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Katar will zum Flüssiggas-Exportweltmeister werden

Erdgas-Raffinerie in Katar. (© <a href="http://www.imago-images.de">imago images</a>/Photoshot/Construction Photography)
Erdgas-Raffinerie in Katar. (© <a href="http://www.imago-images.de">imago images</a>/Photoshot/Construction Photography)

Die Zeit extrem niedriger Preise für Erdöl und Erdgas ist wenigstens vorläufig vorbei. Katar hofft, sich das auch geopolitisch zunutze machen zu können.

Nach Jahren der Zurückhaltung will Katar seine Kapazitäten zum Export von flüssigem Erdgas (Liquified Natural Gas, LNG) beträchtlich steigern und dafür fast 30 Milliarden US-Dollar investieren. Am 9. Februar gab das staatliche Unternehmen Qatar Petroleum (QP) bekannt, eine endgültige Entscheidung zum Bau des nach eigenen Angaben „größten LNG-Projekts der Welt“ getroffen und ein entsprechendes Vertragswerk mit den Firmen unterzeichnet zu haben, die das sogenannte North Field East Project (NFE) Wirklichkeit werden lassen sollen. Damit würde Katar Australien als größten LNG-Exporteur ablösen und, so glauben Experten, diese Position für mindestens zwei Jahrzehnte zementieren.

Warum flüssiges Gas? Um Erdgas in großem Stil zu transportieren, gibt es zwei Möglichkeiten: über Pipelines oder Schiffe. Die EU ist mit den Gasfeldern Russlands, Großbritanniens, Norwegens und Algeriens durch Pipelines verbunden. Gas aus anderen Teilen der Welt wird hingegen mit Schiffen als LNG transportiert. Dabei wird das Gas auf minus 163 Grad Celsius abgekühlt, so dass es flüssig wird und 600-mal weniger Platz einnimmt. Dann wird es mit speziellen LNG-Tankern befördert und im Zielhafen regasifiziert, so dass es über Pipelines weitertransportiert werden kann.

Soll etwa Gas von Katar nach Österreich transportiert werden, würde es als LNG zu einem europäischen LNG-Terminal am Mittelmeer gebracht – Italien etwa hat drei davon –, dort regasifiert und über das europäische Pipelinenetz weitergeleitet. Ein Land muss also nicht über ein eigenes LNG-Terminal verfügen, um flüssiges Erdgas aus Übersee zu beziehen.

Zurück nach Katar: Die Unterzeichner, die sich mit ihrer Unterschrift verpflichtet haben, das gigantische LNG-Projekt zu entwickeln, waren neben QP-Chef Saad Sherida Al-Kaabi – der auch gleichzeitig katarischer Energieminister ist – die Chefs der beiden Baukonzerne Technip (Frankreich) und Chiyoda (Japan). Zum Umfang des Projekts gehören vier riesige Gasverflüssigungsanlagen und eine Anlage zur Heliumextraktion.

Der Bau soll 28,75 Milliarden US-Dollar (24 Milliarden Euro) kosten und die LNG-Produktion von derzeit 77 Millionen auf 110 Millionen Tonnen im Jahr 2026 steigern.

Das North Field East Project ist eine Erweiterung des 1971 entdeckten und 1991 in Betrieb genommenen Gasfelds North Field, das als größtes einzelnes Gasfeld der Welt gilt.

QP-Chef und Energieminister Saad Sherida Al-Kaabi sagte, sein Unternehmen sei in Gesprächen mit anderen Energiekonzernen, die sich an dem Projekt beteiligen könnten, wie sie es im Laufe der Jahre bei den anderen LNG-Projekten des Landes getan hätten.

