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Hotel Stalingrad – Israels Rettung 1948. Teil 11: Die Geschichte von Hank Greenspun, zweiter Teil

Auf der Idalia wurden MGs für Israels Unabhängigkeitskrieg geschmuggelt aus den USA geschmuggelt
Auf der Idalia wurden MGs für Israels Unabhängigkeitskrieg geschmuggelt aus den USA geschmuggelt (Quelle: Palyam.org)

Nachdem Hank Greenspun auf Hawaii Maschinengewehre aus einem Lager der US Navy gestohlen hat, bereitet der Weitertransport in Los Angeles Schwierigkeiten. Das FBI hat Wind bekommen. Hilfe kommt von einem Hollywoodproduzenten.

Am 11. März 1948 fuhr ein Frachter mit 58 Kisten, adressiert an Schwimmer Aviation Services in Burbank, Kalifornien, von Hawaii zum Hafen Wilmington, Los Angeles. Er würde eine Woche unterwegs sein. Hank Greenspun flog zurück nach Las Vegas. 

»Wo warst du und was hast du gemacht?«, fragte ihn seine Frau Barbara bei seiner Ankunft. – »Ich steige mit Reynold und einigen Kumpels ins Fluggeschäft ein. Das weißt du doch.« – »Und das Desert Inn? Und die Radiostation, Hank? Solltest du damit nicht genug zu tun haben?«  Hank Greenspun merkte, dass das nicht einfach werden würde. »Du bist nicht mehr in Irland, Barbara. Hier in Amerika machen wir das anders. Wenn du im Geschäft bist, musst du schnelle Entscheidungen treffen, unter Druck handeln, Chancen ergreifen.«

Er wollte nicht die Wahrheit sagen. »Ich konnte die Untergrundaktivitäten der Haganah nicht offenlegen. Wenn ich Barbara all die Dinge erzählte, die ich während meiner Reise nach Hawaii getan hatte, könnte sie nun als Mittäterin angeklagt werden. Ich konnte nicht riskieren, sie mit hineinzuziehen. Doch ging ich damit nicht ein noch größeres Risiko ein? Wir waren erst seit knapp drei Jahren verheiratet und die meiste Zeit voneinander getrennt gewesen. Ich könnte sie und die Kinder verlieren …«

Eine Woche lang vermied er die Wahrheit. Dann telefonierte er mit seinem Cousin Rey Selk. Der hatte Neuigkeiten: »Die Kisten sind gerade in Wilmington angekommen, aber ich mache mir Sorgen wegen deiner Maschinengewehre. Dies sollte ein Flugzeuggeschäft sein. Und ich habe einen Hinweis bekommen, dass die Feds [das FBI; Anm. Mena-Watch] auf Oahu herumschnüffeln.« – »Okay, ich fahre sofort nach Wilmington«, sagte Greenspun. 

Seiner Frau teilte er mit: »Sieht so aus, als müsste ich wieder an die Küste. Aber das wird nicht länger als ein paar Tage dauern. Und ich würde nicht reisen, wäre es nicht sehr wichtig.« – »Die neue Airline«, sagte sie ruhig. »Sie bereitet dir Kummer.« Hank nickte, froh, nicht noch einmal lügen zu müssen. – »Nun, worauf wartest du dann noch?«, sagte sie mit einem gekünstelten Lächeln.

Im Lagerhaus am Hafen von Wilmington standen die Kisten. »Sie sahen aus wie Grabsteine auf einem ruhigen Friedhof«, schreibt Greenspun. Er suchte nach den Markierungen, die er auf Hawaii gemacht hatte, dann sortierte er die Kisten mit den Maschinengewehren aus und brachte sie mit einer Crew aus Freiwilligen in das Lagerhaus von Abe Levin, einem Flugzeugteilehändler in Nordhollywood. 

Bernie Fineman

Die Freiwilligen organisierte der Hollywoodproduzent Bernie Fineman. Über Fineman ist im Internet so gut wie nichts zu finden, er hat nicht einmal einen Wikipedia-Eintrag. Dabei war er Co-Produzent des Stummfilms Wolf Song (1929) mit Gary Cooper gewesen und alleiniger Produzent von Tarzans geheimer Schatz (1941), einem echten Kassenschlager, mit Johnny Weissmüller in der Hauptrolle. In einem Aufsatz mit dem Titel When Tarzan was a Zionist (»Als Tarzan Zionist war«) schreibt der Holocaustforscher Rafael Medoff:

»Zur gleichen Zeit, als Fineman an Tarzans geheimer Schatz arbeitete, unterstützte er aktiv die Abenteuer von Aliyah Bet [die illegale Auswanderung von europäischen Juden nach Palästina; Anm. Mena-Watch] im wirklichen Leben. Der Tarzan-Produzent förderte die American Friends of a Jewish Palestine nicht nur finanziell, sondern tat für sie auch das, was Hollywood-Leute am besten können: Networking. Er machte sie mit wichtigen potenziellen Unterstützern bekannt.«

Darunter Schauspieler und Journalisten. Wie Leonard Slater in seinem Buch The Pledge schreibt, arrangierte Fineman sogar den Kauf von fünfzehn M-4-Sherman-Panzern; Freunde von ihm organisierten den Transport mit der Eisenbahn nach Houston. Von dort aus sollten sie eigentlich nach Mexiko und mit dem Schiff nach Israel gebracht werden. Elie Schalit, der Waffenschmuggler der Haganah, habe aber entschieden, dass diese Nummer »zu heiß« sei – die Panzer blieben für immer in Texas. 

