Israel: Vorbereitung auf in der Gefangenschaft geschwängerte Geiseln

Veranstaltung zur Befreiung der Hamas-Gefangenen auf dem Tel Aviver »Platz der Geiseln«
Veranstaltung zur Befreiung der Hamas-Gefangenen auf dem Tel Aviver »Platz der Geiseln« (Quelle: JNS)

Eine neue Studie soll medizinischen Teams bei der Bewältigung der Folgen von sexuellen Übergriffen auf Geiseln helfen.

Maytal Yasur Beit-Or

Das israelische Gesundheitssystem bereitet sich auf jene Frauen vor, die durch sexuelle Übergriffe während ihrer Gefangenschaft geschwängert wurden. So wurde in der Juni-Ausgabe der Zeitschrift HaRefuah des israelischen Ärzteverbands ein Artikel veröffentlicht, der die medizinischen Teams im Umgang mit dieser »sensiblen, schwierig zu erfassenden, aber unausweichlichen Angelegenheit« anleitet.

Der Beitrag von der ehemaligen Leiterin der Psychologieabteilung der Luftwaffe und derzeitigen Dekanin der School of Social Work des Sapir College, Leah Shelef, und dem Direktor des Geha Mental Health Center, Gil Zalsman, soll das Pflegepersonal auf jede Situation vorbereiten, die denkbar ist. Dazu zählen Fälle, in denen emotionale oder religiöse Faktoren einen Schwangerschaftsabbruch verhindern könnten, oder solche, in denen die Frauen Beratung benötigen, um zu einer Entscheidung zu kommen.

Die Forscher betonen, dass die Studie vorbereitend ist und nicht durch konkrete Informationen über Schwangerschaften in Gefangenschaft ausgelöst wurde. Ihr Ziel ist es vielmehr, die Auswirkungen im Voraus zu verstehen.

Sexuelle Gewalt an Entführten ist zurzeit ein gewichtiges Thema in der öffentlichen Diskussion in Israel, insbesondere nach der mutigen Aussage der freigelassenen Geisel Amit Soussana, die von sexuellen Übergriffen berichtete, sowie nach den Berichten von Aviva Segal und Agam Goldstein-Almog und einem UN-Bericht zu diesem Thema.

PTBS und Dissoziation

Die wenigen verfügbaren Forschungsergebnisse, die sich auf jesidische Frauen konzentrieren, die vom Islamischen Staat in Syrien und im Irak sexuell missbraucht wurden, sowie auf Vergewaltigungsopfer aus Konflikten in Jugoslawien, Ruanda und der Ukraine, weisen auf psychologische Probleme hin, mit denen diejenigen konfrontiert sind, die nach Übergriffen in der Gefangenschaft schwanger wurden. Dazu gehören eine hohe Prävalenz von posttraumatischen Belastungsstörungen (PTBS), Angstzuständen, Depressionen, Suizidalität, schwerer Dissoziation (Abspaltung), Störungen des Körperbildes und sexueller Dysfunktion. Auch Verhaltensfolgen wie Alkohol- und Drogenmissbrauch wurden festgestellt.

Das Risiko, nach einem solchen Übergriff eine PTBS zu entwickeln, ist 6,2 Mal höher als bei Frauen, die nicht Opfer eines Verbrechens wurden. Kommen zu dem Übergriff noch andere Traumata wie körperliche Angriffe oder Folter hinzu, steigt die Häufigkeit von Depressionen, Angstzuständen und Störungen des Körperbildes weiter an.

Eine deutsche Studie mit 296 jesidischen Überlebenden ergab, dass 67 Prozent unter Körperbildstörungen, 53 Prozent unter Depressionen, 39 Prozent unter Angstzuständen und 28 Prozent unter Dissoziation litten. Die Prävalenz der PTBS lag zwischen 39 Prozent und 57 Prozent, abhängig von der Anzahl der erlittenen Übergriffe. Frauen mit höherem Bildungsstand und ohne vorherige psychische Probleme zeigten eine bessere posttraumatische Erholung, die durch eine angemessene und sensible Behandlung unterstützt wurde. Die geschätzte Schwangerschaftsrate nach einer Vergewaltigung liegt bei etwa fünf Prozent, obwohl die tatsächliche Zahl höher sein könnte.

Die Studie über die Bewältigungsmechanismen der jesidischen Frauen unterstreicht, dass sich die Betreuungspersonen auf alle Eventualitäten vorbereiten und einfühlsam und vorurteilsfrei reagieren müssen. Sie weist auch darauf hin, dass Spätabtreibungen (nach 24 Wochen) traumatisch sein können.

Shelef und Zaltzman erklären diesbezüglich, es sei wichtig, »die Entscheidung des Opfers ohne Bevormundung oder Vorurteile zu respektieren. Der Übergang vom völligen Mangel an Autonomie während der Gefangenschaft zur Freiheit, über die Schwangerschaft entscheiden zu können, kann jedoch verwirrend sein und eine Beratung durch das medizinische Team erforderlich machen, wenn die Überlebende mit der Entscheidung hadert.«

Der Text erschien auf Englisch zuerst beim Jewish News Syndicate. (Übersetzung von Alexander Gruber.)

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