Öl und Erdgas: plötzlich wieder teuer

Das Projekt kommt zu einer Zeit, in der nirgendwo sonst auf der Welt LNG-Anlagen gebaut werden. Die letzte Überproduktionskrise liegt erst wenige Monate zurück. „Dieses Ereignis ist von besonderer Bedeutung, da es zu einem kritischen Zeitpunkt stattfindet, an dem die Welt noch immer von den Auswirkungen einer globalen Pandemie und damit verbunden daniederliegenden Volkswirtschaften betroffen ist“, sagte Al-Kaabi. „Diese Investitionsentscheidung ist ein klarer Beweis für das unerschütterliche Engagement des Staates Katar, die Welt mit der sauberen Energie zu versorgen, die sie benötigt.“

Die Produktionskosten des katarischen LNG sollen mit vier US-Dollar pro Million BTU am unteren Ende dessen liegen, was derzeit üblich ist.

Durch den Schieferöl- und Schiefergasboom in den USA schien es lange Zeit, als wäre die Zeit extrem hoher Öl- und Gaspreise, wie es sie 2007/2008 gab, vorbei. Mit komplizierter Diplomatie konnten die OPEC und Russland sich ab 2016 darauf verständigen, ihre eigene Produktion trotz des amerikanischen Förderbooms zu beschränken und so die Ölpreise zu stützen („OPEC plus“). Das half auch den Gaspreisen, da sich die langfristigen Erdgaslieferverträge traditionell am Ölpreis orientieren. Doch das Bündnis von Saudi-Arabien und Russland ging in die Brüche, und Anfang 2020 drehte Saudi-Arabien den Ölhahn auf, um den Weltmarkt zu überschwemmen und Russland zur Rückkehr an den Verhandlungstisch zu zwingen.

Just in diese Zeit fiel der Corona-Schock, samt der drastischen Einschränkung des Flugverkehrs und der gesamten Weltwirtschaft. Die Folge war ein weltweites Überangebot an Öl und Gas. Eine Zeitlang fiel der Ölpreis an einigen Handelsplätzen unter null, das heißt, die Käufer bekamen zum Öl noch Geld dazu (das lag daran, dass die Produzenten nur begrenzte Lagerkapazitäten haben und darum das geförderte Öl auf jeden Fall loswerden müssen).

Seit Herbst 2020 aber steigen die Öl- und Gaspreise wieder, und zwar tüchtig. Das gilt vor allem für den Preis von Erdgas. Noch müssen die Verbraucher in Europa keine größeren Preissprünge fürchten als in den letzten Jahren auch, da die Versorger langfristige Lieferverträge mit Russland und den anderen Produzenten haben. Doch gerade in Asien sind etliche Abnehmer in den Jahren der niedrigen Preise für LNG dazu übergegangen, vermehrt auf flüssiges Gas zu setzen. Während das über Pipelines gelieferte Gas zu langfristig festgeschriebenen Preisen verkauft wird, wird LNG an der Börse gehandelt; die Ladung eines Schiffs kann vor der Ankunft am Hafen mehrmals den Besitzer wechseln.

LNG ist in China, Japan und Südkorea volkswirtschaftlich bedeutsam – und seit November sehr teuer geworden: Gegenüber dem Tiefstand von Mai – der betrug 2 Dollar pro Million BTU – stiegen die in Asien gezahlten Preise laut der Nachrichtenagentur Reuters zeitweise um 1.675 Prozent auf über 30 Dollar. Die dafür von Experten genannten Gründe sind das überraschend schnelle Wiederanlaufen der chinesischen Wirtschaft sowie ein extrem kalter Winter im Norden Asiens. Verbunden mit zu niedrigen Vorratshaltungen in diesen Ländern, die den Verbrauch während des Winters unterschätzt hatten und darum nachkaufen mussten, führte das zu schockierenden Preissprüngen.

Dies wiederum, glauben Marktbeobachter, könnte dazu führen, dass asiatische Kunden in Zukunft wieder vermehrt auf langfristige Lieferverträge setzen werden – auch mit LNG-Produzenten. Als größter LNG-Exporteur würde das Katar bedeutenden wirtschaftlichen Einfluss sichern. Die geostrategische Frage ist, ob das Emirat, das als größter Förderer der Muslimbruderschaft gilt, diesen wirtschaftlichen auch in politischen Einfluss wird ummünzen können – vergleichbar mit dem politischen Einfluss, den Saudi-Arabien dank seiner Ölquellen hat.

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