Waren früher die Fußballstadien im Iran Woche für Woche ausverkauft, wird die diesjährige Fußball-WM-Qualifikation von der Bevölkerung großteils ignoriert.
Die iranische Fußballnationalmannschaft hat es geschafft, sich für die Weltmeisterschaft 2026 zu qualifizieren – eine Nachricht, die in der Vergangenheit die Straßen des Landes in Orte des Feierns und der Freude verwandelt hätte. Doch dieses Mal gab es nicht nur keine Straßenfeiern, sondern absolute Gleichgültigkeit. In einer Zeit, in der wirtschaftliche Probleme, Inflation, Arbeitslosigkeit, soziale Krisen und politische Frustration das Leben der Menschen überschatten, hat der Fußball, einst ein Symbol für Begeisterung und nationale Einheit, seine Attraktivität verloren.
Früher bot der Fußball eine Gelegenheit für die Menschen, ihre Probleme zu vergessen und ein Gefühl der Gemeinsamkeit zu schaffen. Aber heute messen selbst diejenigen, die das Ereignis wahrnehmen, ihm nicht die geringste Bedeutung bei.
Einer der Hauptgründe für diese Gleichgültigkeit sind die zunehmenden wirtschaftlichen Probleme und die soziale Frustration. Wenn Menschen Schwierigkeiten haben, Grundnahrungsmittel zu kaufen, wenn der Wert der Landeswährung ins Bodenlose gesunken ist und das Niveau der öffentlichen Wohlfahrt abgenommen hat, ist es nur natürlich, dass ein Sportereignis, egal, wie bedeutend es ist, in den Köpfen der Menschen keine Priorität besitzt.
Instrument der Regierung
Ein weiterer Faktor, der zur nachlassenden Begeisterung der Menschen für die WM-Qualifikation beiträgt, ist der Versuch der Regierung, die Fußballnationalmannschaft für ihre eigenen Zwecke zu missbrauchen. Bei den Feierlichkeiten nach der Qualifikation zeigten die auffällige Zurschaustellung von Flaggen der Islamischen Republik und die Anwesenheit von Regierungsbeamten die Macht des Regimes.
Dieser Trend hat dazu geführt, dass die einst unerschütterliche öffentliche Unterstützung für die Nationalmannschaft nachgelassen hat. Proteste gegen bestimmte Spieler wie Alireza Beiranvand, die sich offen für die Regierung ausgesprochen haben, sind ein klares Beispiel für die sich vertiefende Kluft zwischen der Nationalmannschaft und der Bevölkerung.
Auch die Entscheidungen des Nationaltrainers Amir Ghalenoei wurden heftig kritisiert. Die Aufstellung von Spielern wie Alireza Beiranvand und Shoja Khalilzadeh trotz ihrer schlechten Leistungen auf Vereinsebene hat Spekulationen über politisch motivierte Auswahlen angeheizt. So blieben Spieler, die zuvor ihre Unterstützung für die Regierung zum Ausdruck gebracht hatten – sei es durch die Bewerbung des Propagandasongs Salam Farmandeh für Revolutionsgarde-Führer Qasem Soleimani, durch öffentliches Lob für Funktionäre oder die Teilnahme an staatlich unterstützten Veranstaltungen – in der Nationalmannschaft, während einige talentierte und fitte Spieler übergangen wurden.
Schon in den vergangenen Jahren zeigte sich eine zunehmende Politisierung im nationalen Fußballkader, darunter der Ausschluss von Schlüsselspielern wie Voria Ghafouri kurz vor der Weltmeisterschaft, die Nichtberücksichtigung von Seyed Hossein Hosseini wegen seiner Unterstützung für einen weiblichen Fan oder die anhaltende Missachtung von fähigen Spielern wie Soroush Rafiei. Dieser Trend hat nicht nur der fußballerischen Glaubwürdigkeit der Mannschaft geschadet, sondern auch zu einer Desillusionierung der Fans und einer wachsenden Unzufriedenheit der Öffentlichkeit mit der Nationalmannschaft geführt.
