In Israel ist wieder der Alltag eingekehrt. Der wahllos-abgefeuerte Hamas-Raketensturm scheint, zumindest zeitweise, aufgehört zu haben, und Israelis beginnen, die Ereignisse der letzten Wochen aufzuarbeiten.
Was sich abzeichnet? Weitgehende Ambivalenz gegenüber der jüngsten Eskalation und ihrem Ausgang; Entschlossenheit, dem Hamas-Terror künftig wirkungsstärker entgegenzutreten; Sorge um die tiefe Spaltung zwischen der jüdischen und der arabischen Bevölkerung Israels; und Schock über die antisemitischen Ausfälle in diversen Teilen der Welt.
Krieg ohne Gewinner
Die israelische Armee hat Vieles erreicht. Sie hat den Führungskader der Hamas-Terrororganisation empfindlich dezimiert, eine Vielzahl von Waffeneinrichtung vernichtet und rund 100 Kilometer der unglaublich ausgereiften, unterirdischen Terror-Tunnelstadt, der sogenannten „Metro“, zerstört.
Aber auch die Hamas konnte punkten. Ihr gelang es, sich groteskerweise mit Raketenangriffen auf Jerusalem in den Augen der arabischen Bevölkerung als „Retter von Jerusalem“ zu positionieren und damit massiv an Popularität zu gewinnen. Die Hamas rechnet sich darob gute Chancen bei den nächsten palästinensischen Wahlen aus – sollten diese je stattfinden – und gedenkt ihre Terrorherrschaft letztendlich nicht nur im Gaza-Streifen zu festigen, sondern auch auf die West Bank auszudehnen.
Kein Wunder also, dass die israelische Bevölkerung die Ergebnisse der Eskalation mit einiger Skepsis betrachtet. Laut einer Umfrage von Channel 12 finden 52% der Befragten, keine der beiden Seiten hätte diesen Krieg gewonnen.
Eine Waffenpause, kein Waffenstillstand
Wenig Illusionen macht man sich in Israel auch über den Charakter der aktuellen Waffenruhe. Klar, die Hamas ist arg geschwächt geworden, aber es ist nur eine Frage der Zeit, bis sich die Terrorbande wieder aufrichtet und ihr deklariertes Ziel, Israel zu vernichten, weiterverfolgt.
Deshalb waren auch knapp 50% der Umfrageteilnehmer gegen den Waffenstopp. Sie hätten bevorzugt, den Feldzug so lange weiter zu führen, bis die Hamas keine Gefahr mehr für Israel bedeuten würde, bis sie ihren beständigen Raketenbeschuss auf Israels Süden beenden müsse und, vor allem auch, bis sie die beiden gekidnappten Zivilisten, Avera Mengistu und Hisham al-Sayed, sowie die menschlichen Überreste der beiden Soldaten, Hadar Goldin und Oron Shaul, rückerstatten würde. All das ist bekanntlich noch nicht geschehen.
Künftig: Kontrolle der Geld- und Materialienzufuhr an Hamas
Einig ist man sich in Israel denn auch darüber, dass man der Hamas künftig härter begegnen muss. So sollen die ebenso bunten wie tödlichen Sprengstoffballone, die die Hamas gerne über die Grenze schickt, genauso wenig toleriert werden wie die häufigen Raketen auf die israelischen Städte an der Grenze zum Gaza-Streifen.
Auch die Zufuhr von Geld und Materialien, die bislang über Israel nach Gaza floss, müsste fortan von unabhängigen Kontrollgremien viel strenger überwacht werden. Denn es stellt sich immer deutlicher heraus, dass die Hamas humanitäre Hilfsmittel für eigene Zwecke missbraucht, anstatt sie der darbenden Bevölkerung zukommen zu lassen. Die laufende Wasser- und Elektrizitätszufuhr von Israel an Gaza will man aber aus humanitären Gründen nicht unterbrechen.
Vertrauensbildung zwischen jüdischen und arabischen Israelis
Eine der schlimmsten Konsequenzen der jüngsten Gaza-Eskalation: die dramatische Spaltung zwischen den arabischen und den jüdischen Israelis. Kürzlich noch sah es so aus, als würden die beiden Gruppen enger denn je zusammenarbeiten und harmonisch miteinander auskommen. Selbst in der Politik schien sich sowohl im linken als auch im rechten Flügel fortan eine Kooperation von zionistischen und arabischen Parteien abzuzeichnen.
Diese Annäherung erfuhr allerdings mit Beginn des Krieges ein jähes Ende. Einige wütende arabische Israelis zogen nächstens auf die Straßen von Jaffa, Ramla und Lod, und suchten jüdische Passanten zu massakrieren. Es gab mehrere Lynchangriffe, bei denen Juden schwer verletzt, und der 52-Jährige Yigal Yehoshua sogar getötet wurde. Einige Tage später kam es auch zu einem Lynchversuch von Juden gegen einen arabischen Taxifahrer.
Sicher, es handelt sich bei den Tätern um eine Minderheit. Die meisten arabischen und jüdischen Israelis wollen friedlich zusammenleben, auch wenn sie völlig unterschiedliche Ansichten vertreten. Sie blicken deshalb fassungslos auf die blinde Wut, die hier – weitgehend unerwartet – aufgebrochen ist.
Jetzt gilt es, den Abgrund, der sich aufgetan hat, gemeinsam zu schließen. Erste Initiativen gibt es bereits. So hat die Polizei hunderte der gewalttätigen Schläger festgenommen und einige, darunter auch drei jüdische Randalierer, verurteilt.
Einzelne Episoden, wie die Tatsache, dass ein arabischer Krankenhelfer einem jüdischen Opfer in einer besonders grausamen Lynchaktion das Leben gerettet hat, oder der Fakt, dass die Organe des jüdischen Todesopfers unter anderem auch einer arabischen Frau gespendet wurden, machen die Runde und geben Hoffnung.
Zudem gibt es auch eine konzertierte Kampagne, in der arabische und jüdische Professionals, etwa Ärzte und Lehrer, ihre gemeinsamen Ziele und ihre jahrelange, harmonische Zusammenarbeit bekunden. Trotzdem ist allen Israelis klar, dass hier mehr, viel mehr, getan werden muss, um das zarte, gegenseitige Vertrauen, das in den letzten Jahren aufgebaut wurde, wieder herzustellen.
Antizionismus entpuppt sich erneut als Antisemitismus
Besonders erschreckend ist auch der offen-aufgebrochene Antisemitismus, der sich in Ländern wie Deutschland, England, Frankreich und den USA, schwindelerregend schnell breit macht. Juden werden auf der Straße angepöbelt, geschlagen und gedemütigt.
Diese Entwicklung in der Folge der jüngsten Ereignisse in Israel zeigt einmal mehr, dass Juden mit Israel assoziiert werden und dass die meisten Antizionisten auch Antisemiten sind. Juden in der Welt dürften erkennen, dass es ihnen ebenso wenig hilft, sich von Israel zu distanzieren, wie ihren Vorfahren der Versuch getaugt hat, ihre Religion abzustreifen.
Gleichzeitig hat man nun endlich auch in Israel erkannt, dass es nicht reicht, den internationalen Antisemitismus zu verurteilen und dass es gilt, auch vom jüdischen Land aus, dagegen anzukämpfen. Mehr darüber in meinem nächsten Bericht.