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Israel verhindert Wiederaufbau der syrischen Chemiewaffenproduktion

Berichten der Washington Post zufolge hat Israel den Wiederaufbau der syrischen Chemiewaffenproduktion verhindert
Washington-Post-Berichten zufolge verhindert Israel den Wiederaufbau der syrischen Chemiewaffenproduktion (© Imago Images / ZUMA Wire)

Es gilt, die Daumen zu drücken, dass die Luftschläge gegen Syrien ebenso erfolgreich waren wie jene gegen den irakischen Reaktor Osirak im Jahr 1981 – und dass dies auch bei möglichen Interventionen gegen das iranische Atomprogramm der Fall sein möge.

Da sich in Zeiten, in denen das Assad-Regime erneut hofiert wird und kaum noch berichtet wird von dem Elend, der Gewalt und Unterdrückung, die in Syrien herrscht, vermutlich nur wenige überhaupt noch daran erinnern (wollen), vorab ein paar Worte über die Geschichte der syrischen Giftgaseinsätze:

Das syrische Regime hatte in den Ghoutas, Vororten von Damaskus, im August 2013 zum wiederholten Male Giftgas eingesetzt, diesmal waren 1.500 Menschen auf einen Schlag zu Tode gekommen.

Kurz sah es damals so aus, als ob die USA, unterstützt von einigen Europäern, es ernst meinten mit einer von US-Präsidenten Barack Obama zuvor verkündeten „roten Linie“. Obama nämlich hatte erklärt, sollte Assad noch einmal Massenvernichtungswaffen gegen die eigene Bevölkerung einsetzen, würden die USA und Europa intervenieren.

Die militärische Strafaktion blieb allerdings aus, stattdessen handelten auf Initiative Russlands Sergej Lawrow und der damalige US-Außenminister John Kerry ein Abkommen aus, das vorsah, Syrien müsse all seine Giftgasbestände deklarieren und außer Landes bringen lassen, damit sie dort vernichtet würden.

„Das Abkommen wurde – gerade in der deutschen Presse– als enormer Erfolg der Diplomatie gefeiert, zeige es doch, dass es eben ganz friedliche Mittel der Konfliktlösung gebe.

Schon damals zweifelte, wer das Assad Regime und seine Verbündeten nicht durch eine rosa Brille sah, stark, ob die Regierung in Damaskus wirklich all ihre Bestände an Giftgas angeben und abliefern würde. Tat sie – wie sich allerspätestens im April 2017 in Khan Sheikhun herausstellte – auch nicht.

Dort wurde erneut und nachweislich Sarin verwendet – vom systematischen Einsatz von Chlorgas nach 2013, den auch die UN inzwischen bestätigt, ganz zu Schweigen. Kurzum: Syrien hat sich nicht an das Abkommen von 2013 gehalten und müsste nun eigentlich bestraft werden. Aber, wie nicht anders zu erwarten war, geschieht nichts bzw. eher das Gegenteil.“

Diese Zeilen stammen aus einem Artikel, den ich vor vier Jahren an dieser Stelle schrieb. Inzwischen ist von dem Abkommen kaum mehr die Rede, es dürfte hinlänglich bekannt sein, dass das syrische Regime sich an es so wenig gehalten hat, wie an Dutzende andere Abkommen auch.

Das gehört zu diesem Regime so dazu, wie Wahlen, bei denen Assad mit weit über 90% gewinnt; wie Foltergefängnisse und zerstörte zivile Infrastruktur.

Über Syrien hinaus

Aber die Geschichte geht über Syrien hinaus und betrifft den Nahen Osten als Ganzes, denn wie oft schon unterzeichneten Despoten und Diktatoren dort irgendwelche Abkommen, in denen es um die Abschaffung bzw. den Produktionstopp von chemischen oder atomaren Massenvernichtungswaffen ging?

Anfang der 80er Jahre etwa betrieb der Irak unter Saddam Hussein mit französischer Hilfe ein Atomprogramm, das ebenso ambitioniert war, wie jene Produktion von chemischen Kampfstoffen bei denen vor allem deutsche Firmen assistierten.

In Israel verfolgte man dieses Programm mit großer Sorge und entschied sich, getrieben auch von berechtigtem Misstrauen gegen die Mechanismen internationaler Kontrolle, zu unilateralem Handeln. Im Juni des Jahres 1981 zerstörten in der „Operation Opera“ Kampfjets der israelischen Luftwaffe den Osirak-Reaktor bei Bagdad und beendeten, wie man rückblickend weiß, damit das irakische Atomprogramm.

Leider gab es keine entsprechenden Einsätze gegen Produktionsstätten von Giftgas, tausende Menschen hätten dann ihr Leben nicht in Halabja und anderen später von der irakischen Armee mit Giftgas bombardierten kurdischen Städten verlieren müssen.

