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Jordanien in außenpolitischem Dilemma

Der jordanische König Abdallah II.
Der jordanische König Abdallah II. (Quelle: JNS)

Die palästinensische Eigenstaatlichkeit steht für Jordaniens König noch immer im Mittelpunkt seiner Interessen, dennoch gibt es eine vorsichtige Annäherung an Israel.

Israel Kasnett

Auf dem Negev-Gipfel, der am 27. März stattfand, war zwar eine Reihe wichtiger Außenminister aus der Region vertreten, aber einer fehlte: der stellvertretende Premierminister und Außenminister Jordaniens, Ayman H. Safadi.

Eran Lerman, ehemaliger stellvertretender Direktor des israelischen Nationalen Sicherheitsrates und derzeitiger Vizepräsident des Jerusalemer Instituts für Strategie und Sicherheit, erklärte gegenüber dem Jewish News Syndicate (JNS), Jordanien sei der Ansicht, sich von der entstehenden regionalen Allianz distanzieren und eine eigenständige Haltung beibehalten zu müssen.

Das Bündnis, dem außer Israel derzeit die Vereinigten Arabischen Emirate, Bahrain, Ägypten und Marokko angehören, konzentriert sich stark auf den Iran sowie auf wirtschaftliche und sicherheitspolitische Belange und weniger auf die Palästinenser-Frage.

Diese neue Agenda, die offiziell mit der Unterzeichnung der Abraham-Abkommen im Jahr 2020 begann und von der jahrelangen Konzentration auf die Palästinenser abweicht, ist für Jordanien insofern problematisch, als das Land die Palästina-Frage in den Mittelpunkt seiner Außenpolitik gegenüber Israel gestellt hat. Für den jordanischen Staatschef König Abdullah II. hat die palästinensische Eigenstaatlichkeit ungeachtet der Abraham-Abkommen immer noch Vorrang vor anderen innenpolitischen und internationalen Fortschritten.

Trotz all seines öffentlich geäußerten Ärgers über palästinensisches Leid betreibt Abdullah jedoch immer noch zehn Flüchtlingslager für zwei Millionen Palästinenser, von denen viele jedoch keine Bürgerrechte haben. Jordaniens Sympathie für die Palästinenser erstreckt sich nur auf jene, die unter der Herrschaft der Palästinensischen Autonomiebehörde in den umstrittenen Gebieten leben, die allgemein als Westjordanland bekannt sind.

Verbesserte Beziehungen

Lerman zufolge hat Jordanien »ein ähnliches Interesse« wie Israel an der Verhinderung von Gewalt und der Aufrechterhaltung des Status quo in Jerusalem. So traf der jordanische König am 10. März mit dem israelischen Außenminister Yair Lapid zusammen, um Strategien zur Eindämmung der Unruhen während des Ramadans zu erörtern. Lapids Besuch fand im Zuge einer Reihe von israelischen Besuchen in Amman statt, nachdem sich die Beziehungen zwischen den beiden Ländern weiter verbessert hat.

Der Besuch von Isaac Herzog am 30. März war der erste öffentliche und offizielle Besuch eines israelischen Präsidenten in Jordanien. Bis dahin fanden solche Treffen nur in geheimem Rahmen statt, über die manchmal erst im Nachhinein berichtet wurden. Herzogs Visite fand nur einen Tag nach jener des israelischen Verteidigungsministers Benny Gantz in Amman statt, der ebenfalls mit König Abdullah zusammengetroffen war.

»Letztendlich ist die jordanische Stabilität ein großer Vorteil, und der offene Kanal ist sehr wichtig«.

Dieser »offene Kanal«, so Lerman weiter, ist heuer von besonderer Bedeutung, da der Ramadan mit Ostern und Pessach zeitlich zusammenfällt. Deshalb machte König Abdullah am 28. März einen seiner seltenen Besuch beim Führer der Palästinensischen Autonomiebehörde, Mahmoud Abbas, in Ramallah auf, bei dem er Berichten zufolge auf die Notwendigkeit von Ruhe während des Ramadans hinwies.

Andererseits hindert dieser »Kanal« Jordanien nicht daran, Israel offen zu kritisieren, möglicherweise, um seine Sorge um die Palästinenser und den Status quo zu demonstrieren. Beispielsweise verurteilte das jordanische Außenministerium Israel vergangenen Montag dafür, Besuche von Israelis auf dem Tempelberg während des Ramadans zuzulassen.

Daneben sprach König Abdullah am Sonntag mit dem israelischen Premierminister Naftali Bennett und forderte ihn auf, Handlungen zu vermeiden, die zu Gewalt im Westjordanland führen könnten, und verlangte, dass Israel das Recht der Muslime, während des Ramadans auf dem Tempelberg zu beten, nicht einschränke. Es ist unklar, ob die beiden Regierungschefs die anhaltenden arabischen Ausschreitungen ansprachen, die jeden Abend am Damaskustor in der Jerusalemer Altstadt stattfinden.

Ein strategischer Zug

Michael Milstein, Leiter des Forums für Palästinastudien am Moshe Dayan Center für Nahost- und Afrikastudien in Tel Aviv, erklärte, Jordanien sei dem Negev-Gipfel ferngeblieben, weil König Abdullah Angst vor den möglichen Folgen in seinem eigenen Land habe.

»Er hatte Angst, als ein Führer dargestellt zu werden, der bei einem Projekt mitarbeitet, das die meisten Palästinenser (einschließlich seiner eigenen Bürger) als einen strategischen Schachzug gegen sie [die Palästinenser] betrachten.«

Milstein erklärte, Abdullah wisse, dass jede Unruhe auf dem Westufer des Jordans direkte Auswirkungen auf das Ostufer haben könne. Hinzu kommt, dass Jordaniens Wirtschaftslage instabil ist und Abdullahs Unterstützung durch Stammesführer, auf die er sich besonders verlässt, um an der Macht zu bleiben, geschwächt wurde.

Das Ziel von Abdullahs Besuch, so Milstein, »war es, sicherzustellen, dass die Palästinensische Autonomiebehörde die Bemühungen zur Erhaltung der Stabilität fördert und die Jordanier ihren traditionellen (aber begrenzten) Einfluss auf den Tempelberg behalten«.

Wenn Abdullah den Abraham-Abkommen nicht beitreten will und darauf besteht, dass zunächst Bewegung in die Frage der palästinensischen Eigenstaatlichkeit kommt, gibt es dann wenigstens ein Ziel, das er für Jordanien und Israel zu erreichen gedenkt? Wollen beide Länder ihre Beziehungen verbessern und ein bestimmtes Niveau der Zusammenarbeit erreichen, etwa im Tourismus und in der Wirtschaft, oder wollen sie vorerst nur den Status quo beibehalten?

Milstein zufolge haben die beiden Länder im Moment nur ein Interesse: Ruhe.

»Vielleicht wird nach dem Ramadan ein neuer strategischer Horizont entwickelt. Es ist sehr gut, dass an der Verbesserung der gegenseitigen Beziehungen gearbeitet weird. Es ist offensichtlich, dass ein stabiles Königreich Jordanien eines der wichtigsten Interessen Israels ist.«

Der Text erschien auf Englisch zuerst beim Jewish News Syndicate. (Übersetzung: Martina Paul)

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