Jamal Khashoggi: Das letzte Opfer des Arabischen Frühlings?

Jamal Khashoggi: Das letzte Opfer des Arabischen Frühlings?
Quelle: Alfagih, ar.wikipedia, GFDL

„Prosaudische Stimmen wehren sich gegen die Anschuldigung, der bekannte Journalist und ehemalige Insider Jamal Khashoggi sei im saudischen Konsulat in Istanbul ermordet worden. Die von den Mainstreammedien aufgegriffenen Informationen seien manipuliert worden oder beruhten auf unzuverlässigen Quellen. Westliche Journalisten, die zum Teil über Einfluss über die Medien hinaus verfügen, haben Washington unterdessen gedrängt, mehr zu unternehmen, um den vermissten Journalisten ausfindig zu machen. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hat erklärt, er folge den Ermittlungen aufmerksam und werde die Welt benachrichtigen, sobald es Neuigkeiten gebe. Bei der Affäre geht es um weit mehr als das tragische Schicksal eines vermissten Journalisten, der einst ein Berater der saudischen Führung und bahnbrechender Kommentator im Nahen Osten war. Zwei der wichtigsten Staaten und Wirtschaftsmächte in der Region, Saudi-Arabien und die Türkei, sind sich seit einigen Jahren über ihr politisches Vorgehen in der Region uneins und diese Affäre könnte die Meinungsverschiedenheiten zwischen ihnen weiter vertiefen. (…)

Das Königreich befindet sich im Erklärungszwang, seit der Verdacht, es sei etwas Unlauteres vorgefallen, am 3. Oktober laut wurde. Am Wochenende tauchten Meldungen auf, denen zufolge die Polizei annehme, der Journalist sei getötet worden. Dagegen behauptete der saudische Fernsehsender Al-Arabiya, diese Anschuldigungen seien von Katar und der Muslimbruderschaft in die Welt gesetzt worden. In einem am Montag veröffentlichten Bericht hieß es, dass ‚eine in London ansässige, mit der Muslimbruderschaft affiliierte  Nachrichtenwebseite behauptet, Khashoggi sei im saudischen Konsulat gefoltert worden’. Es wurden Screenshots präsentiert, die anzeigten, dass der katarische Sender Al-Jazeera einen Tweet mit dieser reißerischen Behauptung gelöscht hatte. Der englischsprachige Dienst von Al-Jazeera habe zudem seine Überschrift verändert. Aus: ‚Die Türkei behandelt Khashoggis Verschwinden als Mordfall‘ sei : ‚Türkischer Präsident äußert sich zu Khashoggis Verschwinden: Bestürzend, dass dies in der Türkei geschieht‘ geworden. Im Zwischentitel habe es geheißen, man sei ‚hoffnungsvoll‘, dass der Journalist noch lebe. Wenn man noch hoffe, dass er am Leben sei, wie könne es sich dann um einen Mordfall handeln? (…) Der Widerspruch, dass man zugleich hoffe, dass Khashoggi noch lebe, und dennoch behaupte, er sei getötet worden, finde sich auch in westlichen Berichten über den Vorgang. Westliche Medien hätten zunächst berichtet, die türkische Polizei gehe davon aus, der Journalist sei getötet worden, doch dann schienen Bemerkungen aus Ankara darauf hinzudeuten, dass man sich dessen nicht so sicher sei. Bis Montag hätten die angeblich vorhandenen Videos und anderen Belege keine weiteren Beweise erbracht. (…)

Demnach soll es sich bei der Sache um einen Schattenkrieg zwischen Saudi-Arabien und Katar im Besonderen und dem Königreich und seinen Gegner im Allgemeinen handeln. (…) Nun, da einflussreiche Medien wie Al-Jazeera mit den Regierungen, denen sie unterstehen, direkt verbunden sind, finden derlei Schattenkonflikte nicht mehr wie einst im Kalten Krieg bei Nacht und Nebel statt. Journalisten, die einst die Mächtigen berieten, werden zu Schachfiguren oder Akteuren in den Konflikten in der Region. Es handelt sich um einen umfassenden Krieg, nicht in dem Sinne, dass die gesamte Wirtschaft und sämtliche Streitkräfte im Gleichschritt marschieren, wie es im 20. Jahrhundert der Fall war. Vielmehr wird er von den Medien und Regierungen ausgefochten, die um die Definitionsmacht ringen.

Khashoggi unterstützte den Arabischen Frühling und sprach sich nachdrücklich gegen das Erstarken des Totalitarismus aus. Er hat erklärt, dass die Muslimbruderschaft in Ägypten fehlgegangen sei, als sie sich mit radikaleren Salafisten verbündete, doch sei sie in anderen Formen – so, wie sie etwa in der gegenwärtigen türkischen Politik ihren Niederschlag gefunden oder sich in Tunesien entwickelt habe – ein Vorbild. Der Arabische Frühling ist vorbei und Khashoggi scheint zu einem Zeitpunkt verschwunden zu sein, da die verbleibenden Errungenschaften des Arabischen Frühlings in den letzten Zügen liegen. Vielleicht ist er sein letztes Opfer geworden.“ (Seth J. Frantzman: „The shadow war behind Khashoggi’s disappearance“)

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