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Warum Israel seine Strategie gegenüber Katar überdenken muss

Katarische Hauptstadt Doha: Israel muss seine Strategie dem Emirat gegenüber überdenken
Katarische Hauptstadt Doha: Israel muss seine Strategie dem Emirat gegenüber überdenken (Quelle: JNS)

Israels Politik und Sicherheitsbehörden müssen eine strategische Überprüfung in Bezug auf Katar vornehmen und die Gefahren von Beziehungen zu Doha gegen etwaige Vorteile abwägen.

Udi Levi

Israels aktueller Krieg im Gazastreifen hat das Emirat Katar ins Rampenlicht gerückt. Zwei Jahrzehnte lang hat Doha die Krisen im Nahen Osten genutzt, um sich als Vermittler und Problemlöser international Anerkennung zu verschaffen. Dieses Mal jedoch hat der Konflikt seinem Image weltweit geschadet.

Über mehr als zwanzig Jahre hinweg hat Katar eine Art »Zangen-Doktrin« formuliert: Ein Arm streckt der westlichen Welt eine einladende Umarmung entgegen, der andere arbeitet daran, den Westen zu untergraben. Der freundliche Arm stützt sich auf Diplomatie, riesige Geldsummen, strategische Akquisitionen, Vermittlung bei Geiselbefreiungen und Krisenlösungen, Bestechung von Politikern und den Einsatz von PR-Firmen, die im Sinne Katars arbeiten. Der zerstörerische Arm umfasst den Sender Al Jazeera und ein globales Propagandanetzwerk, das Einfluss an den Universitäten gewinnt sowie die Förderung des radikalen Islams durch die Lehren der Muslimbruderschaft, die Finanzierung von Terror und die Anstiftung zu Revolutionen in der islamischen Welt.

Diese Doktrin hat sich als erfolgreiche Strategie erwiesen, die den Sicherheitsbedürfnissen des Emirats gerecht wird und einen ansonsten winzigen Punkt auf dem Globus zu einem wichtigen Einflussfaktor auf die Weltmeinung macht.

Doch nun wird diese Doktrin durch den Krieg bedroht, der ihren zerstörerischen Arm so deutlich sichtbar gemacht hat, dass Katar selbst in Gefahr ist. Doha hat nicht das geliefert, was von ihm erwartet wurde: die rasche Rückkehr aller israelischen Geiseln und ein Ende der Kämpfe im Gazastreifen. Die Hamas, das »ungezogene Kind« Dohas, widersetzte sich den Anweisungen Katars und weigerte sich, die vom Emirat auferlegten Regeln zu befolgen. Nun steht Doha vor einem echten Dilemma.

Stütze der Hamas

Katar stand im Mai 2017 schon einmal an einem ähnlichen Scheideweg, als Saudi-Arabien, die Vereinigten Arabischen Emirate, Bahrain und Ägypten einen Wirtschaftsboykott gegen das Land verhängten und sogar mit militärischen Maßnahmen drohten. Zu den genannten Gründen gehörten damals schon Terrorismusfinanzierung, Anstiftung radikaler islamistischer Gruppen und Dohas Beziehungen zum Iran.

Diese Bedenken hielten die israelische Regierung nur ein Jahr später nicht davon ab, eine umstrittene Entscheidung ohne jegliche diplomatische Logik zu treffen, die es den Katarern erlaubte, Koffer voller Bargeld in den Gazastreifen zu bringen. Damit legitimierte Jerusalem Doha und untergrub den Boykott durch die Golfstaaten – ein Boykott, der von einem gemeinsamen Interesse mit Israel an der Eindämmung des Terrors und des Irans angetrieben wurde.

Die fadenscheinige Begründung lautete damals, nachdem die Palästinensische Autonomiebehörde (PA) ihre Finanzmittel eingestellt habe, würde Katar einspringen, um Ruhe seitens der Hamas zu erkaufen und die Autonomiebehörde zu entlasten, damit sie die eingesparten Gelder zur Stärkung ihrer Macht in den von ihr kontrollierten Gebieten einsetzen könne.

Während des Kriegs im Gazastreifen beschlagnahmte Dokumente belegen, wie sehr die Hamas von der Krise im Jahr 2017 beunruhigt war. Ihre größte Sorge war, dass die USA Katar dazu zwingen würden, die Beziehungen zu ihr abzubrechen. Wäre dies geschehen, wäre die Hamas vom Propagandanetzwerk in Doha abgeschnitten worden, das die Gruppe als wesentlichen Mechanismus für die Umsetzung ihrer Agenda im Besonderen sowie jener der Muslimbruderschaft – deren palästinensischer Ableger sie ist – und des radikalen Islams im Allgemeinen ansieht.

Natürlich wäre die Hamas in so einem Fall auch nicht mehr in der Lage gewesen, von der katarischen Geldquelle zu zehren; ein Ausdruck, den der Emir von Katar, Tamim bin Hamad Al Thani, selbst bei einem Treffen mit Ismail Haniyeh, dem Vorsitzenden des politischen Büros der Hamas, der letztes Jahr von Israel getötet wurde, geprägt hat und an dessen Begräbnis der Emir höchstpersönlich teilnahm.

