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Israel bereitet sich auf die Aufnahme ermordeter Geiseln vor

Die Hamas wird auch aus der Übergabe der toten Geiseln wieder ein zynische Propaganda-Show machen
Die Hamas wird auch aus der Übergabe der toten Geiseln wieder ein zynische Propaganda-Show machen (Quelle: JNS)

Für die Übergabe der in Gefangenschaft von der Hamas ermordeten Geiseln gibt es keinen Präzedenzfall. Damit umzugehen ist nicht nur für die Angehörigen, sondern für die gesamte israelische Gesellschaft enorm schwierig und belastend.

Maytal Yasur Beit-Or

Am Donnerstagmorgen tritt Israel in eine neue und hochsensible Phase des Abkommens über die Geiselfreilassung ein. Zum ersten Mal seit dem 7. Oktober 2023 wird erwartet, dass die Hamas die Leichen von Geiseln freigibt. Das israelische Gesundheitssystem und das Nationale Zentrum für Forensische Medizin bereiten sich auf die Aufnahme der Toten vor, während sich Organisationen für psychische Gesundheit darauf einstellen, sich mit den emotionalen Auswirkungen auf die Familien und die Öffentlichkeit zu befassen.

Das Rote Kreuz wird die Leichen an einem bestimmten Übergabepunkt von der Hamas in Gewahrsam nehmen und sie danach den Israelischen Verteidigungsstreitkräften (IDF) übergeben. Dabei wird eine vollständige militärische Zeremonie von einem Rabbiner durchgeführt, der Psalmen und das Kaddisch-Trauergebet rezitieren wird.

Anschließend werden sie zum Nationalen Zentrum für Forensische Medizin in Tel Aviv geflogen, wo Experten Untersuchungen durchführen werden, um die Identifizierung zu bestätigen und die Todesursache und den Todeszeitpunkt zu bestimmen. Der forensische Identifizierungsprozess umfasst bildgebende Scans, DNA-Probenanalysen und Vergleiche mit vorhandenen medizinischen Unterlagen, wie zum Beispiel zahnärztlichen Röntgenaufnahmen. Dieser Prozess wird voraussichtlich mehrere Stunden dauern.

Das Forum für Geiseln und vermisste Familien, das die Angehörigen vieler der Entführten vertritt, hat die Öffentlichkeit aufgefordert, keine Gerüchte zu verbreiten und die Familien in dieser Angelegenheit nicht zu kontaktieren.

Emotionale Achterbahnfahrt

Während des gesamten Kriegs hat das forensische Institut die Leichen von Geiseln erhalten, die während Militäroperationen aus dem Gazastreifen geborgen wurden. In den ersten Monaten des Konflikts betrieb die Rabbinereinheit der IDF ein spezielles Identifizierungszentrum auf der Militärbasis Shura.

Man bereite sich »auf den Kummer vor, der uns in den kommenden Tagen erwartet. Diese Zeit war eine emotionale Achterbahnfahrt«, sagte Shiri Daniels von der Organisation ERAN, die psychologische Unterstützung anbietet und Hilfe per Telefon und online anbietet. »Wir erleben Momente der Erleichterung, aber auch tiefe Trauer und Verlust. Dies ist ein langanhaltendes nationales Trauma«, fügte sie hinzu. Seit Beginn des Kriegs hat ERAN insgesamt 437.856 Anrufe bearbeitet und bereitet sich auf eine Erweiterung seiner Unterstützungsarbeit vor.

ERAN-Generaldirektor David Koren warnt vor dem emotionalen Tribut, den die nächsten Tage kosten könnte: »Wir wissen nicht, was wir noch erleben werden. Diese Situation bringt Menschen aus verschiedenen Kreisen – direkt und indirekt – dazu, psychologische Unterstützung zu suchen. Für ein Ereignis dieser Größenordnung gibt es keinen Präzedenzfall.«

Die Leiterin der Rehabilitationsabteilung der Gesundheitsabteilung des Forums für Geiseln und vermisste Familien, Einat Yahna, erklärte, dass die Freilassung von Geiseln heftige Reaktionen auslöst: »Für Familien, deren Angehörige nicht auf der Freilassungsliste stehen, für Familien der gefallenen Geiseln und sogar für diejenigen, die ihre Angehörigen bereits beerdigt haben, ist jede Entwicklung ein weiterer emotionaler Schock.«

Die lebend zurückgekehrten Geiseln brachten Lebenszeichen anderer Gefangener mit, sagt sie, »was bei den Familien, die noch auf Nachrichten warteten, sowohl Freude als auch Angst auslöste. Diese Familien leben in einem ständigen Zustand der Ungewissheit. Einerseits gaben die Lebenszeichen einen Hoffnungsschimmer, andererseits erhöhten sie die Angst. Einige Familien, deren Angehörige noch nicht für tot erklärt wurden, leben in großer Angst. Wir haben erfahren, dass selbst der Prozess des Erhalts tragischer Nachrichten [über die Geiseln] zutiefst beunruhigend und unklar ist, im Gegensatz zum Standardprotokoll des Militärs für den Umgang mit Verlusten.«

Bewältigungsmechanismen

Die psychologischen Auswirkungen können sich in körperlichen, emotionalen und kognitiven Symptomen äußern, darunter Konzentrationsschwierigkeiten, Reizbarkeit, Verwirrung, Schlafstörungen, Kopfschmerzen und Muskelverspannungen. »Es gibt nicht die eine einzige richtige Art, mit Verlust und Tod umzugehen«, sagte Daniels. »Einerseits hat die völlige Vermeidung des Themas emotionale Kosten. Andererseits ist es wichtig, sich nicht von der Trauer verzehren zu lassen.«

Experten empfehlen, mit Kindern und Jugendlichen über die Situation zu sprechen, bevor sie mit belastendem Filmmaterial konfrontiert werden. »Es ist wichtig, altersgerechte Informationen bereitzustellen«, sagte Daniels. Man solle den Kindern erklären, »dass schwierige Bilder und Berichte zu erwarten sind und dass sie sich nicht jedes Video ansehen müssen, das ihnen geschickt wird. Ermutigen Sie sie, ihre Gedanken und Gefühle auszudrücken, und vermeiden Sie abweisende Kommentare, die ihre Angst oder Trauer untergraben.«

Einat Yana stimmte dem zu und erklärte, dass die kommenden Tage unglaublich schwierig sein werden. »Wir müssen uns über den unmittelbaren Schmerz erheben und verstehen, dass dies ein notwendiger Schritt ist, um das kollektive Trauma des Geiseldramas zu überwinden. Nur Gewissheit kann helfen, von der Lähmung zur Heilung zu gelangen.«

Der Text erschien auf Englisch zuerst beim Jewish News Syndicate. (Übersetzung von Alexander Gruber.)

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