Israels Koordinator für die Gefangenen und Vermissten warnte am Sonntag, dass der internationale Druck auf Israel für die Terrororganisation von Vorteil ist.
»Leider wiederholen viele Menschen das Narrativ, dass wir diejenigen seien, die eine Einigung verhindern. Aber das ist nicht die Wahrheit. Es ist eine Lüge. Wir haben nie ein Abkommen verhindert, das auf dem Tisch lag«, so der ehemalige IDF-General Gal Hirsch gegenüber Reportern auf dem Gipfeltreffen des Nahost-Amerika-Dialogs (MEAD) in Washington.
Die Hamas erfahre, »was in der israelischen Gesellschaft vor sich geht und will sie spalten, indem sie das Thema der Entführten benutzt. Und ich muss es auf den Tisch legen. Und für sie ist das ein Erfolg. Es gibt eine direkte Verbindung zwischen dem internationalen Druck auf Israel und dem Wunsch der Hamas, an den Verhandlungen teilzunehmen«, sagte er. Sieht die Terrorgruppe nämlich, »dass Israel unter enormem Druck steht, sei es von unseren besten Verbündeten, von den Vereinten Nationen, von Großbritannien oder von Entscheidungen einiger und anderer internationaler Gerichte, sagen sie sich, dass sie es nicht eilig haben.«
Hirsch wies darauf hin, dass Jerusalem seit Dezember keine »echte Antwort« von der Terrorgruppe erhalten habe und die Verhandlungen »festgefahren« seien. »Seit November hat es so gut wie keine Verhandlungen mehr gegeben und es scheint, dass sie keine Einigung wollen. Seit Dezember ist die Hamas nicht mehr wirklich auf dem Schirm. Im März kam sie für ein paar Tage zu Verhandlungen nach Doha und verschwand dann.«
Giftpille der Hamas
Die israelische Nachrichtenplattform Ynet zitierte am Sonntag israelische Beamte, die den Wunsch äußerten, die USA sollten von den katarischen und ägyptischen Vermittlern mehr Druck auf die Hamas verlangen. Kurz davor hatte die Hamas die ohnehin ins Stocken geratenen Waffenstillstandsgespräche mit Israel weiter erschwert, indem sie zusätzliche Forderungen erhob, darunter jene, Jerusalem solle bereits in der ersten Phase eines Abkommens die Urteile zahlreicher palästinensischer Terroristen, die eine lebenslängliche Haftstrafe verbüßen, aufheben.
Die Washington Post zitierte am Samstag einen hochrangigen US-Beamten mit den Worten, beide Seiten hätten sich zwar auf die Freilassung terroristischer Mörder im Gegenzug für die Freilassung von als Geiseln gehaltenen Soldaten der Israelischen Verteidigungsstreitkräfte durch die Hamas geeinigt, doch habe selbige letzte Woche beschlossen, dass auch israelische Zivilisten gegen diese langjährigen Gefangenen ausgetauscht werden müssten, was der Beamte als »Giftpille« für die Verhandlungen bezeichnete.
Katar solle gezwungen werden, die dort lebenden Hamas-Führer auszuweisen und die Bankkonten der Terrorgruppe einzufrieren, doch stattdessen setzten die USA Israels Premierminister Benjamin Netanjahu unter Druck, so die von Ynet zitierten israelischen Beamten, die ihre Enttäuschung über die Äußerungen des CIA-Direktors Williams Burns vom Wochenende äußerten. Burns sagte am Samstag in London, ein Waffenstillstandsabkommen zwischen Israel und der Hamas werde »einige harte Entscheidungen und politische Kompromisse« von beiden Seiten erfordern. Etwa neunzig Prozent des vorgeschlagenen Abkommens seien bereits vereinbart worden, aber »die letzten zehn Prozent sind nicht ohne Grund die letzten zehn Prozent, denn sie sind am schwierigsten zu erreichen«.
Sehr besorgt
Auf dem Gipfeltreffen betonte Hirsch unterdessen, er sei »sehr besorgt über das Schicksal der Entführten und denke ständig an sie«. Die Hamas hält derzeit immer noch 101 Geiseln fest, darunter 97 der 251, die am 7. Oktober entführt wurden und vier, die bereits früher in die Fänge der Terrorgruppe geraten waren. »Während unser Verhandlungsteam in Doha ist, tötet die Hamas weiterhin Geiseln im Gazastreifen. Der militärische Druck wird nicht aufhören«, betonte Hirsch auf der Hauptbühne.
Israel wolle, »dass alle Geiseln nach Hause zurückkehren. Wir wollen eine Demobilisierung, eine Deradikalisierung, und ich glaube, wir werden ihnen [dem Hamas-Führer in Gaza, Yayha Sinwar, und seinen Männern] sicheres Geleit aus dem Gazastreifen gewähren.« Er glaube, »dass wir handeln müssen, um alle Geiseln zu befreien, und ich verfolge alle möglichen Wege, um dieses Ziel zu erreichen. Wir warten auf den endgültigen Vorschlag der Vermittler und der Vereinigten Staaten. Gleichzeitig arbeiten unsere Teams an alternativen Plänen B, C und D.«
Hirsch erklärte auch, dass die öffentlich auftretenden Hamas-Sprecher die eigentliche Hamas-Organisation nicht repräsentierten: »Sinwar schickt seine Anweisungen und dann reden all die Dutzenden von Sprechern in seinem Namen und sagen, was sie wollen und versuchen, die Familien in Israel, die israelische Öffentlichkeit und viele Menschen im Land und in der Welt in den Wahnsinn zu treiben.«
An der ersten MEAD-Konferenz nehmen hochrangige diplomatische und politische Vertreter der beiden großen US-Parteien sowie israelische Politiker und Vertreter gemäßigter arabischer Staaten teil. Der US-Botschafter in Israel, Tom Nides, der ehemalige US-Botschafter in Israel David Friedman, der Diplomat Dennis Ross und der ehemalige stellvertretende Nationale Sicherheitsberater Elliott Abrams führen gemeinsam den Vorsitz des Eröffnungsgipfels.