Pipeline und Manöver: Israel und Zypern vertiefen ihre Beziehungen

Der zypriotische Verteidigungsminister Michalis Giorgallas und seine israelischer Amtskollege Yoav Galant
Der zypriotische Verteidigungsminister Michalis Giorgallas und seine israelischer Amtskollege Yoav Galant (© Imago Images / NurPhoto)

Der Plan einer gemeinsamen Pipeline zur Verbindung ihrer im Mittelmeer gelegenen Erdgasfelder bringt beiden Staaten wirtschaftliche Vorteile.

Israel und Zypern vertiefen ihre ohnehin sehr engen Beziehungen. Wie der zypriotische Energieminister George Papanastasiou am Montag vergangener Woche bekannt gab, ist eine Pipeline in Planung, welche die Erdgasfelder beider Staaten im Mittelmeer mit der Insel Zypern verbinden soll. Das neue Projekt sieht vor, das Erdgas auf Zypern zu verflüssigen und als LNG in verschiedene EU-Häfen zu verschiffen. 

Das Vorhaben ist deutlich weniger ambitioniert als die Pläne für die sogenannte Eastmed-Pipeline, die von Israel über Zypern bis nach Griechenland hätte führen sollen. Diese Idee gilt als schwer realisierbar, seitdem US-Präsident Joe Biden Anfang 2022 dafür die politische Unterstützung entzogen hatte. Zu den Hindernissen für Eastmed zählen vor allem die hohen Baukosten für die 1.900 Kilometer lange Röhre, die schon vor dem Inflationsschub des letzten Jahres auf etwa sechs Milliarden Euro geschätzt wurden. Zudem gab es starken Widerstand seitens der Türkei, die sich beschwerte, außen vor gelassen worden zu sein, und Bedenken bezüglich der Umweltverträglichkeit. 

Auf einer Pressekonferenz benutzte Papanastasiou den Begriff »virtuelle Pipeline«, um den Transport per Schiff von Zypern zum europäischen Kontinent zu beschreiben. Zwei große Energiekonzerne hätten bereits Interesse signalisiert, so der Minister, der demnächst nach Israel reisen will, um Details zu besprechen. In schon zweieinhalb Jahren könnte dann womöglich das erste Gas fließen. Der Bau der Eastmed-Pipeline hätte deutlich länger gedauert. 

Ägypten und Israel beliefern EU

Gleichwohl ist aus Sicht der Regierung in Nikosia auch bei der Eastmed-Pipeline noch nicht das letzte Wort gesprochen. Papanastasiou widersprach einer Äußerung des Vorsitzenden von Italiens staatlich kontrolliertem Energiekonzern ENI, Claudio Descalzi. Descalzi hatte gesagt, ohne Beteiligung der Türkei könne die Eastmed-Pipeline nicht entwickelt werden. Papanastasiou hingegen behauptete, es gebe »mehrere Firmen«, die bereit seien, sich auch ohne die Türkei am Bau und Betrieb der Pipeline zu beteiligen.

Der Charme, den das kleinere Projekt einer Pipeline hat, bei dem das Erdgas auf Zypern zum Weitertransport per Schiff verflüssigt wird, ist, dass es eine für sich betrachtet relativ einfach zu realisierende Lösung ist, gleichzeitig aber auch der Beginn der Eastmed-Pipeline sein könnte, sollte irgendwann doch eine politische Entscheidung dazu getroffen werden. Denn auch dieser Plan sähe eine Anbindung der Erdgasfelder im östlichen Mittelmeer an Zypern vor. 

Das neue Projekt bedeutet also nicht, die Tür für die Eastmed-Pipeline endgültig zuzuschlagen, sondern könnte im Gegenteil als Türöffner funktionieren. Wenn sich zeigt, dass die Energiepartnerschaft zwischen Israel, Zypern und der EU funktioniert, könnte anschließend, vielleicht Anfang der 2030er Jahre, auch der umstrittene Verbindungsteil zwischen Zypern und Kreta gebaut werden, an dem der türkische Präsident solchen Anstoß nimmt. Erdogan wird ja auch nicht ewig im Amt sein.

