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Israels langfristig ausgelegte Strategie gegen den Iran

Antiisraelische Demonstration im Iran
Antiisraelische Demonstration im Iran (© Imago Images / ZUMA Wire)

Israels Schattenkampagne gegen den Iran und seine regionale Achse wird wahrscheinlich langwierig und im Einklang mit der Doktrin »Langfristiger Wettbewerb« sein.

Yaakov Lappin

In den letzten Tagen häufen sich die Berichte über dramatische Militäroperationen im gesamten Nahen Osten. Alle Berichte haben zwei Dinge gemeinsam: Die Ziele sind iranisch, und sie werden Israel zugeschrieben.

Nach Angaben von US-Beamten, die im Wall Street Journal und in der New York Times zitiert wurden, steckte Israel hinter dem Drohnenangriff vom Samstag auf eine Militäreinrichtung in der iranischen Stadt Isfahan. In verschiedenen Berichten hieß es, dass eine Anlage zur Herstellung von ballistischen Raketen und Drohnen das Ziel war.

Einen Tag später wurde berichtet, dass bei einem israelischen Luftangriff auf einen Lastwagenkonvoi, der vom Irak nach Syrien unterwegs war, sieben Menschen getötet und sechs Lastwagen zerstört wurden. Al Arabiya zufolge ereignete sich der Angriff in der Nähe der Stadt Al-Bukamal. Die saudische Nachrichtenagentur zitierte die in London ansässige Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte (SOHR) mit der Aussage, der Konvoi habe iranische Waffen transportiert. Nach Angaben der SOHR waren unter den Opfern keine syrischen Staatsangehörigen.

All dies geschah kurz vor der Landung des US-Außenministers Antony Blinken in Israel am Montag zu Gesprächen mit dem israelischen Premierminister Benjamin Netanjahu über den Iran und den israelisch-palästinensischen Konflikt.

Der Iran versucht seit Jahren, Waffen und das für deren Bau erforderliche Material in den Irak, nach Syrien und in den Libanon zu schmuggeln. Ziel dieser Bemühungen ist die Bewaffnung seiner libanesischen Vertretung, der Hisbollah, sowie die Schaffung einer syrischen Hisbollah.

Vor einiger Zeit hat Israel einen Schattenkrieg gegen die iranischen Verankerungsbemühungen in Syrien begonnen und Luftangriffe geflogen, wenn iranische Schmuggelversuche entdeckt wurden. Die Kampagne, die von israelischen Verteidigungsbeamten als »Kampagne zwischen den Kriegen« bezeichnet wird, hat sich seither zu einer der Säulen der Sicherheitsdoktrin des Landes entwickelt und wurde im Laufe der Zeit erheblich ausgeweitet.

Als die Kampagne im Jahr 2013 begonnen hat, umfasste sie Berichten zufolge etwa drei Operationen pro Jahr. Heute, so der ehemalige Stabschef der israelischen Sicherheitsstreitkräfte (IDF), Generalleutnant Aviv Kochavi, in einer Rede im Dezember, »führen wir im Durchschnitt jede Woche jede Art von Operation durch«.

Die Logik hinter dieser Kampagne ist einfach, ihre Umsetzung jedoch komplex. Ziel ist es, die militärische Aufrüstung des Irans und seiner Achse durch unauffällige Militäraktionen im gesamten Nahen Osten zu stören und gleichzeitig einen ausgewachsenen Krieg zu vermeiden. Diese Operationen werden durch die geheimdienstliche und lufttechnische Überlegenheit Israels ermöglicht, ist aber nicht ohne Risiken. Trotz dieser könnten wir jetzt zu Zeugen einer bedeutenden Ausweitung werden.

In den vergangenen Jahren sind die IDF dazu übergegangen, den Iran ganzheitlich zu betrachten und die Bedrohung, die von ihm ausgeht, als viel umfassender zu betrachten als nur um jene, die von seinem Atomprogramm ausgeht, das sich auf beunruhigende Weise entwickelt und nach wie vor die größte Bedrohung darstellt. Sollte der Iran in den Besitz von Atomwaffen gelangen, wird sich die Art und Weise, wie die Welt mit dem Land umgeht, drastisch ändern.

Gleichzeitig stellt das Netzwerk der iranischen Terrorarmee im Nahen Osten und anderswo eine sich ständig weiterentwickelnde Gefahr dar, mit der die iranische Verankerung in der Region und die Weiterverbreitung von Waffen, insbesondere in Syrien und im Libanon, eng verbunden sind.

Long-Term-Competition

Im Mai 2022 legte Generalmajor Eyal Zamir, der frisch ernannte Generaldirektor des israelischen Verteidigungsministeriums, eine wichtige Studie vor, die einen Einblick in eine neue Doktrin gibt, die sich allmählich auf Israels Verteidigungsapparat auswirkt.

In dem Papier, das vom Washingtoner Institut für Nahostpolitik veröffentlicht wurde, legt Zamir, der auch ehemaliger stellvertretender Generalstabschef der IDF ist, ein Konzept vor, das als Long-Term-Competition (LTC) bekannt ist. Zamir zufolge ist es das langfristige Ziel des Irans, Israel auszuschalten und regionale Hegemonialmacht zu werden. Dies soll durch die Bewaffnung von Stellvertretern und Partnern, die Einkreisung Israels mit Ringen von Raketen- und Flugkörperbasen und das Aufspannen eines nuklearen Schutzschirms über der enger werdenden Schlinge erreicht werden. Als Antwort darauf, so Zamir, muss Israel eine neue Siegestheorie entwickeln, die auf dem Konzept eines langfristigen Wettbewerbs mit diesem erbitterten regionalen Feind beruht.

Wesentliche Aspekte des langfristigen Wettbewerbs sind die Fähigkeit, asymmetrische Vorteile zu nutzen, den ideologischen Wettbewerb anzunehmen, umfassend und ganzheitlich zu konkurrieren, mit Verbündeten zu operieren und das lange Spiel zu spielen, während die Pläne des Gegners durchkreuzt werden und man ihm mehrere Schritte voraus ist. Zamir rief dazu auf, das Korps der Islamischen Revolutionsgarden (IRGC) zum Hauptziel dieser Kampagne zu machen, da es das eigentliche Gravitationszentrum des Irans sei und seine Schwächung eine Erosion der regionalen Macht Teherans bedeute.

Zu den skizzierten Zielen gehören ständige Angriffe auf Orte und Objekte, die mit den iranischen Stellvertretern in Verbindung stehen, die Ausübung von direktem Druck auf das iranische Regime infolge seiner Terrorakte und die Ausweitung der verdeckten Operationen Israels auf das gesamte iranische Regime, die IRGC und regionale iranische Vermögenswerte.

Zamir forderte Israel auf, zunächst die Offensivkapazitäten des Irans ins Visier zu nehmen, ihm die Fähigkeit zu nehmen, die Region mit seinem Militär und seinen Ressourcen zu destabilisieren, und sein Wachstum auf die umliegenden Staaten zu beschränken, bevor es zum Rückzug gezwungen wird.

Ob ein solcher Plan jetzt umgesetzt wird, ist eine offene Frage, aber es steht außer Zweifel, dass das Tempo und der Umfang der Operationen gegen iranische Ziele in den letzten Tagen zugenommen haben.

Der Artikel erschien auf Englisch beim Jewish News Syndicate(Übersetzung von Alexander Gruber.)

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