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Ist der Koran eine „radikalislamische“ Schrift?

Von Florian Markl

koranverteilungAußen- und Integrationsminister Kurz will ein Integrationsgesetz verabschieden, das „ein Verbot für Burkas und Niqabs, also die Vollverschleierung, ebenso wie für Koranverteilungen von Salafisten“ vorsieht. Die Vollverschleierung, so Kurz im Interview mit den Salzburger Nachrichten, sei „Ausdruck einer Gegengesellschaft, eines gesellschaftlich kulturellen Gegenentwurfs“, der im „absoluten Widerspruch“ zu den Werten unserer Gesellschaft stehe. „Dasselbe gilt für die Verteilung von radikalislamischen Schriften durch islamistische Gruppen im öffentlichen Raum.“

Kurz mag sich dabei durch die gestrigen Polizeiaktionen gegen den deutschen Verein „Die wahre Religion“, der durch Koranverteilungen Schlagzeilen gemacht hat, bestätigt gesehen haben. Die deutschen Behörden wurden freilich nicht wegen der Koranverteilungen aktiv, sondern weil dem Verein die Rekrutierung von bis zu 140 jungen Menschen für den Dschihad in Syrien vorgeworfen wird. Der deutsche Innenminister de Maizière betonte denn auch ausdrücklich, dass sich die Repressionsmaßnahmen nicht gegen die Verbreitung des islamischen Glaubens oder die Koranverteilungen an sich gerichtet hätten, als vielmehr gegen den Missbrauch der Religion für extremistische und terroristische Zwecke.

Die von Außenminister Kurz angekündigten Verbotsvorhaben reihen sich in den Ankündigungswettbewerb ein, den er und Innenminister Sobotka seit Monaten führen: Alle paar Tage tritt einer der beiden auf, um mit markigen Worten Maßnahmen kundzugeben, von denen bislang kaum eine umgesetzt wurde – nicht zuletzt, weil der Umsetzung immer wieder Kleinigkeiten namens Grundrechte und Verfassung im Wege stehen.

Den aktuell von Kurz ventilierten Vorschlägen dürfte es nicht anders ergehen. Ob ein Verbot der Vollverschleierung sinnvoll und rechtlich praktikabel ist, sollte ausführlicher diskutiert werden. Nach einer langen Zeit, in der Fragen wie diese ignoriert wurden, ist mit juristischen Schnellschüssen niemandem geholfen.

Anders sieht es mit der zweiten von Kurz angekündigten Maßnahme aus. Wenn der Inhalt von Schriften, die durch islamistische Gruppierungen verteilt werden, nicht den Tatbestand der Verhetzung erfüllt oder anderweitig juristisch verfolgbar ist, gibt es gegen deren Verbreitung keine rechtliche Handhabe. Einen Tatbestand „Radikalislamismus“ gibt es nicht. Öffentlich verteilt wurden in Österreich darüber hinaus keine „radikalislamischen“ Schriften, sondern der Koran. Wenn Kurz dazu aufrufen will, diesen zu verbieten, sollte er offen dafür eintreten und erklären, wie das mit der österreichischen Rechtsordnung vereinbar sein soll. Von österreichischen Medien wäre zu erhoffen, sich nicht nur als Plattform für die Ankündigungen von Kurz, Sobotka & Co. zur Verfügung zu stellen, sondern konkret nachzuhaken und Erklärungen zur Umsetzbarkeit von proklamierten Vorhaben einzufordern.

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