Wenn Verteidigung gegen Terror stärker verurteilt wird als Terror selbst

Von Stefan Frank

Wenn Verteidigung gegen Terror stärker verurteilt wird als Terror selbstSo, wie es in öffentlichen und gewerblichen Einrichtungen regelmäßige Brandschutzübungen gibt, sollte es einmal im Jahr Übungen geben, in denen die Bevölkerung das richtige Verhalten bei Terroralarm lernt. Wie die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) auf ihrer Website berichtet, bieten ehemalige israelische Soldaten in der Nähe von Jerusalem einen solchen Kurs auch für Ausländer – also auf Englisch – an. Eine gute Idee, die im besten Fall Menschenleben retten kann, mindestens aber Einblicke in die Arbeit derer bietet, die die Bevölkerung unter Einsatz ihres eigenen Lebens schützen, von denen wir aber in der Regel wenig wissen.

Doch das sind keine Gedanken, die den FAZ-Mitarbeiter bewegten, der die Überschrift ersann: „Bizarre Touristenattraktion: Terroranschlag als Urlaubsspaß“. Damit soll der Eindruck erweckt werden, Israelis – ausgerechnet – würden Terroranschläge trivialisieren oder gar Kapital daraus schlagen. Neben dem kurzen redaktionellen Text der FAZ steht der eigentliche Beitrag, ein Film der französischen Nachrichtenagentur Agence France Press (AFP). Der 45-Sekunden-Film zeigt Bilder von Uniformierten, die das Überwältigen eines Terroristen simulieren und Zivilisten, die an einem Schießstand das Schießen üben. Der Kommentar dazu lautet:

„Ehemalige Soldaten bringen Touristen das Schießen mit einem Maschinengewehr bei.

Schon der erste Satz enthält einen Fehler: Die Kursteilnehmer im Film schießen mit Sturmgewehren, nicht mit einem Maschinengewehr. Das aber ist nebensächlich im Vergleich zu dem, was folgt:

„Was für viele bizarr wirkt, ist für einige Israelbesucher ein Urlaubsspaß. In der Nähe von Jerusalem werden sie für rund hundert Dollar pro Person für den Ernstfall einer Terrorattacke trainiert, inklusive Nahkampfmethoden wie Krav Maga.“

Wenn Verteidigung gegen Terror stärker verurteilt wird als Terror selbst
Screenshot

Es wäre interessant zu erfahren, worin die AFP sowie der FAZ-Redakteur, der diesen Film für der Verbreitung wert befand, das „Bizarre“ und den „Spaß“ dabei sehen, wenn sich in Zeiten des täglichen Terrors jemand auf diesen Ernstfall vorbereitet. Im Übrigen geht es bei dem Kurs ja auch nicht, wie die FAZ suggeriert, darum, Terroranschläge zu erlernen, sondern darum, sie zu verhindern. Das ist nicht dasselbe.

Dass sich da einer einen „Spaß“ mache, ist die zentrale Behauptung des Films und der Überschrift. Doch dafür wird weder im Film noch im Begleittext der Hauch eines Belegs geliefert – im Gegenteil: Der einzige im Film interviewte Kursteilnehmer sagt (mit ziemlich ernstem Gesicht): „Was wir hier wirklich gelernt haben, ist, wie Soldaten schnelle Entscheidungen treffen und wie sie wissen, was richtig und was falsch ist.“ Er sagt, dass er etwas gelernt habe, und just zu diesem Zweck hat er mutmaßlich an dem Kurs teilgenommen und dafür gezahlt. Von „Spaß“ ist keine Rede, auch nicht von „Begeisterung“, die im nächsten Satz trotzdem unterstellt wird:

„Während viele Touristen von den Übungen begeistert sind, werfen Kritiker den Organisationen eine Verharmlosung des Nahostkonflikts vor; das Unternehmen schüre die Angst vor Terror und mache damit Geld.“

So sind sie, die Juden: Selbst mit ihrer Angst vor Terror machen sie noch Geld. Wer die ominösen „Kritiker“ sind, erfährt man nicht; auch nicht, inwiefern der Nahostkonflikt – ein anachronistischer Begriff – verharmlost wird, während gleichzeitig Angst vor Terror geschürt wird? Ist das logisch möglich? Und kann man in Israel die Angst vor Terror überhaupt „schüren“? Sollte man vor tödlichen Bedrohungen, denen Monat für Monat Menschen zum Opfer fallen, denn keine Furcht haben? Es ist so, als würde AFP „Kritiker“ zitieren, die eine Brandschutzübung mit dem Argument kritisieren, sie schüre die Angst vor Bränden.

