„2015, das wird später klar, ist eine Zäsur. Seit dieser Pride haben es LGBTIQ* schwer – in Erdoğans Türkei ist für sie kein Platz. Am Beispiel der Pride zeigt sich: Wenn eine Demokratie kippt, trifft das immer zuerst und vor allem Frauen, Minderheiten, Oppositionelle. Es ist kein Zufall, dass sich der Hass so sehr gegen die Lesben, Schwule, Bisexuelle und Trans* richtet. Sie stehen mit ihrem Einsatz für alles, was der religiös-fundamentalistischen Weltsicht Erdoğans und seiner Gefolgsleute zuwider ist: Pluralität, Freiheit, Menschenrechte. Durch Unterdrückung und Entrechtung schweißt Erdoğan seine Anhänger zusammen, vor genau dieser Folie baut er die Türkei zu einem immer autoritäreren System um. (…) Auch in diesem Jahr findet die Pride kurz nach einer Wahl statt. Wie viele Oppositionelle hoffte auch die türkische LGBTIQ*-Szene in den vergangenen Wochen auf einen Machtwechsel. Jetzt drohen weitere Jahre der Repression. Nachdem letzten November ein LGBTIQ*-Filmfestival in Ankara von den Behörden kassiert wurde, herrscht dort bis heute ein allgemeines Verbot öffentlicher LGBTIQ*-Veranstaltungen.“ (Felix Banaszak / Terry Reintke: „Erdoğans Jagd auf Homo- und Transsexuelle“)
„Die Polizei der türkischen Metropole Istanbul hat am Sonntagnachmittag den 16. ‚Marsch des Stolzes‘ teilweise mit Gewalt und einigen Festnahmen unterdrückt. Die Lage ist noch unübersichtlich, verdüstert sich aber. Mit der Demonstration wollten Schwule, Lesben, Bisexuelle, Transsexuelle, Transgender und Freunde den Abschluss der CSD-Woche begehen, die zum 26. Mal abgehalten wurde. Auf der Unabhängigkeitsstraße in der Innenstadt konnten sich ab kurz vor 18 Uhr Ortszeit (17 Uhr deutscher Zeit) zunächst hunderte Menschen friedlich versammeln und mit Gesängen den CSD feiern. ‚Schulter an Schulter gegen den Faschismus!‘, skandierten einige Teilnehmer, ‚Wir gehorchen nicht, wir schweigen nicht, wir fürchten uns nicht!‘
Eigentlich war eine Versammlung am Taksim-Platz in der Nähe geplant gewesen, der aber von Beamten abgesperrt wurde. Später räumten in Westen gekleidete Polizisten zunächst friedlich die Straße, während sich die CSD-Demonstration von dort auch durch die Innenstadt bewegte und dabei an manchen Stellen von der Polizei zurückgedrängt wurde. Einige Beamte in Kampfmontur setzten dabei auch vereinzelt Reizgas und Schlagstöcke ein. (…) Wie in den drei Jahren zuvor war die Demonstration am Freitag durch den von der Erdogan-Regierung bestimmten Gouverneur verboten worden (queer.de berichtete). Das Verbot zeuge von Hass und richte sich nicht einfach gegen Aktionen, sondern gegen die Existenz von Menschen, betonten die Pride-Veranstalter in einer Erklärung, die im Rahmen des CSD vor Medien verlesen wurde. Angebliche Sicherheitsgründe seien vorgeschoben; für Unfrieden und Gewalt sorge allein das Verbot.“ (Norbert Blech: „CSD in Istanbul: Polizei treibt hunderte Aktivisten durch die Straßen“)