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„Jerusalem, Israel“: Das Ende eines langen Streits

Gehört der Streit um den Geburtsort "Jerusalem, Israel" jetzt der Vergangenheit an? (© imago images/Panthermedia)
Gehört der Streit um den Geburtsort "Jerusalem, Israel" jetzt der Vergangenheit an? (© imago images/Panthermedia)

In Jerusalem geborene Amerikaner können künftig „Jerusalem, Israel“ als Geburtsort in ihren Reisepass eintragen lassen – bisher war das unmöglich.

Diese Nachricht, die von der Website Politico am Mittwoch zuerst berichtet worden war, wurde am Donnerstag von US-Außenminister Mike Pompeo auf Twitter bestätigt. Das Weiße Haus und das US-State Department haben bislang (Freitag, 12 Uhr MEZ) noch keine offizielle Mitteilung darüber veröffentlicht. Auf Twitter schrieb Pompeo:

„Ich bin glücklich, ankündigen zu können, dass US-Bürger, die in Jerusalem geboren wurden, in Einklang mit den politischen Richtlinien von Präsident Donald Trump nun entweder ‚Jerusalem’ oder ‚Israel’ als Geburtsort in ihren Reisepass eintragen lassen können. Wir bleiben einem dauerhaften Frieden zwischen Israelis und Palästinensern verpflichtet.“

Damit endet ein fast zwei Jahrzehnte alter Konflikt zwischen Legislative und Exekutive in den USA: Denn das, was Pompeo da verkündet, ist bereits seit 2002 Gesetz – worüber sich das Außenministerium aber seither stets hinweggesetzt hatte, seit 2015 mit Rückendeckung des  Obersten und Verfassungsgerichts, dem Supreme Court.

Die Vorgeschichte: Im Oktober 1995 hatte der amerikanische Kongress mit einer überwältigenden Mehrheit von 93 zu 5 Stimmen im Senat und 374 zu 37 im Repräsentantenhaus den „Jerusalem Embassy Relocation Act“ verabschiedet, der den Umzug der amerikanischen Botschaft in die israelische Hauptstadt Jerusalem „bis zum 31. Mai 1999“ forderte. Selten waren sich Demokraten und Republikaner so einig. Doch die Präsidenten – von Bill Clinton über George W. Bush bis Barack Obama – setzten das Inkrafttreten des Gesetzes mit einem aufschiebenden Veto – einem sogenannten executive waiver– immer wieder für jeweils sechs Monate aus, stets mit der Begründung, es sei gerade nicht der richtige Zeitpunkt für den Umzug der Botschaft.

Am 26. September 2002 verabschiedete der US-Kongress den „Foreign Relations Authorization Act“, der u.a. Gelder für verschiedene außenpolitische Vorhaben bereitstellte und zahlreiche neue Gesetzesbestimmungen zur Außenpolitik – beispielsweise zur Nichtverbreitung von Massenvernichtungswaffen – enthielt. Es ist in den USA nicht ungewöhnlich, dass der Kongress thematisch verschiedene Gesetze in einem einzigen zusammenfasst und nur über das Gesamtpaket abstimmt. In Sektion 214 („United States Policy With Respect to Jerusalem as the Capital of Israel“) bekräftigte der Kongress zum einen den „Jerusalem Embassy Relocation Act“; zudem bestimmte er in Sektion 214 unter Absatz d):

„Geburtsort Israel für Zwecke des Reisepasses: Für den Zweck der Registrierung des Geburtsorts, der Bescheinigung der Nationalität oder des Ausstellens eines Reisepasses eines Bürgers der Vereinigten Staaten, der in der Stadt Jerusalem geboren wurde, soll der [Außen-] Minister auf Ersuchen des Bürgers oder des Sorgeberechtigten des Bürgers Israel als Geburtsort eintragen.“

Doch Präsident George W. Bush richtete sich nicht danach. Als er das Gesetz am 30. September 2002 unterzeichnete, veröffentlichte das Weiße Haus eine Stellungnahme, in der Bush schrieb (bzw. schreiben ließ), dass er das Gesetz wegen der in seinen Augen vielen wichtigen Dinge, die darin enthalten seien, unterzeichne, es aber ablehne, dass sich der Kongress in die Außenpolitik einmische. Würden die Gesetzesbestimmungen als „verpflichtend statt als beratend ausgelegt“, würden sie „auf unerlaubte Weise in die dem Präsidenten durch die Verfassung übertragene Vollmacht eingreifen, die außenpolitischen Angelegenheiten der Nation zu führen, an internationalen Verhandlungen teilzunehmen und einer einheitlichen Exekutive vorzustehen“, hieß es in dem vom Weißen Haus veröffentlichten Dokument.

