„Kauft nicht beim Juden“ 2.0

Von Alex Feuerherdt

„Kauft nicht beim Juden“ 2.0Erwartungsgemäß hat die EU-Kommission am vergangenen Mittwoch beschlossen, dass künftig Erzeugnisse israelischer Firmen, die ihren Standort im Westjordanland, in Ostjerusalem oder auf den Golanhöhen haben, bei der Einfuhr in Mitgliedsländer der Europäischen Union gesondert gekennzeichnet werden müssen und nicht mehr die Herkunftsangabe „Israel“ tragen dürfen. Erwartungsgemäß deshalb, weil diese Verordnung mehr als drei Jahre lang vorbereitet worden ist und im April dieses Jahres 16 EU-Staaten, darunter Österreich, mit einer entsprechenden Forderung an die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini den Druck noch einmal erhöht haben. Eine andere Entscheidung war aber auch deshalb nahezu ausgeschlossen, weil die Europäische Union dem jüdischen Staat selten etwas Gutes will.

 

Selektive Transparenz

Offiziell wird die Maßnahme als „Schritt zu mehr Transparenz“ verkauft, denn die Konsumenten hätten das Recht zu erfahren, ob ein Produkt aus den „besetzten Gebieten“ oder aus dem israelischen Kernland stammt. Tomaten aus der von Marokko okkupierten Westsahara dagegen werden in der EU als „Tomaten aus Marokko“ verkauft – was die EU-Kommission ausdrücklich billigt. Geht es aber um Israel, soll der Verbraucher eine „informierte Kaufentscheidung“ treffen, wie es die deutschen Grünen einmal in ihrem unnachahmlichen Hang zu hanebüchenen Euphemismen formulierten, und geschützt werden vor jüdischen Täuschereien und Tricksereien. Sonst greift er am Ende noch arglos nach einer Anti-Aging-Augencreme mit Mineralien aus dem Toten Meer, nach einem Rotwein vom Golan oder nach einer Avocado aus Ariel – und macht sich so zum Komplizen der grausamen zionistischen Besatzungs- und Apartheidpolitik.

Die Verordnung hat also originär politische Gründe. EU-Diplomaten haben nie einen Hehl daraus gemacht, Israel mit der Etikettierungsrichtlinie unter Druck setzen zu wollen. Für die Europäische Union ist ausschließlich der jüdische Staat am Scheitern des Friedensprozesses schuld – mögen die Palästinenser auch ganz Israel als illegales Siedlungsprojekt betrachten und ihrem Ansinnen mit Raketen, Bomben und Attentaten nachhelfen. Dass die Verordnung mitten in einer Art Messer-Intifada der Palästinenser verabschiedet wurde, passt da ins Bild. Bezeichnend ist zudem, dass selbst Erzeugnisse aus Siedlungen, die nach jedem bisher veröffentlichten Friedensplan israelisch bleiben würden, unter die Richtlinie fallen, was den Feinden des jüdischen Staates, die eine „Befreiung ganz Palästinas“ fordern – von den Juden nämlich –, voll in die Karten spielt. Und dass sogar Produkte vom Golan gekennzeichnet werden sollen – was in der Konsequenz nichts anderes heißt, als dass die EU dieses Gebiet am liebsten an Syrien zurückgegeben sähe –, wird insbesondere den in Not geratenen Menschenschlächter Bashar al-Assad freuen.

 

Zum Schaden der Palästinenser

„Kauft nicht beim Juden“ 2.0
Wird nicht mehr im Westjordanland hergestellt: Soda Stream. Quelle: Baruchlanda

Dabei wird der Beschluss den Palästinensern nicht einmal helfen, ganz im Gegenteil: Dem palästinensischen Menschenrechtler Bassam Eid zufolge könnten rund 30.000 von ihnen, die derzeit in Siedlungen beschäftigt sind, arbeitslos werden. Sie wären damit „die Ersten, die den Preis für die Etikettierung zahlen müssen“. Bereits bei der von antiisraelischen Boykotteuren vehement geforderten Schließung des Werkes der Firma „Soda Club“ in Ma’ale Adumin vor einem Jahr verloren 500 palästinensische Angestellte ihren Arbeitsplatz. Das zeigt einmal mehr, dass es den „Israelkritikern“ – gleich, ob sie nun der EU-Kommission angehören oder der infamen BDS-Bewegung – nicht im Geringsten um das Wohl der Palästinenser geht. Ihr Ziel ist es vielmehr, dem jüdischen Staat maximal zu schaden.

Scharfe Kritik an der EU kam dann auch nicht nur vonseiten der israelischen Regierung, sondern genauso aus dem Lager der Opposition. „Just zu einer Zeit, in der Juden wahllos auf Israels Straßen niedergestochen werden, gibt Europa dem Druck der Boykottbewegung nach. Das ist eine antisemitische Entscheidung“, sagte Yair Lapid, der Vorsitzende der liberalen Partei Yesh Atid. Itzik Shmuli, Abgeordneter des Zionistischen Lagers, befürchtet, dass die Konsumenten künftig gleich „sämtliche israelischen Produkte meiden“. Und Nissim Smolianski von der Partei Jüdisches Heim riet Brüssel ironisch, doch gleich „alle unsere Bürger, die sich auf dem Gebiet der EU aufhalten, zu kennzeichnen“.

Tatsächlich handelt es sich bei der Kennzeichnungsverordnung der Europäischen Union, die kurz nach dem Jahrestag der Novemberpogrome von 1938 beschlossen wurde, um einen indirekten Boykottaufruf, eine Art „Kauft nicht beim Juden“ 2.0. Mit ihr wird die Dämonisierung, Delegitimierung und Isolierung des jüdischen Staates ein weiteres Stück vorangetrieben. Die EU-Richtlinie werde unter den Palästinensern „die radikalen Elemente stärken, die einen Boykott Israels vorantreiben und uns unser Existenzrecht verweigern“, hieß es in einer Stellungnahme des israelischen Außenministeriums. Die Europäische Union unterstützt diese Entwicklung, und sie tut es sehenden Auges.

Bleiben Sie informiert!
Mit unserem wöchentlichen Newsletter erhalten Sie alle aktuellen Analysen und Kommentare unserer Experten und Autoren sowie ein Editorial des Herausgebers.

Zeigen Sie bitte Ihre Wertschätzung. Spenden Sie jetzt mit Bank oder Kreditkarte oder direkt über Ihren PayPal Account. 

Mehr zu den Themen

Das könnte Sie auch interessieren

Wir sprechen Tachles!

Abonnieren Sie unseren Newsletter und erhalten Sie einen unabhängigen Blickzu den Geschehnissen im Nahen Osten.
Bonus: Wöchentliches Editorial unseres Herausgebers!

Nur einmal wöchentlich. Versprochen!