Der Konflikt mit der vom Iran unterstützten Hisbollah-Terrorarmee würde auch nach einem Krieg weitergehen, aber Israel kann Maßnahmen ergreifen, um seine strategische Lage zu verbessern.
Yaakov Lappin
Das Konzept des Tags nach den großen Kriegen zwischen Israel und seinen Feinden ist irreführend, meint Eado Hecht, Senior Fellow am Begin-Sadat-Zentrum für Strategische Studien und Analyst mit Spezialisierung auf Militärtheorie und Militärgeschichte. Der Begriff »Tag danach« sei »höchst problematisch, da er von einem klaren Ende und einer komplett neuen Situation danach ausgeht. Das erinnert ein wenig an das Konzept vom ›Ende der Geschichte‹«, so Hecht gegenüber dem Jewish News Syndicate.
Israels Konflikte mit seinen islamistischen Feinden werden, wie die Geschichte selbst, nicht enden, und komme es nicht zu einer umfassenden Vernichtung des Gegners, wie sie die Alliierten im Zweiten Weltkrieg gegen die Achsenmächte erreicht haben, »wird es kein kategorisches Ende des Konflikts geben«, warnte er. »Was ist eigentlich ein ›Tag danach‹ in Gaza und im Libanon, und wann wird er kommen?«
Andauernder Konflikt
Im Libanon verfüge die Hisbollah über weitaus mehr militärische Macht und finanziellen Reichtum als die Hamas vor dem 7. Oktober 2023 und genieße eine stärkere Unterstützung durch den Iran, so Hecht. Gleichzeitig ist der Libanon viel größer als der Gazastreifen und sein Terrain wesentlich komplexer. Infolgedessen werde Israel nicht in der Lage sein, die Hisbollah vollständig zu zerstören, weil das die Einnahme des gesamten Libanons erfordern würde. Vielmehr müsse Jerusalem im Fall eines dritten Libanonkriegs versuchen, die schiitische Terrorarmee massiv zu schädigen und zu dezimieren.
»Wenn der Krieg [von Gaza] auf den Norden [und damit den Libanon] ausgeweitet wird, besteht unser Ziel darin, den Bewohnern des nördlichen Israels zu ermöglichen, in ihre Häuser zurückzukehren, und zwar mit der Gewissheit, dass sie nicht dem ausgesetzt sind, was den Bewohnern der Gemeinden an der Grenze zum Gazastreifen am 7. Oktober widerfahren ist«, so Hecht.
Das bedeute, »schwerwiegende Schäden zu verursachen, um der Hisbollah die Kosten klarzumachen«. Im Zuge dessen sei eine Bodenoperation nötig, »die zumindest das gesamte Gebiet zwischen der israelisch-libanesischen Grenze und dem sichtbaren direkten Horizont [im Libanon] einnehmen würde, was die Hisbollah daran hindern würde, innerhalb von Stunden eine große Streitmacht an die israelische Grenze zu schicken«, fügte er hinzu.
Anschließen stelle sich die Frage, »ob Israel in diesem Gebiet bleibt und eine neue Sicherheitszone mit Präsenz der Israelischen Verteidigungsstreitkräfte (IDF) einrichtet oder sich zurückzieht und das Gebiet einem Dritten überlässt. Alle bisherigen Lösungen wie die UNIFIL, die es seit dem Frühjahr 1978 gibt, haben den Feind im Libanon, sei es die PLO, die Hisbollah oder die syrische Armee, nie daran gehindert zu tun, was er wollte«, resümiert Hecht. So etwas habe nie funktioniert, »nicht an der ägyptischen Grenze, nicht an der syrischen und nicht an der jordanischen, und es wird auch nicht im Libanon oder im Gazastreifen funktionieren. Niemand anderer wird unsere Kriege für uns führen.«
Der »Tag danach« in Gaza und im Libanon, sollte dort ein Krieg ausbrechen, werde ein andauernder Konflikt mit geringerer Intensität sein, vermutet Hecht. »Dies ist ein Phänomen, das die IDF ›begrenzter Konflikt‹ nennen. Dabei wird versucht, das militärische Ziel zu erreichen, indem der Kampfeswille des Gegners durch endlose ›Nadelstiche‹ jeder Art allmählich untergraben wird.«
Wehrhafter Mechanismus
Geht es nach Sarit Zehavi, Gründerin und Präsidentin des Alma-Forschungs- und Bildungszentrums, das sich auf die Analysen der Bedrohungen spezialisiert hat, denen Israel im Norden ausgesetzt ist, sollte Israels Ziel darin liegen, eine verbesserte Vereinbarung im Libanon zu erreichen, unabhängig davon, ob ein Krieg ausbricht oder nicht. Diese Vereinbarung würde ihm internationale Legitimität verleihen, um mit den sich bildenden bedrohlichen Formationen umzugehen.
