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Nein, es gibt kein IGH-Urteil gegen Israel

Die Richter des IGH auf dem Weg zur Bekanntgabe ihrer Advisory Opinion. (© imago images/ANP)
Die Richter des IGH auf dem Weg zur Bekanntgabe ihrer Advisory Opinion. (© imago images/ANP)

Laut ORF hat der IGH ein »Urteil« gegen Israels Umgang mit den Palästinensern gefällt. Das ist schlicht falsch.

Sehr geehrter Herr Lenglinger, sehr geehrte ZiB-Flash-Redaktion,

Sie sind in Ihrer Sendung gestern Abend mit drei Sätzen auf eine Entscheidung des Internationalen Gerichtshofs eingegangen – und alle drei Sätze waren irreführend bis schlicht falsch. Sie sagten:

»Die Behandlung der Palästinenser hat Israel heute eine Verurteilung beim Internationalen Gerichtshof in Den Haag eingebracht. Das Gericht verurteilt die Siedungspolitik Israels als völkerrechtswidrig. Seit beinahe 60 Jahren besetzen israelische Siedler Gebiete im Westjordanland.« Eingeblendet wurde dazu die Schlagzeile: »Urteil gegen israelische Siedlungspolitik«.

Der IGH hat Israel nicht »verurteilt«, sondern auf Anfrage der UNO-Generalsversammlung ein rechtliches Gutachten (eine »Advisory Opinion«) veröffentlicht. Indem Sie gleich drei Mal von einer Verurteilung sprachen, musste der Eindruck entstehen, dass ein Prozess gegen Israel vor dem IGH eben mit einer – rechtlich bindenden – Verurteilung zu Ende gegangen sei. Das aber ist falsch: Eine »Advisory Opinion« ist kein Urteil, und sie ist im Übrigen auch rechtlich nicht bindend.

Auch die Behauptung, israelische Siedler würden »Gebiete« im Westjordanland besetzen, ist irreführend bis falsch. Das Westjordanland wurde im Sechstagekrieg 1967 von der israelischen Armee erobert. Nicht »Siedler« haben dieses Gebiet »besetzt«, sondern es wurde in einem völkerrechtlich legitimen Präventivkrieg gegen eine gemeinsame ägyptisch-syrisch-jordanische militärische Aggression unter israelische Kontrolle gebracht.

Israel hat danach angeboten, fast das gesamte Gebiet wieder abzugeben, wenn die arabischen Staaten im Gegenzug Frieden mit Israel schließen. Die reagierten darauf mit den berüchtigten »drei Neins« von Karthum: keine Verhandlungen mit Israel, keine Anerkennung Israels, keine Frieden mit Israel. Bis heute weigern sich einige arabische Staaten (darunter Syrien und der Libanon) sowie die Palästinenser, die bislang sämtliche Friedensvorschläge ausgeschlagen haben, Frieden mit Israel zu schließen bzw. das Existenzrecht des jüdischen Staates anzuerkennen. Der Ursache der Besatzung, die Weigerung seitens einiger arabischer Staaten und der Palästinenser, friedlich Seite an Seite mit dem jüdischen Staat Israel zu leben, ist leider nach wie vor aktuell.

Im Laufe der Jahre sind Israelis in die aus israelischer Sicht »umstrittenen« Gebiete gezogen. Das war auch in allen anderen Fällen länger andauernder Besatzung weltweit der Fall – aber nur im Falle Israels wird dieser Vorgang international skandalisiert.

Die völkerrechtlichen Fragen in Zusammenhang mit dem palästinensisch-israelischen Konflikt sind gleichermaßen komplex wie umstritten. Das ist aber kein Grund, das ORF-Publikum mit falschen bzw. verkürzenden Behauptungen in die Irre zu führen.

Mit freundlichen Grüßen,
Florian Markl
Mena-Watch – der unabhängige Nahost-Thinktank

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