Israelische Präsenz am Philadelphi-Korridor zwischen dem Gazastreifen und Ägypten ist unerlässlich, um Schmuggel zu unterbinden und eine neue Realität zu schaffen.
Yossi Kuperwasser
Die israelische Militärpräsenz entlang des Philadelphi-Korridors zwischen dem Gazastreifen und Ägypten ist unabdingbar, um sicherzustellen, dass die Hamas und die anderen Terrororganisationen bei ihren Bemühungen, das riesige Terrorimperium, das sie im Gazastreifen geschaffen haben, wieder aufzubauen und neu auszurüsten, auf erhebliche Schwierigkeiten stoßen.
Die Schließung der Grenze wird sie daran hindern, Waffen und andere Mittel der Kriegsführung, Personal und sogar Fahrzeuge sowie Geldmittel in den Gazastreifen zu schmuggeln. Bisher haben die Hamas und der Islamische Dschihad das über das riesige Tunnelnetz bewerkstelligen können, das sie unterhalb des Korridors am Grenzübergang Rafah selbst und über andere Routen gebaut haben.
Nachdem Israel zahlreiche Tunnel identifiziert und neutralisiert hat, muss es entlang des Korridors eine unterirdische Sperre errichten, ähnlich jener, die es entlang der Grenze zwischen Gaza und Israel errichtet hatte. Die israelischen Streitkräfte müssen entlang des Korridors postiert werden, um sicherzustellen, dass die unterirdische Sperre, die oberirdische Mauer, die Überwachung des Grenzübergangs Rafah und die anderen Elemente des Systems zur Verhinderung des Schmuggels funktionieren, sodass jeder Infiltrationsversuch sofort vereitelt werden kann.
Es liegt auf der Hand, dass die Terrororganisationen im Gazastreifen an dem Tag, an dem die Kämpfe aufhören, gigantische Anstrengungen unternehmen werden, um Waffen in den Küstenstreifen zu schmuggeln, und je mehr die israelische Präsenz entlang ihrer Lebensader schrumpft, umso leichter wird es für sie. Die Chancen, dass ägyptische, arabisch oder internationale Streitkräfte oder Sicherheitskräfte der Palästinensischen Autonomiebehörde dieser Herausforderung wirksam begegnen können, sind verschwindend gering. Diese Idee wurde bereits in der Vergangenheit ausprobiert und ist kläglich gescheitert. Es gibt keinen Grund zu der Annahme, dass es beim nächsten Mal anders sein wird.
Bereits einmal versucht
Vor dem Rückzug aus dem Gazastreifen im Jahr 2005 argumentierte der damalige israelische Premierminister Ariel Sharon, die Welt würde anerkennen, dass Israel nicht mehr die Besatzungsmacht im Gazastreifen ist, sobald es den Philadelphi-Korridor verlässt. Er wurde davor gewarnt, dass dies nicht nur nicht der Fall sein würde, sondern die Räumung des Philadelphi-Korridors die Überflutung des Gazastreifens mit enormen Mengen an Waffen ermöglichen würde. Aber Sharon bestand darauf – und die düsteren Prognosen bewahrheiteten sich, als ein palästinensischer Mob die Mauer niederriss und beträchtliche Mengen an Waffen nach Rafah strömten, ohne dass die ägyptischen Soldaten einen Finger rührten.
Bedeutete das, die IDF hätten erneut die Kontrolle über den Korridor übernehmen müssen? Israel hätte das tun können, aber es hat sich nicht von dort zurückgezogen, um sogleich wieder zurückzukehren. Stattdessen schickte Sharon eine hochrangige Militärdelegation, um sich bei den Ägyptern zu beschweren. Die Beschwerde wurde ordnungsgemäß aufgenommen – und der Schmuggel ging weiter, ja, verstärkte sich.
Das Sicherheitsestablishment behauptet, dass, wenn Israel den Philadelphi-Korridor verlässt und der Schmuggel wieder aufgenommen wird, die IDF zurückkehren und die Kontrolle über den Korridor zurückerobern könnten.
