Die „Jerusalemer Erklärung“ missversteht Antisemitismus und stellt der Dämonisierung und Delegitimierung des jüdischen Staates einen Persilschein aus.
Alan Posener, welt.de
Erstens: Die Jerusalemer Erklärung missversteht den Antisemitismus als Rassismus. Dabei gab es den Antisemitismus vor der Erfindung der Rassen, und es gibt ihn immer noch, obwohl der Rassenantisemitismus als verpönt gilt.
Der Antisemitismus kann Rassismus sein. Aber er ist mehr: eine kulturelle Konstante, die sich christlich und antichristlich, islamisch und antiislamisch, wissenschaftlich, ja sogar aufklärerisch, und kulturkritisch, rechts und links einkleiden kann. Wer das verkennt, kann nicht behaupten, den aktuellen Stand der Antisemitismusforschung zu vertreten.
Zweitens: Die Unterzeichnenden der Jerusalemer Erklärung halten die Ablehnung des Zionismus nicht „per se“ für antisemitisch. (…) Unter allen Völkern der Erde wird nur den Juden das Recht auf einen Staat abgesprochen, der Millionen Juden Sicherheit bietet vor existenzieller Bedrohung. Was ist das, wenn nicht antisemitisch?
Drittens: Die Unterzeichnenden finden Bezeichnungen Israels als „Siedlerkolonialismus“ oder „Apartheid“ nicht „per se“ antisemitisch. Dabei dienen solche Bezeichnungen der Delegitimierung und Dämonisierung des jüdischen Staates. (…)
Wo die [International Holocaust Remembrance Alliance] IHRA bescheiden von einer Arbeitsdefinition redet, wird hier der Welt eine „Erklärung“ vorgesetzt, versehen mit Namen und Nimbus der Heiligen Stadt. Schade. So kann sie immerhin als Anschauungsmaterial dafür dienen, wie man am Thema vorbeischreibt.
(Aus dem Kommentar „Was ist das, wenn nicht antisemitisch?“, der auf welt.de erschienen ist.)