Überraschend kommt der jüngste Streich von Frankreichs Nachrichtenagentur nicht; seit langem werfen Kritiker AFP vor, einen „geheimen Krieg gegen Israel“, zu führen. Der französische Journalist Yves Mamou, der zwanzig Jahre lang für die Tageszeitung Le Monde gearbeitet hat, sagt: „Dass in der französischen Presse verzerrte Informationen über Israel auftauchen, ist keine Ausnahme. Es scheint vielmehr System dahinter zu stecken. Hauptantriebsmotor dieser einseitigen Informationsmaschinerie ist ganz unverhohlen die Agence France Presse.“ AFP sei „ein Instrument der französischen Diplomatie“ und werde als „Teil der internationalen Einflussnahme Frankreichs“ betrachtet. AFP weigere sich „systematisch“, die Mörder israelischer Juden als Terroristen zu bezeichnen, so Mamou. Bei AFP – und das gilt weitgehend auch für die Berichterstattung der FAZ – werden die Begriffe „Terroranschlag“, „Terror“ und „Terroristen“ sonst peinlichst vermieden, wenn es um Israel geht. Da ist immer nur von „Anschlägen“ oder „Attentaten“ die Rede, AFP spricht häufig gar von „Schießereien“, wie im Wilden Westen. Das ist auch der Grund, warum niemand sich mehr über den Videobeitrag ärgern sollte als die Verantwortlichen von AFP selbst: Sie haben versehentlich ausgeplaudert, was sie seit Jahr und Tag zu verstecken suchten: dass es in Israel Terroranschläge gibt.

Wenn Verteidigung gegen Terror stärker verurteilt wird als Terror selbst
Agence France Press AFP

Anrechnen muss man der AFP, dass sie sich diesen Monat in einem Beitrag auch den Kinderferienlagern der Hamas gewidmet hat, in denen Teenager in Terrorismus und Kriegsführung geschult werden. Das Wort „Terror“ kommt in dem Text allerdings nicht vor: die Rede ist vom „bewaffneten Konflikt“ bzw. vom „bewaffneten Kampf“, das Militärlager wird als „umstrittene Sommerschule“ bezeichnet, und die Hamas ist eine „islamistische Bewegung“. Nach den Regeln von AFP können übrigens nicht nur Menschen, sondern auch Länder reden; „Israel“ soll gesagt haben: „Sie indoktrinieren junge Leute mit der militanten Ideologie der islamistischen Hamas.“ „Militante Ideologie“? Auch ohne es geprüft zu haben, weiß man, dass kein Minister oder Sprecher der israelischen Regierung das gesagt hat. Selbst dort, wo AFP vorgibt, „Israel“ zu zitieren, vermeidet die Agentur tunlichst das Wort „Terror“ und baut sich stattdessen selbst ein Zitat, das sie dann ohne Namensnennung anführt. Zu dem Bericht über die Sommerlager der Hamas hätte die Überschrift „Terroranschlag als Urlaubsspaß“ viel besser gepasst – doch die AFP würde niemals die Wörter „Hamas“ und „Terror“ in einen Zusammenhang bringen.

Von Terroranschlägen spricht AFP einzig und allein in einem Beitrag, in dem Israelis vorgeworfen wird, die Angst vor Terror zu einem „Urlaubsspaß“ zu machen, mit dem sie Geld verdienen. Da beide der genannten AFP-Beiträge aus demselben Monat stammen, hätte es sich eigentlich angeboten, sie zu einem einzigen zusammenzufassen und den Kontrast aufzuzeigen: Auf der einen Seite Israelis, die im Urlaub Wissen darüber vermitteln, wie man Terroranschläge vereitelt, auf der anderen die Hamas, die Kinder in Sommerlagern zu Terroristen ausbildet. AFP, so scheint es, hat einen größeren Widerwillen gegen den, der „Angst vor Terror schürt“ als gegen den, der den Terror verübt – also Menschen ermordet. Das ist es, was wirklich bizarr ist.

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