Nicht ausmalen möchte man sich auch, gerade angesichts des weiter voranschreitenden iranischen Atomprogramms, was geschehen wäre, Saddam hätte am Ende die Atombombe gehabt.

Israel schreitet ein

Vor diesem Hintergrund nun sollte man auch einen vor kurzem in der Washington Post erschienenen Artikel lesen: Die israelische Luftwaffe habe in den letzten Jahren, zuletzt am 8. Juni 2021, heißt es dort, mehrfach Angriffe auf Produktionsstätten für Giftgas in Syrien geflogen:

„Nach Angaben aktueller und ehemaliger Geheimdienst- und Sicherheitsbeamter, die mit der Angelegenheit vertraut sind, war der Angriff am 8. Juni Teil einer Kampagne, mit der die israelischen Behörden den Versuch Syriens stoppen wollten, die Produktion von tödlichen Nervenkampfstoffen wieder aufzunehmen.

Israelische Beamte ordneten den Luftschlag – wie auch einen ähnlichen Angriff ein Jahr zuvor – auf der Grundlage von Geheimdienstinformationen an.

Diese Informationen deuten darauf hin, dass die syrische Regierung chemische Vorläuferstoffe und andere Vorräte erwarb, die für den Wiederaufbau jener Chemiewaffenkapazitäten benötigt werden, die Syrien angeblich vor acht Jahren aufgegeben hatte.

Dies sagen vier derzeitige und ehemalige amerikanische und westliche Geheimdienstmitarbeiter, die zum Zeitpunkt der Angriffe Zugang zu sensiblen Informationen hatten. Sie sprachen unter der Bedingung der Anonymität, um vertrauliches Material und ihr Verständnis der israelischen Überlegungen erläutern zu können.

Die Angriffe spiegelten ernsthafte Bedenken wider, die innerhalb der israelischen Geheimdienste vor zwei Jahren aufgekommen waren, nachdem das syrische Militär erfolgreich versucht hatte, eine wichtige Chemikalie zu importieren, die zur Herstellung des tödlichen Nervengifts Sarin verwendet werden kann, so die Beamten.

Die Besorgnis wuchs, als Geheimdienstmitarbeiter Aktivitäten an mehreren Orten entdeckten, die auf einen Wiederaufbau der Chemiewaffenproduktion hindeuteten, so die Beamten.”

Kaum jemand wird ernsthaft die Qualitäten und Fähigkeiten israelischer Dienste in Frage stellen, für die es seit Jahrzehnten eine Frage von Leben und Tod ist, zu wissen, über welche Massenvernichtungswaffen welches Land in der Nachbarschaft des jüdischen Staates verfügt.

Außerdem haben sie in der Vergangenheit zur Genüge bewiesen über welch akkurates Wissen sie verfügen. Guten Gewissens also kann man jetzt davon ausgehen, dass das syrische Regime nach Unterzeichnung des Abkommens von 2013 keineswegs alle seine Chemiewaffenbestände abgeliefert hat, sondern auch seit Jahren an einem neuen Programm arbeitet.

Damit müsste eigentlich auch jedem endgültig klar sein, was Verträge wert sind, unter die Assad seine Unterschrift setzt.

Daumen drücken

Kurzum, es handelt sich um ein erneutes kolossales Versagen im langen und tristen Kapitel der Geschichte: „Die Massenvernichtungswaffen und der Nahe Osten“, das auch ein sehr trübes Licht auf die Qualität möglicher weiterer Abkommen wirft.

Insofern ist für nicht nur für die Bevölkerung Israels, sondern auch für unzählige Menschen in Syrien zu hoffen, dass die israelische Luftwaffe diese Produktionsstätten so nachhaltig zerstört hat, wie 1981 den Reaktor bei Bagdad oder im Jahre 2007 Versuchsreaktoren in Syrien, in denen Assad ein eigenes Atomprogramm vorantrieb.

Denn, wie so oft in der Vergangenheit, zeigt sich, dass die Maxime israelischer Außenpolitik, im Zweifelsfall im Alleingang potentiell tödliche Gefahren zu beseitigen, statt auf Diplomatie und Multilateralismus zu setzen, kollateral sozusagen auch für Millionen von Bewohnerinnen und Bewohnern der Nachbarländer ein oft lebensrettender Segen ist.

Leider sieht es angesichts der erneuten Verhandlungsfarce mit dem Iran so aus, als liefe es Ende auch hier auf die Frage hinaus, ob die israelische Luftwaffe in der Lage sein wird, das iranische Atomprogramm mit gezielten Angriffen um Jahre zurückzuwerfen.

Auch wenn man sich eine andere Lösung von Herzen wünschen mag, gilt es doch, den israelischen Planern eines möglichen Militärschlags auf diese Einrichtungen schon jetzt alle Daumen zu drücken, dass er so erfolgreich gelingen möge, wie die anderen Luftschläge zuvor.

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