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Israelfeindschaft und Antisemitismus bei Hamas, Al-Qaida und dem Islamischen Staat – Teil 1

Von Michael Wyss

Diese Artikelreihe beruht auf einem überarbeiteten Referat, welches der Autor im Oktober 2016 an Veranstaltungen an der Universität Innsbruck sowie des Jungen Forums DIG Frankfurt an der Goethe Universität in Frankfurt a. M. präsentierte.

Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu sorgte im Spätsommer 2014, wenige Wochen nach dem Ende der Operation  Protective Edge („Fels in der Brandung“), für Aufregung. Anlässlich der Ermordung des Journalisten James Foley durch ISIS wurde auf Netanjahus Social-Media-Kanälen eine Grafik mit der Überschrift „Hamas ist ISIS, ISIS ist Hamas“ veröffentlicht (ursprünglich beinhaltete sie ein Bild von Foley kurz vor seiner Ermordung, das aber später durch die Flagge des Islamischen Staates ersetzt wurde).

Netanjahu wiederholte diese Botschaft mehrfach bei öffentlichen Auftritten in den darauffolgenden Wochen. So etwa bei seiner Rede vor der UN-Generalversammlung im September 2014, wo er erklärte:

„ISIS und Hamas sind Zweige desselben giftigen Baumes. (…) Was ihre Endziele betrifft, so ist Hamas ISIS und ISIS ist Hamas. Und sie haben gemein, was alle militanten Islamisten gemein haben. Boko Haram in Nigeria, Al-Shabaab in Somalia, Hisbollah im Libanon, Al-Nusra in Syrien, die Mahdi-Armee im Irak und Al-Qaida Ableger in Yemen, Libyen, den Philippinen, Indien und anderswo.“

Im Gegensatz zum Applaus seiner Regierungskoalition, wurde Netanjahus Vergleich von verschiedenen Seiten zum Teil scharf kritisiert. Die Hamas selbst wies den Vorwurf vehement zurück und Politbüro-Chef Khaled Meshaal ließ in einem Interview mit Yahoo News verlauten, die Hamas sei „keine gewalttätige religiöse Organisation.“ Doch auch israelische Oppositionspolitiker, das US-Außenministerium, das linksliberale Online-Medium Vox und ein Forscher am Royal Institute of International Affairs (auch bekannt als „Chatham House“) kritisieren Netanjahus Aussage. Einer der Kernvorwürfe an Netanjahu lautete, politisch punkten und die Gräueltaten von ISIS propagandistisch ausschlachten zu wollen.

Bis auf wenige Ausnahmen machten sich Netanjahus Kritiker aber nicht die Mühe, sich ernsthaft mit dem Gegenstand seiner Behauptung auseinanderzusetzen, dass Hamas, Al-Qaida und IS in eins zu setzen seien. Diese wäre nur mittels einer genauen Untersuchung der drei Gruppierungen zu bewerkstelligen, welche sowohl Gemeinsamkeiten aber auch Unterschiede beleuchtete. Dass dies nicht geschah, ist ein Versäumnis, den tatsächlich fällt eine Antwort auf die Frage, ob Netanjahu richtigliegt, weniger eindeutig aus als sich sowohl Kritiker als auch Befürworter seiner These dies wünschen würden.

Eine vollumfängliche Untersuchung aller relevanten Aspekte von Hamas, Al-Qaida und IS ist – so wünschenswert eine solche auch wäre – enorm zeitaufwändig. Stattdessen wird diese Artikelreihe anhand von Israelfeindschaft und Antisemitismus exemplarisch Berührungs- aber auch Streitpunkte zwischen den drei Terrororganisationen aufzuzeigen versuchen. Der Fokus auf der Feindschaft gegenüber Israel und Juden erscheint aus verschiedenen Gründen naheliegend. Zum sind diese beiden Elementen selbstverständlich von äußerster Relevanz für Israel. Zum anderen sind sie ohne Zweifel von großer Bedeutung für Ideologie und Vorgehen der drei Organisationen. Zuletzt, bieten sich Israelfeindschaft und Antisemitismus aber auch deshalb an, weil sich anhand ihrer einerseits Übereinstimmung und Kooperation, auf der anderen Seite aber auch Uneinigkeit, Konkurrenz und gar Konflikt zwischen den drei Gruppen illustrieren lassen.

In den folgenden Teilen dieser Artikelserie werden die Bedeutung von Israelfeindschaft und Judenhass – in Wort wie Tat – für die jeweilige Terrororganisation systematisch analysiert, sowie in aller Kürze auf ihre Entstehungsgeschichte eingegangen werden.

Zuvor soll aber in einem zweiten Teil zuerst in aller Kürze die Geschichte und Entwicklung des politischen Islam sunnitischer Prägung im Nahen Osten skizziert werden. Um nämlich die Unterschiede zwischen der Hamas auf der einen Seite und Al-Qaida bzw. dem Islamischen Staat auf der anderen Seite zu verstehen, ist es hilfreich, diese als Exponenten zweier unterschiedlichen Strömungen zu begreifen. Die Hamas steht in der Tradition der Muslimbruderschaft, Al-Qaida und Islamischer Staat hingegen sind Vertreter der „Globalen Jihad“-Bewegung bzw. der salafi-jihadistischen Ideologie. Obwohl beide über gemeinsame Wurzeln verfügen, grenzt sich der Salafi-Jihadismus mittlerweile stark von der Muslimbruderschaft ab und der Islamische Staat verhöhnt Muslimbrüder gar als Apostaten, d.h. als Muslime, die vom „wahren Glauben abgefallen sind. Die Entstehungsgeschichte von Muslimbruderschaft und der Globalen Jihad-Bewegung ist Gegenstand des zweiten Teils dieser Serie.

Artikel zuerst erschienen bei Audiatur Online. Teil 2 folgt demnächst.

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