Der Transport von Erdgas durch eine Pipeline hat gegenüber der Verschiffung von verflüssigtem Erdgas den Vorteil, dass die langfristigen Betriebskosten deutlich niedriger sind. Dem stehen die hohen anfänglichen Investitionskosten der Pipeline gegenüber. 

Der Zypern-Plan wäre für Israel eine zusätzliche Option zur Verschiffung seines Erdgases. Derzeit wird israelisches Gas über das Nachbarland Ägypten exportiert. Von der israelischen Stadt Aschkelon führt eine Unterwasserpipeline zum ägyptischen Al-Arisch im Nordosten der Sinai-Halbinsel, wo es zu Ägyptens beiden Erdgasverflüssigungsanlagen Idku und Damietta weitergeleitet wird. 

Im Juni vergangenen Jahres hatten die EU, Ägypten und Israel eine politische Rahmenvereinbarung (Memorandum of Understandinggetroffen, in der sie den Willen kundtaten, »gemeinsam auf die Ermöglichung einer stabilen Lieferung von Erdgas in die EU hinzuarbeiten«. Obwohl die ägyptische Erdgasförderung im letzten Jahr zurückging, konnte das Land trotzdem – dank deutlich höherer Mengen israelischen Erdgases, die über Ägypten verschifft wurden – einen Zwölf-Jahres-Rekord beim LNG-Export erzielen.

Gemeinsames Militärmanöver 

Auch auf militärischem Gebiet arbeiten Israel und Zypern weiterhin eng zusammen. Wie israelische und zypriotische Medien berichteten, nahmen Soldaten beider Länder zwischen dem 7. und 11. Mai an einem gemeinsamen Manöver auf Zypern teil. Zu den Zielen gehörten laut der zypriotischen Nationalgarde die »Verbesserung der Interoperabilität« sowie die »Stärkung der Kampf- und Abschreckungsfähigkeiten der Streitkräfte«. Es fanden Übungen unter Beteiligung mehrerer Waffengattungen statt, darunter Spezial- und Luftlandeoperationen, urbane Kriegsführung, Gebirgskriegsführung und Panzerabwehr.

Kurz darauf lief zum wiederholten Mal ein Schiff der US Navy, der Lenkwaffenzerstörer USS Arleigh Burke, Zypern an. Im April war das amerikanische Atom-U-Boot USS San Juan im zypriotischen Hafen Limassol eingelaufen, wogegen die Türkei in beiden Fällen protestierte.

Die türkische Regierung beansprucht fast das gesamte Seegebiet um die Insel Zypern entweder für sich selbst oder die – international nicht anerkannte – Türkische Republik Nordzypern (TRNC). Immer wieder dringen türkische Forschungsschiffe in die ausschließliche Wirtschaftszone Zyperns ein. Im September 2022, sechs Monate nach dem russischen Einmarsch in die Ukraine, schlug Erdogan eine Flugverbindung von Russland zur TRNC vor, um russische Touristen dorthin zu bringen. »Gäbe es Direktflüge von Russland in die Türkische Republik Nordzypern, würden wir uns natürlich freuen«, so Erdogan.

Bleiben Sie informiert!
Mit unserem wöchentlichen Newsletter erhalten Sie alle aktuellen Analysen und Kommentare unserer Experten und Autoren sowie ein Editorial des Herausgebers.

Zeigen Sie bitte Ihre Wertschätzung. Spenden Sie jetzt mit Bank oder Kreditkarte oder direkt über Ihren PayPal Account. 

Mehr zu den Themen

Das könnte Sie auch interessieren

Wir sprechen Tachles!

Abonnieren Sie unseren Newsletter und erhalten Sie einen unabhängigen Blickzu den Geschehnissen im Nahen Osten.
Bonus: Wöchentliches Editorial unseres Herausgebers!

Nur einmal wöchentlich. Versprochen!