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Wie sieht Israels neuer Hilfsplan für Gaza aus?

Ein Großteil der Hilfslieferungen in den Gazastreifen erfolgt über den Grenzübergang Raffah. (© imago images/Xinhua)
Ein Großteil der Hilfslieferungen in den Gazastreifen erfolgt über den Grenzübergang Raffah. (© imago images/Xinhua)

Über die neuen Hilfspläne für den Gazastreifen geistern viele Un- und Halbwahrheiten umher. Was bis jetzt bekannt ist und was noch offenbleibt.

Israel Kasnett

Die jüngste Ankündigung Israels, ein neues Hilfsprogramm für palästinensische Zivilisten im Gazastreifen unter Beteiligung amerikanischer Auftragnehmer und der israelischen Streitkräfte auf den Weg zu bringen, hat eine intensive Debatte über dessen Durchführbarkeit und Wirksamkeit ausgelöst.

Der Plan zielt darauf ab, humanitäre Hilfe zu leisten und gleichzeitig sicherzustellen, dass die Hamas die Hilfe nicht missbraucht, doch bleiben Fragen hinsichtlich der Logistik, des Umfangs und der übergeordneten Strategie offen. Wie wird die Hilfe diejenigen erreichen, die sie benötigen? Wie viele Mitarbeiter werden daran beteiligt sein? Und welche Rolle wird die israelische Armee spielen?

Strategischer Kurswechsel

Die erneuten Militäroperationen Israels im Gazastreifen verfolgen ein klares Ziel: die Führung der Hamas zu zerschlagen und die Gruppe an einem Wiederaufbau ihrer Strukturen zu hindern.

Danielle Pletka, Senior Fellow am American Enterprise Institute, erklärte: »Die Israelis wollen die Hamas endgültig entmachten, die sich während früherer Waffenstillstände neu formiert hat, die Weichen für die Zukunft stellen und größere Anreize für die Freilassung der Geiseln schaffen.«

Anders als bei früheren Militäroperationen plant Israel, die Kontrolle über größere Teile des Gazastreifens zu behalten, um terroristischen Gruppen die Möglichkeit zur Neuformierung zu nehmen. Pletka merkte dazu an: »Die Israelis haben bereits zuvor in der Doktrin zur Aufstandsbekämpfung bekannte Säuberungstechniken eingesetzt, aber sie haben das Gebiet nicht gehalten, und die israelische Regierung hat angedeutet, dass sie plant, mehr Gebiet in Gaza zu halten als zuvor.«

Dieser Ansatz zielt darauf ab, ein stabileres Umfeld für die Verteilung von Hilfsgütern und die Regierungsführung zu schaffen, wirft jedoch Fragen darüber auf, wie es weitergehen soll.

Humanitäre Herausforderung

Ein zentraler Bestandteil des israelischen Plans ist es, sicherzustellen, dass die humanitäre Hilfe die Zivilbevölkerung in der Küstenenklave erreicht, ohne von der Hamas abgefangen zu werden. Dazu Pletka: »Die israelische Regierung hat beschlossen, humanitäre Hilfe zuzulassen, aber weiterhin nicht mit der UNRWA zusammenzuarbeiten. Während Organisationen wie das Welternährungsprogramm nun Hilfsgüter liefern, arbeitet Israel mit den Vereinigten Staaten und anderen zusammen, um eine neue Stiftung zu gründen, die bedürftigen Palästinensern Hilfe leistet und gleichzeitig sicherstellt, dass die Hilfsgüter nicht von terroristischen Gruppen gehortet, verkauft oder anderweitig missbraucht werden.«

Eine neue, von den USA unterstützte Organisation, die Gaza Humanitarian Foundation (GHF), soll bis Ende des Monats ihre Arbeit im Gazastreifen aufnehmen. Die Gruppe will Hilfe im Rahmen eines von Israel gebilligten und von privaten amerikanischen Unternehmen unterstützten Plans leisten.

Die Einzelheiten des Plans, der am 4. Mai vom israelischen Kabinett gebilligt wurde, sind noch vage. Seth Frantzman, außerordentlicher Fellow bei der Foundation for Defense of Democracies, erklärte gegenüber Jewish News Syndicate, dass die Vision darin bestehe, den größten Teil des Gazastreifens zu kontrollieren, einen Großteil der Bevölkerung in eine neue humanitäre Zone im Süden umzusiedeln und sicherzustellen, dass diese im Gegensatz zur 2023/24 eingerichteten Al-Mawasi-Zone frei von Hamas-Einfluss bleibt.