Militärisch gesehen hätte Israel dies auch 2005 und 2008 tun können, hat es aber unterlassen, und auch dieses Mal wird es dafür Gründe geben. Die Vereinigten Staaten werden versprechen, Ägypten unter Druck zu setzen und warnen, ein solches militärisches Vorgehen Israels könnte der Zivilbevölkerung schweren Schaden zufügen und zu einem regionalen Krieg führen. Die Ägypter werden Beweise für den Schmuggel verlangen und vor einer Beeinträchtigung der israelisch-ägyptischen Beziehungen warnen. Und der Iran wird über seine Stellvertreter mit einer harten Reaktion drohen. Es ist auch zweifelhaft, ob Israel in der Lage wäre, den Schmuggel aufzudecken. Die Bilanz des israelischen Geheimdienstes ist in dieser Hinsicht nicht gerade Eindruck erweckend.
Boots on the ground
In Anbetracht all dessen gibt es keinen Ersatz für eine physische israelische Präsenz entlang des Korridors, um den Schmuggel zu unterbinden. Eine solche Präsenz ist aber auch aus weiteren strategischen Gründen unerlässlich.
Erstens muss eine neue Realität in Gaza für den »Tag nach dem Krieg« geschaffen werden. Soll die gesamte militärische Kontrolle, die zur Bekämpfung des Terrors erforderlich ist, in Israels Händen liegen, muss es die Kontrolle über alle Grenzen des Gazastreifens einschließlich des Philadelphi-Korridors behalten. Jede andere Regelung würde es den IDF nahezu verunmöglichen, das Aufkommen von Terrorbedrohungen aus dem Gazastreifen zu verhindern. Letztendlich würde Israel zur Realität vor dem 7. Oktober 2023 zurückkehren.
Zweitens verhindert nur eine dauerhafte israelische Kontrolle des Korridors, die Rückeroberung durch die Hamas über den strategisch wichtigen Streifen. Die vorzunehmenden physischen Veränderungen vor Ort im Vergleich zur Situation vor dem gegenwärtigen Krieg werden der Hamas, den anderen Mitgliedern der iranischen Achse und den Palästinensern im Allgemeinen die Botschaft vermitteln, dass der Terroranschlag vom 7. Oktober ein strategischer Fehler war, der die Verwirklichung ihrer Ziele, vor allem die Beseitigung Israels, erheblich beeinträchtigt hat.
Die Präsenz der israelischen Armee entlang des Korridors wird die Palästinenser zu einem Prozess der Gewissensprüfung zwingen und den Iranern und der Hisbollah deutlich machen, dass jeder, der einen Krieg gegen Israel beginnt, einen strategischen Preis dafür zu zahlen hat.
Bei all diesen gewichtigen Überlegungen steht die dringende Notwendigkeit der Befreiung der Geiseln im Vordergrund, die schrecklich leiden und deren Leben gefährdet ist. Die Hamas ist der Ansicht, dass sie gerade vor dem Hintergrund des hier Gesagten auf ihren Forderungen in Bezug auf den Philadelphi-Korridor bestehen muss, um behaupten zu können, dass der Terrorangriff ein kluger und gerechtfertigter Schritt war, der sich unter strategischen Gesichtspunkten bewährt hat. Der Streit in dieser Frage bezieht sich also sowohl auf die Verhinderung des Schmuggels als auch den größeren Zusammenhang. (…)
Die internationalen Vermittler versuchen, eine Vereinbarung zu finden, die es beiden Seiten ermöglicht, ihre Ziele als erreicht zu bezeichnen und die auch die Interessen Ägyptens, der USA und Katars selbst wahren würde, vor allem die Verhinderung einer regionalen Eskalation und die Beendigung des Leidens der Bevölkerung im Gazastreifen. Bislang ohne Erfolg, auch wenn es einige langsame Fortschritte in dieser Richtung zu geben scheint.
Der beste Weg zu einer Lösung scheint nach wie vor darin zu bestehen, den militärischen Druck auf die Hamas zu erhöhen und gleichzeitig deutlich zu machen, dass die Terrororganisation für ihre fortgesetzte Verweigerungshaltung einen hohen Preis zu zahlen hat.
(Der Artikel ist zuerst vom Jerusalem Center for Public Affairs und anschließend vom Jewish News Syndicate veröffentlicht worden. Übersetzung von Florian Markl. Yossi Kuperwasser war Generaldirektor des israelischen Ministeriums für strategische Angelegenheiten und Leiter der Forschungsabteilung des militärischen Geheimdienstes der IDF.)