Sinkende Beliebtheit
Die Beliebtheit der Fußballnationalmannschaft hat also in den letzten Jahren deutlich abgenommen. Einst ein Symbol für Nationalstolz und kollektive Leidenschaft, stößt die Mannschaft heute bei einem großen Teil der Gesellschaft auf weit verbreitete Gleichgültigkeit. Diese Verschiebung wurde besonders deutlich, nachdem die meisten Nationalspieler die Protestbewegung »Frau, Leben, Freiheit« nicht unterstützten.
Darüber hinaus hat das erzwungene Exil beliebter Persönlichkeiten wie Ali Karimi, der nach wie vor einer der beliebtesten Fußballer des Landes ist, die Fans weiter entfremdet. Dass kein Spieler mit ähnlichem Namen für die Nationalmannschaft aufgestellt wurde, ist ein bewusster Versuch seitens des Regimes, Karimis Vermächtnis zu verwässern und zu verhindern, dass sein Name während der WM-Spiele gerufen wird. Zusätzlich hat der Rückzug legendärer Trainer wie Ali Daei, der immer auf der Seite der Bevölkerung stand, die zunehmende Politisierung des Fußballs weiter offengelegt.
Ein deutliches Beispiel für diesen Niedergang ist die geringe Zuschauerzahl im Azadi-Stadion bei den WM-Qualifikationsspielen: Füllten früher solche Spiele das Stadion bis auf den letzten Platz, waren es diesmal nur etwa 20.000 Zuschauer. Heute spiegelt die kalte und leere Atmosphäre auf den Tribünen das wachsende Misstrauen der Öffentlichkeit gegenüber dem Fußball wider. Ein weiteres Indiz für diese nachlassende Unterstützung waren die Protestgesänge gegen Alireza Beiranvand während des Spiels, mit dem der Iran sich endgültig für die WM qualifizierte. Die Unmutsäußerungen galten nicht nur seiner schlechten Leistung, sondern waren auch eine Reaktion auf seine politische Haltung und offene Unterstützung für die Regierung.
Über Nationalmannschaft hinaus
Die Probleme, die sich aus der Politisierung des iranischen Fußballs ergeben, beschränken sich nicht nur auf die Nationalmannschaft. Viele Vereine kämpfen mit finanziellen Krisen, doch die Regierung unterstützt selektiv nur bestimmte Teams und schafft gleichzeitig Hindernisse für jene, die sich offen für die Bevölkerung einsetzen. So weigerte sich beispielsweise Esteghlal, nachdem es vor drei Jahren den iranischen Superpokal gewonnen hatte, aus Protest gegen die Regierung und aus Solidarität mit dem Iran, den Titelgewinn zu feiern. Seitdem steht der Verein kontinuierlichen Herausforderungen gegenüber, wobei es deutliche Anzeichen für eine Einmischung der Regierung in seine Angelegenheiten gibt.
Gleichzeitig verlassen viele junge Spieler den Iran wegen mangelnder inrichtungen und einer unsicheren Zukunft, während die sportliche Infrastruktur des Landes weiterhin in einem schlechten Zustand ist.
Unter diesen Umständen kann selbst die WM-Qualifikation den Menschen keine Freude bereiten. Der iranische Fußball kämpft nicht nur mit technischen und Managementkrisen, sondern ist auch zu einem Symbol für Ungerechtigkeit, Korruption und politische Ausbeutung geworden. Die Qualifikation ist zweifellos eine bedeutende sportliche Leistung, aber was die Bevölkerung wirklich braucht, geht weit über einen Sieg im Fußball hinaus. Was sie sich ersehnt, sind Hoffnung, Wohlergehen und wirtschaftliche Sicherheit.
Vielleicht wird solch eine Qualifikation für die Weltmeisterschaft den Iranern eines Tages wieder Freude bereiten. Aber bis es soweit ist, wird der größte Wunsch der Bevölkerung nicht ein Fußballfest sein, sondern ein Fest der Freiheit von wirtschaftlicher Not.