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Kanadische Universitäten: Antisemitischer Hass und Hetze gegen Frauen

Antisemtisches Protest-Camp an der Universität im kanadischen Montreal
Antisemtisches Protest-Camp an der Universität im kanadischen Montreal (© Imago Images / ZUMA Press Wire)

Medizinstudenten im kanadischen Québec missbrauchen das Internetforum der Universität Montreal, um Antisemitismus, Rassismus und Frauenhass zu verbreiten.

Medizinstudenten und Bewerber für Arbeitsplatzangebote in der Medizin aus Québec, dem französischsprachigen Teil Kanadas mit der Metropole Montreal, haben ein öffentliches Forum des Instant-Messengerdienstes Discord genutzt, um antisemitische, frauenfeindliche und rassistische Inhalte zu posten. Das berichteten die Montreal Gazette, die Jerusalem Post und die jüdische Organisation B’nai Brith Canada. Der Kanal Med Server wurde vor allem für Studenten eingerichtet, um Bewerbungen an den vier medizinischen Fakultäten Québecs zu diskutieren.

Den Berichten zufolge sollen angehende Ärzte in der über 1.400 Mitglieder starken Gruppe islamistischen Terrorismus verherrlicht, Holocaustleugnung verbreitet, die »Endlösung« gepriesen und Frauen herabgesetzt haben. 

Chatroom des Hasses

B’nai Brith erstellte Screenshots einiger der Postings, in dem zum Beispiel ein »Islamischer Staat Québec« angekündigt, mit »du kannst mir vertrauen, solange du keine Kippa unter deiner Perücke trägst«, gedroht und die Empfehlung »So musst du während des Vorstellungsgesprächs aussehen» unter ein Foto eines orthodoxen jüdischen Mannes gestellt wurde. Ein weiteres Posting richtet sich gegen Juden und Schwarze; in einem anderen wird behauptet, Frauen seien wegen ihrer angeblich fehlenden mentalen Belastbarkeit als Ärzte nicht geeignet.

»Diese Inhalte wurden nicht unter Verschluss gehalten«, teilte B’nai Brith Canada dazu mit, »sondern in offenen Kanälen geteilt und waren für über 1.400 Mitglieder sichtbar. Kaum jemand meldete sich dagegen zu Wort.« Es handle sich keinesfalls um »anonyme Trolle, es sind angehende Ärzte. Und dieser Hass bleibt nicht nur online. Er begleitet sie in Seminarräume, Kliniken und Operationssäle.«

Es gebe »Hunderte solcher Beiträge, und wir konnten im Gruppenchat keine einzige Entgegnung finden«, beklagte der pensionierte Hausarzt Philip Berger von den in Toronto ansässigen Ärzten gegen Rassismus und Antisemitismus. »Ich dachte, ich hätte schon alles gesehen. Seit dem 7. Oktober 2023 habe ich überall viele abscheuliche Posts gesehen, aber das übersteigt meine Vorstellungskraft. Ich meine, Beleidigungen gegen Schwarze, Indigene, Transgender, Frauen, Juden. Ich verabscheue Plattitüden, aber diese hier klingt wahr: Es beginnt mit den Juden, aber es endet nicht mit ihnen, und das ist der Beweis dafür.«

Ein Medizinstudent der McGill University schätzte, dass es auf Med Server dreißig Discord-Accounts gibt, von denen diese Einträge ausgingen. »Ich war schockiert über die einzelnen Personen, die zwanzig bis dreißig Leute, die dieses antisemitische Zeug gepostet haben.»

Wie die Montreal Gazette in einem Folgebeitrag meldete, wurde der Kanal nach der Veröffentlichung des Zeitungsberichts deaktiviert: »Nur wenige Stunden nachdem die Zeitung am vergangenen Freitag über eine heftige Flut hasserfüllter Inhalte auf dem 1.400 Mitglieder umfassenden Discord-Kanal ›Med Server‹ berichtet hatte, verschwand das Chat-Forum plötzlich. Die Deaktivierung erfolgte nach der Aussage von Discord-Sprecherin Jillian Susi: ›Sobald wir Kenntnis von solchen (hasserfüllten) Inhalten erlangen, ergreifen wir umgehend geeignete Maßnahmen, darunter die Sperrung von Nutzern und die Abschaltung von Servern.‹«

Daraufhin wechselten die User laut Gazette zu einem anderen Server. Mittlerweile wurden von der Montrealer Polizei, der Nationalpolizei und vom Geheimdienst Ermittlungen zu den Urhebern eingeleitet.

Hauptstadt des Antisemitismus?

In Montreal, eine der ältesten Gemeinden Kanadas, leben mehr als 80.000 Juden. Doch seit einigen Jahren ist die Stadt auch für ihren Antisemitismus bekannt. Fast die Hälfte der jüdischen Ärzte Québecs war nach eigenen Angaben seit den Anschlägen vom 7. Oktober 2023 in Israel Opfer antisemitischer Vorfälle in ihren Krankenhäusern, berichteteLe Journal de Québec im Februar. »Wir stehen vor einer Lawine von Fällen«, so Lior Bibas. »Es muss in der Gesellschaft ein Bewusstsein dafür entstehen, dass es in Québec ein Problem gibt.« Der Kardiologe ist Präsident der Vereinigung jüdischer Ärzte von Québec (AMJQ) mit über 550 Mitgliedern.

