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Ein israelischer Schutzschirm über die syrischen Drusen?

Israelische Soldaten auf der syrischen Seite der Golanhöhen. Wird Israel zur Schutzmacht für Syriens Drusen? (© imago images/NurPhoto)
Israelische Soldaten auf der syrischen Seite der Golanhöhen. Wird Israel zur Schutzmacht für Syriens Drusen? (© imago images/NurPhoto)

Israels Premier sorgt mit der Forderung nach einer Entmilitarisierung des Südens von Syrien und Versprechen an die Drusen für Aufsehen.

Am Sonntag ließ Israels Premier Benjamin Netanjahu mit Bemerkungen aufhorchen, die er im Rahmen einer militärischen Abschlussfeier tätigte. Der Süden Syriens müsse entmilitarisiert werden, Israel werde dort weder Kämpfer der Miliz Hayat Tahrir al-Sham (HTS), die im Dezember 2024 maßgeblich am Sturz des Assad-Regimes beteiligt war, noch anderer bewaffneter Gruppen akzeptieren.

»Wir werden nicht zulassen«, so Netanjahu, »dass Truppen der HTS oder der neuen syrischen Armee in das Gebiet südlich von Damaskus eindringen. Wir fordern die vollständige Entmilitarisierung Südsyriens in den Provinzen Quneitra, Daraa und Suwayda.« Und er fügte hinzu, Israel werde »keine Bedrohung der drusischen Sekte in Südsyrien tolerieren«.

Gemischte Reaktionen

Die Bemerkungen Netanjahus haben aufgeregte Diskussionen ausgelöst. Dass Israel eine Art Schutzschirm über die Drusen in Syrien aufspannen werde, stellte jedenfalls ein Novum dar. Die Ankündigung stieß nicht nur unter nicht-drusischen Syrern auf Widerspruch, die Netanjahus Ankündigung als Versuch verurteilten, die Einheit des Landes zu zerstören. Der Vorwurf, die Drusen wollten eine ausgerechnet von Israel garantierte Sonderstellung, Autonomie oder gar Unabhängigkeit erlangen, birgt durchaus explosives Potenzial. Auf Demonstrationen wurde den vom israelischen Premier genannten Orten nicht weniger als Verrat angekreidet.

Ein drusischer Scheich aus Israel mit engen Kontakten nach Syrien warnte vor »überhasteten« Ankündigungen. Syrien sei ein Land, das gerade erst damit beginnt, mit dem Erbe eines jahrzehntelang währenden tyrannischen Regimes fertigzuwerden. In einer solchen Situation könnten »rücksichtslose« Botschaften aus Israel leicht Schaden anrichten.

Im Gegensatz dazu wurden in Syrien drusische Stimmen laut, die Netanjahus Bemerkungen begrüßten. So hieß es, man werde »jedem die Hand reichen, der das Beste für Suwayda und den syrischen Süden im Allgemeinen will«.

Tareq Al-Shoufi, Kommandeur des gerade neu geschaffenen Militärrats von Suwayda, zeigte sich erfreut über jeden, der »zum Schutz der drusischen Gemeinschaft und zur Stabilität der Region« beitrage. Der Militärrat tritt für Demokratie und einen säkularen Staat ein und begegnet daher, wie viele Drusen im Süden des Landes, den neuen islamistischen Machthabern in Damaskus mit erheblicher Skepsis. Stolz ist man hier darauf, dass Suwayda sich selbst vom Assad-Regime befreit hat und dazu nicht auf Kämpfer der HTS angewiesen war, die in den Augen vieler hier nach wie vor nichts zu suchen haben.

Ein Leben ohne Extremismus

Ein in Kanada lebender syrischer Exil-Druse erläuterte gegenüber der Jerusalem Post, warum Netanjahus Aussagen unter jenen Drusen, welche die Hoffnung auf ein Leben »in Würde und ohne Kriege oder Extremisten in ihrer Umgebung«, hegten, auf Wohlwollen stoßen: »Die Mehrheit sind Händler und Bauern, die kein Interesse an Extremismus haben« und unter dem Assad-Regime gelitten hätten.

»Warum nicht Frieden schließen und Wirtschaftswachstum haben?«, fragte er. Und mit Blick auf den HTS-Führer Ahmed al-Sharaa, der früher unter seinem Kampfnamen Abu Mohammed al-Jolani die Nusra-Front anführte, den syrischen Ableger der al-Qaida: »Warum nicht die Terroristen loswerden? Al-Jolani, der versucht, charismatisch und fotogen zu wirken, hatte eine finstere Vergangenheit. Er ist sehr extremistisch und diese einfachen Bauern in Südsyrien wollen nicht, dass Damaskus das nächste Kabul wird.«

Kleineres Übel

Israel hat nach dem Sturz von Diktator Baschar al-Assad auf den Golanhöhen auf syrischem Gebiet Pufferzonen eingerichtet, um zu verhindern, dass feindliche bewaffnete Kräfte sich direkt an der Grenze festsetzen und von dort aus Israel bedrohen können. Dabei soll es sich laut Außenminister Gidon Saar um eine »begrenzte und zeitlich befristete« Maßnahme handeln, die solange aufrechterhalten werden müsse, bis eine »Stabilisierung der Situation« in Syrien eingetreten sei.

In diesen Pufferzonen liegen einige drusische Dörfer, die vergangenen Dezember für Aufsehen sorgten, als sie einen Anschluss an Israel forderten. In einem Video war eine Demonstration in einem der Dörfer zu sehen, auf der ein Redner im Hinblick auf die unsichere Zukunft Syriens unter den neuen Machthabern sagte: »Wenn wir wählen müssen, werden wir das kleinere Übel wählen. Und selbst wenn es als böse angesehen wird, die Annexion an den [israelischen] Golan zu fordern, ist ein viel kleineres Übel als das Übel, das auf uns zukommt.«

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