Katar erwies sich jedoch als bemerkenswert widerstandsfähig, weigerte sich, dem Druck nachzugeben und ergriff sogar neue Schutzmaßnahmen gegen künftige Bedrohungen. Auf der einen Seite verstärkte es sein Bündnis mit dem Iran und der Türkei. Auf der anderen distanzierte sich Doha nicht von der Hamas, sondern intensivierte sogar die Zusammenarbeit, da es der Ansicht war, die Unterstützung der Hamas diene den eigenen regionalen und internationalen Interessen.

Die beschlagnahmten Dokumente, deren Wahrheitsgehalt durch Verhöre des Shin Bet bestätigt wurden, bestätigen zweifelsfrei, dass Katar eine zentrale Stütze der Hamas war. Doha war eine wichtige finanzielle Stütze nicht nur für den Wiederaufbau des Gazastreifens, sondern auch für die Bewegung als Ganzes einschließlich ihres militärischen Arms. Katar finanzierte die Spezialeinheiten der Hamas und deren Ausbildung im Libanon und wurde von der Gruppe als zentral für die Förderung ihrer Interessen angesehen. Gleichzeitig gerierte es sich als angeblicher Vermittler und förderte die Agenda der Hamas weltweit.

Ambitioniertes Programm

Katar hat auch mit schiitischen Elementen zusammengearbeitet. Das Emirat finanziert die Huthi im Jemen und die Hisbollah im Libanon, einschließlich des Kaufs von Drohnen und Gleitern, ebenso wie der schiitische Iran die Hamas und andere sunnitische Gruppen unterstützt, darunter die Mudschaheddin-Organisation im Gazastreifen, welche die Familie Bibas ermordet hat.

Trotz der Rückschläge, die Katar durch den Krieg Israels mit der Hamas erlitten hat, ist die Führung des Landes nicht verzweifelt. Stattdessen hat sie sich für die kommenden Jahre der Gestaltung des Nahen Ostens und ihres eigenen Images auf der globalen Bühne verschrieben. Es scheint, dass keine Entwicklung sie von den strategischen Zielen abbringen wird, die sie sich gesetzt hat. Bereits jetzt macht sie in mehreren Bereichen Fortschritte:

  • Katar verstärkt seinen Einfluss auf die US-Regierung und nutzt dabei seine langjährigen Beziehungen zu Schlüsselfiguren wie Steve Witkoff, Jared Kushner, dem designierten US-Botschafter in Israel Mike Huckabee und zahlreichen Personen in der Republikanischen Partei. Katar investierte außerdem in den Pro-Trump-Kabelnachrichtensender Newsmax.
  • Ein ähnlicher Apparat ist in Europa am Werk, wo Katar seit Jahren seinen enormen Reichtum strategisch einsetzt, um sein Ansehen durch weltweit tätig Bildungs-, Gesundheits- und humanitäre Organisationen zu stärken, und in die Doha Milliarden von Dollar investiert. Dabei kooperiert das Land mit UN-Institutionen wie dem Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen (UNICEF) und dem Hilfswerk der Vereinten Nationen für Palästinaflüchtlinge im Nahen Osten (UNRWA). Diese Organisationen dienen als Kanäle, über die das Emirat Hunderte Millionen Dollar an die Vereinten Nationen weitergeleitet hat.  
    Im Gegenzug haben die Mutter des derzeitigen Emirs, Musa bin Nasser al-Missned, und ihr ölreiches Emirat in den UN-Korridoren und unter westlichen Staatsoberhäuptern Auszeichnungen erhalten. Weitere Millionen wurden über die Stiftungen von Sheicha Musa an renommierte Universitäten in den USA und anderswo im Westen geleitet, wodurch Katar erheblichen Einfluss auf diese Institutionen erlangte.
  • Katar hat die Amerikaner dazu gedrängt, unter Umgehung Israels mit der Hamas zu verhandeln. Dies läuft in der Praxis auf eine Anerkennung der Hamas durch die USA hinaus – ein Ziel, das sowohl die Hamas als auch Katar seit Jahren verfolgen. In einem auffälligen Schritt traf sich US-Unterhändler Adam Boehler persönlich mit der Hamas-Führung. Dies sollte nicht überraschen: In einem von Israel beschlagnahmten Dokument wird erwähnt, dass es vor mehr als einem Jahrzehnt die Amerikaner waren, die Katar dazu drängten, seine Türen für die Hamas-Führer zu öffnen.
  • Katar wird wahrscheinlich in jedem Szenario für den Wiederaufbau des Gazastreifens eine Rolle spielen. Doha betrachtet diesen Wiederaufbau als strategische Notwendigkeit und ist daher hinter den Kulissen stark in die Koordination mit den USA eingebunden.
  • Es ist davon auszugehen, dass Katar auch in Syrien eine wichtige Rolle spielen wird, möglicherweise in Zusammenarbeit mit seinem Verbündeten Türkei und vielleicht sogar mit dem Iran, um gemeinsame Interessen bei der Kontrolle Syriens zu definieren. Eine erhebliche Beteiligung Katars am Wiederaufbau Syriens an der Seite der Türkei ist durchaus plausibel. Katars Präsenz sowohl im Gazastreifen als auch in Syrien ist für Israel kein gutes Zeichen.
  • Katar wird auch weiterhin bei Vermittlungsbemühungen in anderen Ländern aktiv sein. Vor Kurzem half das Scheichtum bei der Befreiung einer amerikanischen Geisel in Afghanistan und nahm an Gesprächen zwischen dem Kongo und Ruanda teil.