»Solange das Ayatollah-Regime im Iran existiert und im Libanon die Alternativen [zur Hisbollah] zu schwach sind, werden wir die Hisbollah nicht zerstören – es geht nicht um militärische Stärke, sondern um grundlegendere Faktoren«, schätzte Zehavi die Lage ein.
Ob nun ein Krieg ausbreche oder nicht, »die Eskalation mit der Hisbollah wird mit einer Vereinbarung enden. Die Frage ist, in welcher Situation Israel diese treffen wird. Wenn die Hisbollah ihre Stärken beibehält, wird dies sehr gefährlich sein. Treffen wir eine Vereinbarung, nachdem die Hisbollah schwer getroffen wurde und einen langwierigen Wiederaufbauprozess durchlaufen muss, wird sich Israels Ausgangsposition verbessern«, erklärte sie.
Das große Engagement der internationalen Gemeinschaft im Libanon wird dazu führen, dass sie im Falle eines Kriegs oder einer Eskalation einen Mechanismus zur Beendigung der Konfrontation anstreben wird. Israel müsse aber darauf drängen, dass nur ein Mechanismus angenommen wird, der nicht davon ausgeht, dass sich die Hisbollah an die Vereinbarung hält, und der auf diesen Fall vorbereitet ist und Gegenmaßnahmen vorsieht, so Zehavi.
»Eine internationale Truppe, nicht die UNO, aber vielleicht eine NATO-ähnliche Truppe oder eine Koalition, wie sie den Islamischen Staat bekämpft hat, könnte ein Ziel sein. Und wenn es nicht gelingt, die Vereinbarung durchzusetzen, muss Israel die volle Legitimität haben, sich im Rahmen jeder zukünftigen Vereinbarung zu verteidigen. Das jahrelange doppelte Spiel der UNIFIL hat dazu geführt, dass die Hisbollah vor ihrer Nase eine Terror-Infrastruktur aufgebaut hat, uns jetzt beschießt und wir trotzdem keine internationale Legitimität haben, um uns zu verteidigen.«
Die Resolution 1701 des UN-Sicherheitsrats, die zur Beendigung des zweiten Libanonkriegs 2006 verabschiedet wurde, sei aufgrund mangelnder Durchsetzung völlig gescheitert. »Eine verbesserte Vereinbarung ist keine magische Lösung. Israel muss die Legitimität haben, die Strukturen der Hisbollah zu treffen. Wir können die israelischen Bewohner des Nordens nicht in die Realität des 6. Oktober zurückschicken«, warnte die Alma-Präsidentin.
Libanon anders als Gaza
Der Vizepräsident des Jerusalemer Instituts für Strategie und Sicherheit Eran Lerman erklärte gegenüber dem Jewish News Syndicate: »Auch ohne sich in operative Szenarien zu vertiefen, kann man festhalten, dass ein umfassender Krieg gegen die Hisbollah eine sehr gründliche und relativ schnelle Schädigung ihrer Kräfte erfordern wird, da sie in der Lage ist, auch das Zentrum Israels und nicht nur den Norden des Landes zu schädigen. In dieser Hinsicht gibt es Ähnlichkeiten mit den Zielen der Kampagne in Gaza.«
Lerman fügte jedoch hinzu, dass die Realität nach einem solchen Krieg »grundlegend anders sein wird, weil es einen libanesischen Staat gibt, mit dem es möglich sein wird, eine verlässliche Vereinbarung zu treffen, nachdem die Macht der Hisbollah nicht mehr ausreicht, um den Großteil der libanesischen Bevölkerung zu terrorisieren, die es leid ist, ihr Land zerstört zu sehen«.
Es sei möglich, »dass einige Sunniten und Christen angesichts der Rolle, welche die Hisbollah bei Präsident Assads Massaker an der syrischen Bevölkerung spielt, gerne mit der Organisation ›abrechnen‹ würden«. Infolgedessen, ist Lerman der Ansicht, »wird es nach einem möglichen zukünftigen Krieg jemanden [im Libanon] geben, mit dem man reden kann und etwas, worüber man reden kann«.
Der Text erschien auf Englisch zuerst beim Jewish News Syndicate. (Übersetzung von Alexander Gruber.)