Keine „Grenzen vor 1967“

Die Waffenstillstandslinien von 1948 sind keine "Grenzen" vor 1967
Die Waffenstillstandslinien von 1948 sind keine "Grenzen vor 1967"

Sehr geehrte Frau Ladinser,

in Ihrem heutigen Beitrag im Ö1-Mittagsjournal zum UN- Resolutionsvorschlag der PLO führten sie aus: „Die Palästinenser wollen einen eigenen Staat […] und zwar mit Grenzen, die ihr Land vor dem Sechstagekrieg im Jahre 1967 hatte.“

Dies ist gleich in mehrerlei Hinsicht problematisch. Erstens hatten die Palästinenser nie einen Staat und somit auch nie „ihr Land“ – bis zum Ende des Ersten Weltkriegs war das gesamte spätere britische Mandatsgebiet Palästina Teil des Osmanischen Reichs.

Und zweitens gab es vor dem Sechstagekrieg 1967 keine „Grenzen“, sondern nur die Waffenstillstandslinien, die 1949 zwischen Israel und Jordanien vereinbart wurden. Das heutige Westjordanland war im Zuge des jordanischen Angriffskrieges gegen den jüdischen Staat von Jordanien besetzt und am 24. April 1950 annektiert worden, ähnliches gilt für den Gazastreifen, der unter ägyptische Militärverwaltung gefallen war.

Dass es keine „Grenzen vor 1967“ gab, lag im Übrigen keineswegs an Israel, das sich gerne in Friedensverträgen mit seinen arabischen Nachbarn auf anerkannte Grenzen geeinigt hätte. Entscheidend war vielmehr die Haltung der arabischen Staaten, die keinerlei israelische Grenzen akzeptierten, weil dies eine Anerkennung des jüdischen Staates bedeutet hätte – und dazu konnte sich bis zum ägyptisch-israelischen Frieden Ende der 1970er-Jahre kein arabisches Land durchringen.

Die Waffenstillstandlinien von 1949, die von der arabischen Seite (inklusive der Palästinenser) stets für null und nichtig erklärte worden waren, wurden als „Grenzen vor 1967“ erst für sakrosankt erklärt, lange nachdem sie in Folge des Sechstagekriegs hinfällig geworden waren.

Auch wenn in der öffentlichen Debatte oft von den „Grenzen vor 1967“ die Rede ist, entbehrt diese Formulierung jeder historischen Grundlage. Sie ist darüber hinaus irreführend, weil der israelisch-palästinensische Konflikt auf eine rein territoriale Auseinandersetzung reduziert und das grundlegende Problem damit ausgeklammert wird: dass die palästinensische Seite nach wie vor nicht bereit ist, den Krieg zu beenden, wenn der Preis dafür die Akzeptanz des jüdischen Staates wäre.

Mit freundlichen Grüßen,
Mag. Alexander Gruber
Medienbeobachtungstelle Naher Osten (MENA)

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