Wie Greenspun schreibt, koordinierte Fineman die Arbeitskräfte unter Israels Sympathisanten an der Westküste. Slater nennt Finemans Penthouse in Beverly Hills das Äquivalent zum Hotel 14 – der von Teddy Kollek geleiteten Haganah-Zentrale in New York. Die Freiwilligen beschreibt Greenspun als »eine wechselnde Gruppe von Geschäftsleuten, Juristen, Zahnärzten und Arbeitern der Filmstudios«.

Das Rätsel der fehlenden Kisten

Die Kisten mit den Maschinengewehren konnten nicht bei dem Händler stehenbleiben, denn der hatte kalte Füße bekommen, als er von den Ermittlungen des FBI hörte. Die Maschinengewehre, die auf Hawaii nicht gepflegt worden waren und anfingen zu rosten, wurden ausgepackt, von Bernie Finemans Freiwilligen gesäubert, eingeölt und umgepackt. Die Holzkisten wurden verbrannt. Wie es dann weiterging, beschreibt Slater so: »Die demontierten Teile wurden in Jutesäcke verpackt und an jeden verteilt, der bereit war, sie zu lagern. Selk und Fineman überredeten Freunde, Verwandte und wohlwollende Geschäftsleute, die geheimnisvollen Pakete in Lagerhäusern, Fabriken und sogar in privaten Garagen in einigen der besten Vororte der Stadt unterzubringen.«

Am nächsten Tag beschlagnahmte der Zoll im Hafen die gesamte Lieferung aus Hawaii. Die Beamten erkundigten sich nach den fehlenden Kisten, die auf den Güterpapieren als »Flugzeugtriebwerke« deklariert waren, und waren verärgert, dass diese nirgends zu finden waren. Hank Greenspun und seine Freiwilligen standen unterdessen auf einem Aussichtspunkt in der Nähe und sahen zu, wie die Staatsbediensteten wegfuhren. »Niemand lächelte oder triumphierte. Die meisten von uns waren Veteranen. Es ging uns gegen den Strich, sich gegen die Regierung aufzulehnen, für deren Erhalt wir noch vor wenigen Jahren gekämpft hatten«, schreibt Greenspun.

»Aber was sollten wir anderes tun? … Die belagerten Juden Palästinas mochten in der Lage sein, die derzeitigen Guerilla-Angriffe und Hinterhalte abzuwehren. Aber am 15. Mai, der nur noch wenige Monate entfernt war, wären sie der geplanten Übernahme durch die Araber und den massiven Panzerangriffen praktisch hilflos ausgeliefert. Es war unbedingt erforderlich, die Waffen so schnell wie möglich auf den Seeweg nach Mexiko zu bringen.«

Die Yacht Idalia

Ein anderer Hollywood-Produzent, Hank Bellows, wollte für den Transport der Kisten seine Yacht zur Verfügung stellen, doch diese war zu klein. Bellows machte Greenspun mit weiteren jüdischen Yachtbesitzern bekannt. Greenspun entschied sich für ein Schiff namens Idalia. Es gehörte einem gewissen Lee Lewis. Greenspun, Willie Sosnow und ein von Al Schwimmer angeworbener Pilot und Fluglehrer namens Leo Gardner sammelten in aller Eile die Säcke mit den Maschinengewehrteilen ein, luden sie auf einen Lastwagen und fuhren zu einem Treffen mit der Idalia in San Pedro, dem Hafen von Los Angeles. 

Das Verladen mithilfe der Freiwilligen begann kurz vor Mitternacht auf dem Dock eines ehemaligen Holzlagers. Die Geschütze mussten vom Laster auf ein Higgins-Landungsboot umgeladen und zum Warren Newmark’s Yacht Center am Ende des Kais gebracht werden, wo die Idalia festgemacht hatte. »Es muss Niedrigwasser gewesen sein«, erinnerte sich Leo Gardner später gegenüber Leonard Slater, »denn das Higgins lag weit unten am Kai, und jeder Sack mit Waffen musste hinuntergereicht und hinuntergereicht und hinuntergereicht werden. Die Waffen waren zu jeweils fünft oder sechst in einen Sack gepackt worden. Nun, man kann nicht ein halbes Dutzend 50-Kaliber-Maschinengewehre in einen Sack stecken und ihn dann noch hochheben.« Die Amateur-Stauer waren bald »müde, durchgeschüttelt und erschöpft«.

