Trotz mehrfacher Urteile des Obersten Gerichtshof, die Wehrdienstbefreiung von Israels Ultraorthodoxen sei rechtwidrig, ist keine Lösung des Problems in Sicht.
David Ben-Gurion (1886–1973) verfügte nach der Staatsgründung Israels im Jahr 1948 die Befreiung vom Militärdienst für ultraorthodoxe Studenten der Talmud-Hochschulen (Jeshivot). Dies entspricht ähnlichen Regelungen, wie sie in anderen Staaten für Studenten der Theologie üblich sind. Es handelte sich dabei um eine vernachlässigbare Anzahl von wenigen hundert Betroffenen.
Dadurch sollte insbesondere den Kindern von osteuropäischen, ultraorthodoxen Shoah-Überlebenden geholfen werden. Die oft chassidischen Gruppierungen wie Satmar, Wischnitz, Ger etc. und ihre Institutionen waren nach dem geleisteten Blutzoll existenziell bedroht. Nicht bedacht wurde damals der sich in den Folgejahren niederschlagende Bevölkerungsanstieg durch die hohe Kinderzahl in den streng religiösen Familien; und die gelebte Tatsache, dass praktisch jeder Mann ein derartiges Studium absolvierte, auch wenn er später keine religiöse Funktion wie Rabbiner oder Religionslehrer ausüben sollte.
Sowohl Orthodoxie als auch Militär waren lange mit diesem Status quo zufrieden. Die Orthodoxie musste nicht fürchten, dass ihre Mitglieder durch den Wehrdienst ihrem Lebensstil entfremdet und religiöse Vorschriften verletzt würden; das Militär musste nur eingeschränkt auf religiöse Vorschriften wie strenge Geschlechtertrennung und Speisevorschriften Rücksicht nehmen und keine Rekruten ohne vorausgehende körperliche Ertüchtigung aufnehmen.
Gerade in Kriegszeiten wie seit dem 7. Oktober 2023 steigt einerseits in Bevölkerungskreisen, deren Kinder Wehrdienst leisten müssen, die Ärger über die Befreiung für die Strengorthodoxen; andererseits aber auch der Bedarf an Rekruten. Ein Urteil des Obersten Gerichtshofs im Jahr 2012 bezeichnete die Befreiung Ultraorthodoxer als ungesetzlich.
Wenig erfolgreich
Während sich in den ersten Jahrzehnten des Staates das Offizierskorps großteils aus Mitgliedern der linken Kollektivsiedlungen (Kibbuzim) zusammensetzte, stieg der Anteil von nationalreligiös-orthodoxen Offizieren im Lauf der Zeit zusehends. Für sie wurde das System der Hesder Jeshivot geschaffen, die religiösen Studien und Wehrdienst verbinden.
Auch für strengorthodoxe Wehrpflichtige gab es mit Nahal Haredi bzw. dem Netzah Yehuda Bataillon einen ähnlichen Versuch, der allerdings nicht wirklich erfolgreich war: Ultraorthodoxe Rabbiner blieben bei ihrer ablehnenden Haltung des Wehrdiensts und die Mehrheit der strengorthodoxen Rekruten bestand weiterhin aus nationalreligiösen Rekruten, die einen ultraorthodoxen Lebensstil praktizierten – die sogenannten Haredal, eine Wortkombination aus Haredim (strengorthodox) und Datileumi (nationalreligiös).
Etwa 60.000 Haredim haben nach wie vor keinen Wehrdienst geleistet. Im Jahr 2024 verfügte der Oberste Gerichtshof neuerlich die Wehrdienstpflicht auch für Ultraorthodoxe. Mit der Hasmonean Brigade wurde ein erneuter Versuch gestartet. Sie ist benannt nach einem jüdischen Herrschergeschlecht, das aus dem Aufstand der Makkabäer hervorging. Vollständig ausgerüstet, soll sie 4.000 Mann umfassen. Die ausschließlich männlichen Soldaten tragen Bart und Schläfenlocken.
Doch auch dieser Versuch bleib wenig erfolgreich: Den 10.000 versandten Einberufungsbefehlen folgten nur 177 Haredim, worauf 1.066 Haftbefehle und 2.231 Verwarnungen wegen Verweigerung verfügt wurden. Das Problem allerdings, was mit jenen Wehrpflichtigen, die Einberufungsbefehle ignorierten, nun zu geschehen hätte, wurde damit noch lange nicht gelöst.