekommunikationsanbieter haben zwar vorübergehend das Verbot von Anrufen über das Internetprotokoll (VoIP), das man zum Beispiel für WhatsApp-Anrufe benötigt, bei der COP27 aufgehoben. Die Behörden haben jedoch ein ausgeklügeltes und umfassendes System zur Sperre von Websites, die als kritisch gegenüber den ägyptischen Behörden gelten, darunter unabhängige Medien und Menschenrechtsorganisationen, beibehalten.

Internetaktivisten haben dokumentiert, wie die Deep Packet Inspection-Technologie des kanadischen Unternehmens Sandvine es den ägyptischen Behörden ermöglicht, Websites nach Belieben zu blockieren. »Die ägyptischen Behörden haben den Zugang zu etwa siebenhundert Websites blockiert, darunter auch unabhängige Nachrichtenmedien und Gruppen der Zivilgesellschaft. Dies schränkt den Zugang zu Informationen, auch aus dem Bereich des Umweltschutzes und der Menschenrechte, stark ein. Für wirksame Klimaschutzmaßnahmen müssen mehr Menschen ihre Meinung äußern, nicht weniger«, sagte der HRW-Umweltdirektor Richard Pearshouse.

Die Zahl der gesperrten Websites ist sprunghaft angestiegen, seit Ägypten 2017 damit begonnen hat, unabhängige Nachrichtenseiten zu sperren. Im September 2020 meldete das Arabic Network for Human Rights Information, dass 628 Websites in Ägypten blockiert waren, darunter 116 Nachrichtenseiten, fünfzehn Seiten, die sich mit Menschenrechtsfragen befassen, siebenundzwanzig mit politischer Kritik und 349, die es Nutzern ermöglichen, virtuelle private Netzwerkdienste (VPN) herunterzuladen, die in Ägypten ebenfalls verboten sind, wodurch Internetnutzer daran gehindert werden sollen, das Website-Verbot zu umgehen.

HRW berichtete kurz vor dem Beginn der Klimakonferenz COP27 über das harte Vorgehen des ägyptischen Staates gegen Umweltaktivismus und unabhängige Forschung. Dies treibe viele Aktivisten ins Exil und schränke die Möglichkeiten der im Land ansässigen Gruppen stark ein, da sie Verhaftungen, die Schließung ihrer Organisation oder Schlimmeres befürchten müssen.

»Ein weiteres Hindernis für unabhängige Forschung ist der stark eingeschränkte Zugang zu Informationen«, hieß es im HRW-Bericht. »Die massive Zensur, gepaart mit systematischen Verhaftungen und strafrechtlichen Verfolgungen von Journalisten, hat den Zugang zu Informationen und die Berichterstattung über Themen, die von der Regierung als verboten angesehen werden, einschließlich Umweltthemen, stark eingeschränkt.«

Einschränkungen schon im Vorfeld

Menschenrechtsgruppen haben der ägyptischen Regierung vorgeworfen, Aktivisten willkürlich inhaftiert zu haben, nachdem ägyptische Dissidenten im Ausland zu Protesten gegen Präsident Abdel Fattah al-Sisi während der Klimagespräche der Vereinten Nationen aufgerufen hatten. Nach Angaben der NGOs haben Sicherheitskräfte Kontrollpunkte in den Straßen Kairos eingerichtet, Menschen angehalten und ihre Telefone kontrolliert, um nach Inhalten zu suchen, die mit den geplanten Protesten in Verbindung stehen.

Die Ägyptische Kommission für Rechte und Freiheiten (ECRF) teilte vergangene Woche mit, dass in den letzten Tagen 93 Menschen in Ägypten verhaftet worden seien. Den Ermittlungen der Staatsanwaltschaft zufolge sollen einige der Festgenommenen Videos mit Aufrufen zu Protesten über soziale Nachrichten-Apps verschickt haben. Einige wurden auch wegen Missbrauchs sozialer Medien, Verbreitung falscher Nachrichten und Mitgliedschaft in terroristischen Organisationen angeklagt, ein Vorwurf, den der Sicherheitsapparat häufig gegen Aktivisten erhebt.

Eine Gruppe ägyptischer Bürgerrechtsgruppen hat eine Petition gestartet, in der die ägyptischen Behörden aufgefordert werden, die strafrechtliche Verfolgung von Aktivisten und Organisationen der Zivilgesellschaft einzustellen und die Einschränkungen des Rechts auf freie Meinungsäußerung, Vereinigungsfreiheit und friedliche Versammlung zu beenden. »Die ägyptischen Behörden wenden seit Jahren drakonische Gesetze an, darunter solche zur Terrorismusbekämpfung, zu Internetkriminalität und zur Zivilgesellschaft, um alle Formen des friedlichen Dissens zu unterdrücken und den zivilgesellschaftlichen Raum zu beschneiden«, heißt es darin.

Unabhängig davon veröffentlichte eine Gruppe von fünf als UN-Sonderberichterstatter tätigen Menschenrechtsexperten im vergangenen Monat eine Erklärung, in der sie sich besorgt über die Einschränkungen im Vorfeld des Gipfels äußerten. Sie sagten, die ägyptische Regierung habe strenge Beschränkungen eingeführt, wer an den Gesprächen teilnehmen kann und in welcher Weise, und sagten, »eine Welle von Beschränkungen für die Teilnahme schürt Ängste vor Repressalien gegen Aktivisten«.

Die ägyptische Regierung hat zwar zugesagt, während der Klimakonferenz Demonstrationen zuzulassen, aber auch, diese müssten in einer speziellen »Protestzone« außerhalb des Hauptkonferenzgeländes stattfinden und im Voraus angemeldet werden. In den auf der offiziellen COP-Website veröffentlichten Leitlinien heißt es, alle anderen Demonstrationen müssen speziell genehmigt werden.

Jede Person, die solch einen Protest organisieren möchte, muss für den öffentlichen Teil der Konferenz angemeldet werden, was Aktivisten aus Angst vor Überwachung abschrecken könnte. Zu den Regeln, welche die ägyptischen Behörden für die Proteste auferlegt haben, gehört das Verbot der Verwendung von »nachgebildeten Objekten wie satirischen Zeichnungen von Staatsoberhäuptern, Verhandlungsführern oder Einzelpersonen«.

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