Lewis brachte das Higgins-Landungsboot zu seinem Besitzer zurück und war dazu mehrere Stunden weg. Bei seiner Rückkehr kam es zum Konflikt. Beim Verladen der Maschinengewehre waren die hölzerne Reling und der Kompass beschädigt worden. Lewis war stinksauer. Als er dann auch noch sah, dass seine Yacht tief im Wasser lag und zu sinken drohte – mit einer so schweren Ladung hatte er nicht gerechnet –, forderte er Greenspun auf, die Ladung wieder von Bord zu holen. Er würde nicht fahren. 

Greenspun weigerte sich, Lewis bestand darauf, und sie stritten erbittert. Die Morgendämmerung setzte ein. Beide blieben stur, bis Lewis vorschlug: »Warum kaufst du nicht das verdammte Boot und machst die Fahrt selbst?« Die Zeit wurde knapp, und Greenspun fühlte sich »in der Falle«, wie er schreibt: »Wie viel?« – »17.000 Dollar.« – »Woher soll ich denn so viel Geld nehmen? Und das auf die Schnelle? Außerdem ist die Idalia das nicht wert. Dieses Boot hat seine besten Tage hinter sich und das weißt du. Ich gebe dir viertausend.«

Lewis lehnte ab. Greenspun ging um einige Tausend hoch, vorausgesetzt, dass Lewis das Schiff nach Acapulco steuern würde. »Das würde ich nicht für hunderttausend machen«, erwiderte Lewis. »Die überladene Idalia kann und wird das nicht schaffen. Mein Preis ist 17.000. Nimm es oder lass es.« Greenspun ging zu einer Telefonzelle und rief Bernie Fineman an: »Schick mir einige von deinen Jungs, Bernie. Einen Koch, einen Navigator und einen Mechaniker. Sag ihnen, dass sie heute Abend an Bord der Idalia am Pier des Wilmington Yacht Club sein sollen.« Fineman sagte zu.

Auf dem Weg zurück zur Idalia wurde Greenspun von einem Yachtbesitzer angesprochen, den er vorher schon einmal in der Gesellschaft von Lewis gesehen hatte. »Was ist mit der Idalia los?«, fragte er. »Sie liegt verdammt tief im Wasser.« Greenspuns Kiefermuskulatur verspannte sich. »Wir haben viel Ausrüstung für die Schatzsuche an Bord«, antwortete er. »Sauerstoffflaschen und so was. Für eine Fahrt zur Kokos-Insel. Wir werden das Boot leichter machen, bevor wir ablegen.« Der Mann warf noch einen Blick auf das Schiff und ging kopfschüttelnd davon.

Greenspun sagte Lewis, dass er die 17.000 Dollar nicht habe beschaffen können. Er schlug vor, bis Catalina Island zu fahren, 35 Kilometer südwestlich von San Pedro. Dort würde die Ladung auf ein anderes Schiff kommen, das dort warten würde. Lewis war misstrauisch, wollte den Namen des Schiffs wissen. Greenspun antwortete, dass er »kein Yachtmensch« sei und die Namen von Schiffen ihn nicht interessierten. Es war einfach ein Boot und er hatte einen Deal gemacht. Das sei alles, was es zu sagen gebe. 

Lewis war immer noch misstrauisch – aus gutem Grund – und bestand darauf, dass die Idalia ihren Liegeplatz nicht verlassen würde, solange sie ihm noch gehörte. »In meiner Verzweiflung bot ich ihm auf die Schnelle tausend Dollar für die kurze Strecke nach Catalina an«, schreibt Greenspun. »Er lehnte ab. Ich erhöhte auf zwei-, drei-, viertausend. Da er vielleicht ahnte, dass ich nicht höher gehen würde, stimmte er zu.« – »Aber nur bis Catalina«, warnte er. »Und wir fahren zu meinen Bedingungen. Ich will die viertausend jetzt sofort, bar auf die Kralle.«

Sie einigten sich darauf, dass er zweitausend sofort bekäme, den Rest auf Catalina. Greenspun ging zurück zur Telefonzelle und rief Rey Selk an. Er teilte ihm mit, die Chancen stünden gut, in der folgenden Nacht wegzukommen, und bat ihn, einen Kompass und etwas Schiffsvorrat zu bringen. »Du wirst beides bekommen«, versprach Selk. »Bon voyage!«

In der Serie »Hotel Stalingrad – Israels Rettung 1948« erschienen:

Teil 1: Exodus
Teil 2: Bab el-Wad
Teil 3: Kyrus
Teil 4: Ad Halom
Teil 5: Liebesgrüße aus Moskau
Teil 6: Jan Masaryk
Teil 7: Operation Balak
Teil 8: Golda Meyerson in Amerika
Teil 9: Jaffa Oranges
Teil 10: Die Geschichte von Hank Greenspun, erster Teil
Teil 11: Die Geschichte von Hank Greenspun, zweiter Teil

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