Ein Bericht über die Arbeitsbedingungen in Katar hält anhaltende Arbeitsrechtsverletzungen fest und fordert die FIFA auf, einen Entschädigungsfonds einzurichten.
Laut einem neuen Bericht der Menschenrechtsgruppe Equidem mussten Wanderarbeiter, die die Stadien für die Fußballweltmeisterschaft in Katar gebaut haben, »anhaltende und weit verbreitete Arbeitsrechtsverletzungen«, Diskriminierung aufgrund ihrer Nationalität, illegale Einstellungspraktiken und in einigen Fällen auch die Verweigerung der Lohnauszahlung erdulden.
Auch wenn der Bericht eine Reihe von positiven Entwicklungen dokumentiert, etwa den guten Zugang zu Gesundheitsversorgung, zufriedenstellende Sicherheitsmaßnahmen und angemessene Lebensbedingungen, so kommt Equidem doch zu dem Schluss, dass Katar ein »feindliches Umfeld« für die Stadionarbeiter darstelle. So seien viele der für den Bericht befragten Arbeitnehmer massiv ausgebeutet worden. Auch habe auf den Baustellen ein Klima der Angst geherrscht, das durch Diskriminierung aufgrund der Nationalität und sogar durch Gewalt in Form von körperlicher, verbaler und psychischer Misshandlung aufrechterhalten wurde.
Equidem erklärte weiters, dass sich die am Bau der Stadien beteiligten Unternehmen »aktiv den Inspektionen entzogen« hätten. In diesem Zusammenhang wird etwa ein nepalesischer Arbeiter zitiert, der im Lusail-Stadion beschäftigt ist, in dem das WM-Finale stattfinden wird, und der den Forschern berichtete, die Arbeiter seien vor einem Besuch der FIFA in ihre Lager zurückgeschickt worden: Einige Arbeiter hätten versucht, sich auf der Baustelle zu verstecken, »um sich bei der FIFA-Delegation beschweren zu können, doch das Unternehmen begann zu prüfen, ob noch jemand vor Ort ist. Wurde jemand dabei erwischt, wurde er entweder ganz nach Hause geschickt oder sein Lohn einbehalten.«
Auch von nicht ausgezahlten Löhnen, nicht bezahlten Überstunden oder Löhnen, die niedriger ausfielen als zugesagt, ist in dem Bericht die Rede. Ein Arbeiter aus Bangladesch, der in mehreren Stadien beschäftigt war, erzählte den Forschern: »Ich werde für Überstunden nicht bezahlt und arbeite von sechs Uhr morgens bis achtzehn Uhr abends an sieben Tagen in der Woche.«
Im Jahr 2014 führte das lokale WM-Organisationskomitee eine Reihe von Arbeiterschutzstandards ein, um die Arbeiter zu schützen: So sollten bessere Unterkünfte, Mechanismen zur Einreichung von Beschwerden und ein System zur Erstattung der Einstellungsgebühren für die Arbeiter eingerichtet werden.
Zweifelhafte Reformen
In den vergangenen Jahren führten die katarischen Behörden auch eine Reihe von Arbeitsreformen durch, darunter die Einführung eines Mindestlohns und die Abschaffung des Kafala- oder Sponsorensystems. Der Equidem-Bericht legt jedoch nahe, dass es bei der Umsetzung dieser Maßnahmen erhebliche Mängel gab und „»die in den letzten fünf Jahren durchgeführten Reformen bloß als Deckmantel für mächtige Unternehmen gedient haben, die versuchen, Wanderarbeiter ungestraft auszubeuten«. Der Bericht fordert die FIFA auf, einen Entschädigungsfonds für Arbeiter einzurichten, die beim Bau der Stadien zu Schaden gekommen sind.
In einer Erklärung sagte ein FIFA-Sprecher, die Maßnahmen zum Schutz der Gesundheit und des Wohlbefindens der WM-Beschäftigten, zu denen regelmäßige, unabhängige Inspektionen, Arbeitsschutzmaßnahmen vor Ort, umfassende medizinische Untersuchungen und Projekte zur Verbesserung der Gesundheit gehören, hätten Priorität besessen: »Dem Programm wurde im Laufe der Jahre wiederholt von Experten und Gewerkschaften Anerkennung gezollt, da es die höchsten internationalen Standards in Bezug auf Gesundheit und Sicherheit erreicht. Wir stehen in Kontakt mit unseren katarischen Partnern, um die im Equidem-Bericht enthaltenen Informationen zu bewerten«, hieß es vonseiten der FIFA.
Katar wiederum erklärte, der Equidem-Bericht sei »voller Ungenauigkeiten und falscher Darstellungen«, die sein Engagement für die Gewährleistung von Gesundheit, Sicherheit und Würde der Arbeiter bei den Projekten der Fußball-WM untergraben würden. Seit der Einführung der Standards für das Wohlergehen der Arbeiter im Jahr 2014 hätten die katarischen Bemühungen »zu erheblichen Verbesserungen bei den Unterkunftsstandards, den Gesundheits- und Sicherheitsbestimmungen, den Beschwerdemechanismen, der Gesundheitsversorgung und der Rückerstattung illegaler Anwerbegebühren an die Arbeiter geführt«, sagte ein Sprecher des lokalen WM-Organisationskomitees : »Der Oberste Ausschuss macht sowohl die Probleme als auch die Fortschritte transparent, nimmt konstruktive Kritik an und pflegt den Dialog mit den wichtigsten Interessengruppen. Der Bericht, der kurz vor Beginn der Fußballweltmeisterschaft veröffentlicht wurde, ist ein ungeheuerlicher Versuch, den Ruf des Ausschusses zu untergraben und zu beschädigen.«