»Die Idee ist, dass es sich um eine von den USA geführte Initiative handelt, bei der private Sicherheitsfirmen und nicht die Israelischen Verteidigungsstreitkräfte (IDF) für die Verteilung zuständig sind«, präzisierte Frantzman. »Auch neue NGOs, also nicht diejenigen, die vor dem 7. Oktober 2023 in Gaza aktiv waren, würden beteiligt sein. Die IDF würde die Perimeter sichern, aber nicht die eigentliche Verteilung der Hilfsgüter übernehmen.«

Die Logistik dieses Plans ist jedoch unklar. Frantzman wies darauf hin, dass zwar private Auftragnehmer bereits in Israel eingetroffen sind, aber noch unklar ist, wer die Operation finanziert und wie sie koordiniert werden soll: »Am 18. Mai hat das Kabinett beschlossen, Hilfslieferungen wieder zuzulassen, aber eine Quelle teilte den Medien mit, dass die Vorbereitung der Zone noch eine Woche dauern wird.«

Berichten zufolge soll der Gazastreifen geteilt werden, wodurch die Bewegungsfreiheit der Zivilbevölkerung eingeschränkt würde – ein großes Hindernis für die Versorgung der Bedürftigen. »Wenn sich die Zivilisten nicht frei bewegen können, wie sollen sie dann Zugang zu den Hilfsgütern erhalten?«, fragte Frantzman.

Soziale Komplexität

Die Herausforderung ist gewaltig. Frantzman bezweifelte, dass Israel und die USA die Logistik für über eine Million Menschen bewältigen können. »Israel hat wenig Erfahrung mit dieser Art von Hilfslieferungen«, sagte er. »Sie haben Naturkatastrophen bewältigt, aber das ist etwas anderes. Die USA haben Programme wie USAID, aber selbst diese sind nicht für etwas so Großes ausgelegt.« Das Scheitern des von den USA geleiteten Gaza-Pier-Projekts im Jahr 2024, bei dem ein Großteil der Hilfsgüter von der Hamas umgeleitet wurde, dient als warnendes Beispiel.

Die soziale Dynamik erschwert den Plan zusätzlich. Frantzman hob die Vielfalt der Bevölkerung im Gazastreifen hervor, die zu etwa 40 Prozent aus Familien stammt, die vor 1948 dort lebten und enge Clan- und Stammesbindungen haben. Diese Gruppen, die in ihren angestammten Häusern verwurzelt sind, könnten sich einer Umsiedlung in den Süden widersetzen, selbst wenn ihre Gemeinden – wie Khan Yunis – stark zerstört sind.

Im Gegensatz dazu könnten Bewohner von Flüchtlingslagern wie Jabalia, die schon mehrfach den Aufenthaltsort wechseln mussten, eher bereit sein, umzuziehen. »Diese Menschen können ohnehin nicht nach Hause zurückkehren – Hunderttausende haben ihre frühere Heimat verloren«, erklärte Frantzman. »Die Familien, die vor 1948 dort lebten, könnten an ihren angestammten Wohnstätten festhalten, selbst wenn diese zerstört sind, während die Bewohner der Lager eher bereit sind umzuziehen, da sie in ihrer Wahrnehmung in temporären städtischen Gebieten leben.«

Frantzman wies auf die Unklarheiten des aktuellen Plans hin. Die Idee, den Gazastreifen zu teilen und die Bewegungsfreiheit einzuschränken, wirft praktische Fragen auf, wie Zivilisten Zugang zu Hilfsgütern erhalten und ob die humanitäre Zone effektiv funktionieren kann.

Ohne eine klare Vision für die Zeit nach dem Krieg läuft Israel zudem Gefahr, die Fehler der Vergangenheit zu wiederholen, als die Hilfsmaßnahmen ins Stocken gerieten und die Hamas wieder an Stärke gewann.

Pletka betonte: »Die Israelis haben sich entschieden gegen die Idee gewehrt, Pläne für die Zeit nach dem Krieg im Gazastreifen zu schmieden, wahrscheinlich, weil sie davon ausgehen, dass dies nicht ihr Problem ist«, sagte sie. »Es wird jedoch immer deutlicher, dass es sehr wohl ihr Problem ist. Schlechte Ideen kann man nur mit eigenen Ideen verhindern. Die Frage ist, welche Ideen Israel hat.«

(Der Artikel ist auf Englisch von Jewish News Syndicate veröffentlicht worden. Übersetzung von Florian Markl.)

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