Der Konflikt zwischen Kongress und dem Präsidenten beschäftigte in den folgenden 13 Jahren die Gerichte bis zum Supreme Court. Denn nachdem das Gesetz verabschiedet war, wollten Ari und Naomi Zivotofsky, die Eltern des am 17. Oktober 2002 in Jerusalem geborenen US-Bürgers Menachem Binyamin Zivotofsky, entweder „Jerusalem, Israel“ oder „Israel“ als den Geburtsort ihres Sohnes in den amerikanischen Reisepass eintragen lassen. Beides lehnte das State Department ab. Das Bundesgericht im Distrikt Columbia und das Berufungsgericht erklärten sich für „nicht qualifiziert“, über den Fall zu entscheiden, weil „er vom Gericht notwendigerweise verlangen würde, den politischen Status von Jerusalem zu klären“. Der Supreme Court nahm den Fall am 2. Mai 2011 in einer 8:1-Entscheidung an. Anders als die beiden anderen Gerichte sah er den Fall nichts als politisch: Die zu entscheidende Frage sei vielmehr, ob die Kläger das Gesetz korrekt ausgelegt hätten und ob das Gesetz verfassungsgemäß sei. Beides falle in die Zuständigkeit eines Gerichts.

Am 8. Juni 2015 entschied der Supreme Court mit einer Mehrheit von 5 zu 4 Stimmen zugunsten des State Departments. Richter Anthony Kennedy schrieb in der Mehrheitsmeinung, dass das Gesetz, auf das sich die Kläger beriefen, verfassungswidrig sei, da der Präsident „die alleinige Befugnis hat, ausländische Nationen anzuerkennen“ und „die Befugnis, festzustellen, was in einem Reisepass steht, zu eben dieser Befugnis gehört“. „Anerkennung ist eine Angelegenheit, bei der die Nation mit einer Stimme sprechen muss. Diese Stimme ist die des Präsidenten.“ Richter Antonin Scalia schrieb in einem Sondervotum, der Kongress habe sehr wohl die Befugnis, Nationen anzuerkennen, etwa durch das Abschließen von Handelsverträgen. Zudem enthalte das Gesetz von 2002 „lediglich eine geografische Bezeichnung“, ähnlich anderen geografischen Bezeichnungen, die in Gesetzen benutzt würden.

George W. Bush und Barack Obama hatten beide in ihrem jeweiligen Wahlkampf versprochen, Jerusalem als Israels Hauptstadt anzuerkennen und die US-Botschaft nach Jerusalem zu verlagern. Obama sagte 2008:

„Ich sage es weiterhin, dass Jerusalem die Hauptstadt Israels sein wird, ich habe es schon früher gesagt und werde es weiterhin sagen.“

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Ebenfalls 2008 sagte Obama:

„Und Jerusalem wird die Hauptstadt Israels bleiben und es muss ungeteilt bleiben.“

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Davon wollte er nach seinem Amtsantritt nichts mehr wissen. Das führte zu einer Kuriosität bzw. einem diplomatischen Affront. Als Obama am 30. September 2016 auf dem Friedhof auf dem Jerusalemer Herzl-Berg eine Trauerrede für den verstorbenen israelischen Präsidenten Shimon Peres hielt, veröffentlichte das Weiße Haus eine Pressemitteilung, die Obamas Rede enthielt. Darauf stand „Herzl-Berg, Jerusalem, Israel“. Kurz darauf verschickte das Weiße Haus eine „Korrigierte Fassung“: Auf ihr war das Wort Israel durchgestrichen.

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