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Um die notwendigen Entscheidungen ist Israels Regierung nicht zu beneiden

Mitglieder israelischen Regierung in der Knesset
Mitglieder israelischen Regierung in der Knesset (© Imago Images / UPI Photo)

Wie aus dem militärischen auch ein politischer Sieg gemacht werden kann, diese Antwort ist die israelische Regierung bislang schuldig geblieben.

Dem jüdischen Selbstverständnis nach war die Gründung des Staates Israel drei Jahre nach Ende der Shoah ein Garant für das jüdische Weiterleben, sei es in Israel selbst oder außerhalb des Landes. Der pogromartige Überfall am 7. Oktober vergangenen Jahres führte zu einer teilweisen Erschütterung dieser Überzeugung.

Über die politische Verantwortung dafür, die Bereitschaft und Fähigkeit der Hamas zu diesem genozidalen Angriff auf den jüdischen Staat so offenkundig unterschätzt zu haben, wird in Israel in Zukunft noch zu sprechen sein. Zu sehr hat man sich auf eine »conseptia« verlassen, die sich als katastrophal falsch erwies und dazu geführt hat, dass die Verantwortlichen in der Armee und den Geheimdiensten durchaus vorhandene Hinweise und Warnungen ignoriert haben. 

Ähnlich wie beim Jom-Kippur-Krieg hat sich Israel auf beeindruckende Art und Weise erholt und praktisch fast die gesamte Führung der Hamas und der in den Krieg eingetretenen Hisbollah im Libanon ausgeschaltet. Der Raketenbeschuss Israels aus dem Gazastreifen ist nahezu zum Erliegen gebracht worden, die iranische Achse in der Region wurde massiv geschwächt und dem iranischen Regime selbst wurden zwei Mal, zuletzt in der Nacht vom 25. auf den 26. Oktober, empfindliche Schläge versetzt, die vor Augen geführt haben, wie haushoch überlegen Israels militärische Kapazitäten sind.

Eine besondere Mitzwa

Wäre jetzt also die Zeit gekommen, dem Drängen insbesondere der USA – möglichst noch vor den Präsidentschaftswahlen in knapp einer Woche – nachzugeben und siegreich einen Waffenstillstand zu verkünden? – Nicht so schnell. 

In den Händen der Hamas und anderer Terrorgruppen im Gazastreifen befinden sich noch immer rund hundert Geiseln, wie viele von ihnen noch am Leben sind, ist unklar. Religiöse Juden beten jeden Tag am Morgen: »Baruch ata Elohenu Melech Haolam, matir asurim« (»Gepriesen seist Du, Ewiger unser G´tt, König der Welt, der Gefesselte befreit.«).

Das Auslösen von Gefangenen, also die Befreiung der Geiseln, ist eine besondere Mitzwa, ein Gebot, angesichts dessen andere Überlegungen, seien sie finanzieller oder anderer Natur, in den Hintergrund treten. In der Literatur finden sich auch besondere Hinweise auf die Verpflichtung jüdischer Gemeinden, sich in Verhandlungen um eine Freilassung einzubringen. Ohne die Befreiung der Geiseln mag Israel zwar militärischer Sieger sein, hätte aber den eigenen Grundsätzen nach trotzdem verloren.

Ob eine Vereinbarung überhaupt möglich ist, bei der wirklich alle Geiseln freikommen, ist mehr als fraglich. Klar ist aber, dass ein Deal über ihren Austausch nicht nur die Freilassung weiterer palästinensischer Terroristen aus israelischen Gefängnissen bedeuten, sondern wahrscheinlich auch politische Konzessionen Israels beinhalten würde, die der Hamas zumindest kurzfristig eine Weiterexistenz im Gazastreifen ermöglichen würden. 

Wie aus dem militärischen auch ein politischer Sieg gemacht werden kann, der die militärischen Errungenschaften auch langfristig absichert und nicht gleich wieder zunichtemacht, diese Antwort ist die israelische Regierung bislang schuldig geblieben.

Um die notwendigen Entscheidungen, die sie treffen muss, ist sie nicht zu beneiden.

Dies ist ein Auszug aus unserem Newsletter vom 30. Oktober. Wenn Sie den nächsten Newsletter erhalten möchten, melden Sie sich an!

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