In einer aktuellen Umfrage gaben 45 Prozent der befragten Ärzte an, seit dem Hamas-Überfall auf Israel antisemitische Vorfälle in Krankenhäusern erlebt zu haben (2024: 34 Prozent); dreißig Prozent bekamen Woche für Woche antisemitische Bemerkungen zu hören.

»Diese Bemerkungen sind oft eine Wiederholung alter antijüdischer Klischees. So berichtete ein Gynäkologe, von einer Patientin, die vor ihrer Operation eine Pilgerreise nach Mekka unternehmen und dort dafür beten wollte, dass ›die Juden aufhören, die Welt zu kontrollieren‹. Der Arzt, der anonym bleiben möchte, ist schockiert und argumentiert, seine Identität habe keinerlei Einfluss auf die Behandlung, die er leiste, solche Bemerkungen jedoch unweigerlich Auswirkungen auf (seine) psychische Gesundheit hätten«, berichtete Le Journal de Québec.

Jüdische Studenten an der renommierten Universität McGill leben Meldungen zufolge in Angst und verheimlichen oft ihre Identität. »Eine Studentin war sogar Ziel einer Verleumdungskampagne der medizinischen Fakultät der McGill University, weil sie in den sozialen Medien ihre Trauer über den Verlust geliebter Menschen bei dem Anschlag vom 7. Oktober 2023 zum Ausdruck gebracht hatte.«

Gad Saad, jüdischer Evolutionärer Verhaltensforscher und Bestsellerautor, schrieb im November 2024 in einer Kolumne für die New York Post, Montreal sei die »Hauptstadt des Antisemitismus in Nordamerika«. Darum lasse er seine Professur an der Concordia-Universität Montreal derzeit ruhen und sei an eine Hochschule in Michigan gewechselt. Als die drei Hauptquellen des Judenhasses identifiziert Saad »islamisch geprägten Hass, ultrarechte Neonazis und die akademische Linke, die das Narrativ verbreitet, Juden seien die brutalen Kolonisatoren der ansonsten friedliebenden Palästinenser«. 

Im »Ökosystem Montreals« sei »die Neonazi-Dynamik weniger ausgeprägt«, doch die beiden anderen Quellen liefen »seit Jahrzehnten auf Hochtouren: Die Regierung Québecs sorgt sich seit Langem um den Schutz ihres französischen Spracherbes. Darum hat sie die Grenzen für Hunderttausende von Einwanderern aus französischsprachigen islamischen Ländern geöffnet, die möglicherweise nicht die säkularen und liberalen Werte teilen, welche die Gesellschaft Québecs prägen, und die aus Gesellschaften stammen, die von allgegenwärtigem Judenhass geprägt sind.«

Saad schrieb dies im November 2024, als bei großen antisemitischen Demonstrationen in Montreal der Hitlergruß gezeigt, eine Netanjahu-Puppe verbrannt sowie zwei Autos angezündet wurden. In einem Video frohlockte eine vermummte Frau: »Die Endlösung kommt zu euch. Die Endlösung. Wisst ihr, was die Endlösung ist?« Zeitgleich durfte sich ein Rabbi nicht in der Nähe der Demonstranten aufhalten, da die Polizei meinte, seine Anwesenheit könne eine »Provokation« darstellen.

Viele jüdische Schulen und Synagogen mussten die Sicherheitsvorkehrungen auf ihrem Gelände erhöhen, nachdem Synagogen wie in Montreal und Vancouver mit Brandsätzen angegriffen und verwüstet wurden. Auf eine jüdische Mädchenschule in Toronto wurde dreimal geschossen.

Starke Zunahme

»Der Antisemitismus in Kanada nimmt zu«, diagnostizierte der staatliche kanadische Rundfunk CBC. Anlässlich der Unterhauswahlen Ende April interviewte CBC die jüdische Wählerin Jodie Katz aus Toronto, die ihr Leben lang die sozialdemokratische Liberal Party gewählt habe; wegen des grassierenden Antisemitismus seit dem Oktober 2023 und ihrer Enttäuschung über die Regierung nun aber für die konservative Opposition gestimmt habe. »Ich habe berechtigterweise Angst», erinnerte sie sich an ihr eigenes Erlebnis beim Walk for Israel im vergangenen Juni: »Auf beiden Seiten der Straße standen maskierte Personen mit Palästinensertüchern und brüllten schreckliche Beleidigungen gegen Juden, nicht gegen Israelis, sondern gegen Juden. Ich bin Jüdin, und mein Sohn, mein elfjähriger Sohn, zitterte.«

Robert Brym, emeritierter Professor für Soziologie an der Universität Toronto, sagte CBC, der zunehmende Antisemitismus sei seinen Umfragen zufolge eines der wichtigsten Themen für Kanadas Juden. »Ich stellte fest, dass das wichtigste Thema, das alle Kanadier gemeinsam hatten, die Wirtschaft war. Schließlich sind kanadische Juden Kanadier und sorgen sich um Arbeitsplätze und Lebenshaltungskosten. Das zweitwichtigste Thema jedoch, nicht weit dahinter, war der Antisemitismus.«

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