Auf den Prüfstand

Irgendwann könnte Katar den Amerikanern und ihren Verbündeten seine Unterstützung bei den Verhandlungen zwischen den USA und dem Iran über Teherans Atomprogramm anbieten – eine weitere Gelegenheit, sich auf der Weltbühne zu profilieren. Katar hat bereits eine Kampagne gestartet, in der es fordert, dass Israel seine Nuklearanlagen unter internationale Aufsicht stellt.

Dennoch sind die Katarer US-Präsident Trump gegenüber misstrauisch. Den beschlagnahmten Hamas-Dokumenten zufolge glaubten sie bereits 2017, Trump könnte das Emirat zwingen, die Beziehungen zu Israel zu normalisieren – ein Schritt, der der Hamas einen schweren Schlag versetzen würde. Folglich werden die Katarer alles tun, um eine Entfremdung vom amerikanischen Präsidenten zu vermeiden und jede erdenkliche Taktik anwenden, um ihn eng an sich zu binden.

Angesichts des enormen Reichtums Katars und seiner Rolle als Vermittler ist es unrealistisch zu erwarten, dass die Weltgemeinschaft das Land gänzlich fallen lässt. Gleichzeitig könnte Doha durchaus sensible Dokumente und Informationen über Staats- und Regierungschefs, die Bestechungsgelder erhalten haben, durchsickern lassen, sollte versucht werden, das Image Katars zu schädigen.

Es ist nicht weit hergeholt, dass Katar hinter den Papieren steckt, die zu Beginn des Kriegs gegen Netanjahu veröffentlicht wurden, und möglicherweise auch an den unter dem Slogan »Katargate« bekannt gewordenen jüngsten Enthüllungen über seine Berater beteiligt ist. In der Zwischenzeit kann man davon ausgehen, dass Katar seine terrorbezogenen Aktivitäten gemäß der Doktrin der Muslimbruderschaft zurückfahren wird, bis die weltweite Empörung über sein Vorgehen abgeklungen ist.

Was die »Katargate«-Affäre betrifft, die in Israel derzeit für Schlagzeilen sorgt, ist der Ausgang noch unklar. Aus der Sicht von Doha wird man versuchen, weiterhin einflussreiche israelische Politiker und Geschäftsleute anzuwerben und, wenn möglich, sogar Vermögenswerte in Israel übernehmen. Andererseits ist noch unklar, wohin die Ermittlungen des Inlandsgeheimdienstes Shin Bet führen werden. Eine grundlegende Untersuchung des katarischen Einflusses in Israel ist jedoch überfällig.

Die Förderung der Abraham-Abkommen, die Normalisierung der Beziehungen zu Saudi-Arabien, die Rettung der Geiseln und die Zerschlagung der Hamas hängen alle von einem übergeordneten Ziel ab: Katar aus der Gleichung des Einflusses im Nahen Osten und weltweit zu entfernen. US-Präsident Trump ist die einzige Person, die Doha auf eine Art und Weise unter Druck setzen könnte, welche die regionale Dynamik dramatisch verändern und die wachsende Gefahr eindämmt, die der radikale Islam der Muslimbruderschaft für die westlichen Interessen darstellt.

Vorerst bleibt Doha für die Geiselverhandlungen von zentraler Bedeutung, sodass Israel geduldig abwarten muss, bevor es irgendwelche Grundsatzentscheidungen trifft. Dennoch wäre es für die politischen Entscheidungsträger und Sicherheitsbehörden des Landes ratsam, die bisher vermiedene ernsthafte strategische Überprüfung vorzunehmen und die Auswirkungen der Beziehungen zu Katar sowie die damit verbundenen Sicherheitsrisiken gegen etwaige Gewinne abzuwägen.

Aus Sicht der Hamas ist Katar ein strategischer Vorteil; für Katar ist die Hamas ebenfalls von wesentlicher Bedeutung. Diejenigen, welche die Zerschlagung und Auflösung der Hamas fordern, sollten sich der Rolle Katars bewusst sein und entsprechend handeln – und zwar unverzüglich.

Ehud (Udi) Levi war mehr als dreißig Jahre lang in verschiedenen Positionen im Nachrichtendienst der Israelischen Verteidigungsstreitkräfte (IDF), in der Zivilverwaltung im Westjordanland, im Nationalen Sicherheitsrat und im Büro des israelischen Premierministers tätig. (Der Text erschien auf Englisch zuerst beim Jewish News Syndicate. Übersetzung von Alexander Gruber.)

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