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Israel: Die neue Regierung steht fest – und bringt zwei große Neuerungen

Israels neue Einwanderungministerin Pnina Tamano-Shata und die Ministerin für die Diaspora Omer Yankelevich
Israels neue Einwanderungministerin Pnina Tamano-Shata und die Ministerin für die Diaspora Omer Yankelevich (Yesh Atid / CC BY-SA 3.0, צילום:נעם דאהן / CC BY-SA 4.0)

Das erste äthiopischstämmige Kabinettsmitglied und die erste haredische (im Deutschen meist mit ultraorthodox übersetzt) Frau als Ministerin: Wenn am Sonntag das neue israelische Regierungskabinett vereidigt wird, werden zwei gesellschaftliche Gruppen vertreten sein, die bislang noch nicht in Israels Regierung aktiv waren.

Die gebürtige Äthiopierin Pnina Tamano-Shata, die zur Partei „Blau und Weiß“ von Benny Gantz gehört, ist als Einwanderungsministerin vorgeschlagen. Bei den Parlamentswahlen im Januar 2013 wurde sie erstmals in die Knesset gewählt, damals noch für die linksliberale Partei Yesh Atid. Ihre Wahl war damals durchaus überraschend, da sie auf Listenplatz 14 stand und die Partei laut Umfragen nur mit 13 Sitzen hatte rechnen können (am Ende wurden es 19). Diesmal stand sie auf Platz 23 der Liste „Blau und Weiß“, die insgesamt 33 Sitze erhielt.

Von der „Operation Moses“ zur Ministerin

Der 39-Jährige kam im Alter von drei Jahren im Rahmen der sogenannten „Operation Moses“ nach Israel. Die israelische Regierung hatte damals entschieden, die äthiopischen Juden, die seit 2.500 Jahren im Exil waren, aus dem unter Diktatur, Bürgerkrieg und Hunger leidenden Land nach Israel zu holen.

Weil Äthiopiens Regierung das nicht erlaubte, liefen Tausende äthiopische Juden zu Fuß durch die Wüste in den Sudan, wo sie in einer geheimen Mission von israelischen Flugzeugen abgeholt wurden (ein Teil der Geschichte – aus dem Blickwinkel daran beteiligter israelischer Geheimagenten – ist in dem Netflix-Spielfilm The Red Sea Diving Resort dramatisiert).

Pnina, ihre fünf Brüder und ihr Vater gehörten zu fast 7.000 äthiopischen Juden, die zwischen November 1984 und Januar 1985 von Israels Regierung aus dem Land geflogen wurden. Ihre Mutter folgte einige Jahre später. Über ihre Ernennung zur Ministerin sagt sie:

„Für mich ist dies ein Meilenstein und das Schließen eines Kreises. Von diesem dreijährigen Mädchen, das ohne Mutter auf einer Reise durch die Wüste nach Israel eingewandert ist, über das Aufwachsen in Israel und die Kämpfe, die ich geführt habe und die ich immer noch führe für die Gemeinschaft, für Integration, Akzeptanz des Anderen und gegen Diskriminierung und Rassismus – bis zu meiner öffentlichen Mission innerhalb und außerhalb der Mauern der Knesset und heute bis zum Amt der Ministerin für Aliyah und Integration.“

Auf dieses Amt sei sie „stolz“, sagte sie, und fügte hinzu:

„Aliyah ist die Seele und das schlagende Herz des Staates Israel. Ich werde fleißig daran arbeiten, die Einwanderung aus allen Ländern der Welt zu fördern und die Reform des Einwanderungsabsorptionsprozesses in Israel voranzutreiben.“

Die 41-jährige Juristin Omer Yankelevich, die Ministerin für die Diaspora werden soll, wird damit die erste Haredi-Frau in einem israelischen Kabinett. Sie ist in Tel Aviv geboren, hat aber einen kosmopolitischen Hintergrund. „Frau Yankelevichs Erfahrung mit der jüdischen Diaspora stammt aus ihrem Studium in Großbritannien und ihrem russischen Hintergrund“, schreibt der Londoner Jewish Chronicle.

Eine Haredi-Frau in einer nicht religiösen Partei

Ihre Mutter stammt aus Lettland, ihr Vater aus Litauen – beide sind Berichten zufolge säkular. Yankelevich nahm aus eigener Initiative als Jugendliche die Lebensweise und Weltanschauung der Haredim an und lehrte Anfang der 1990er Jahre im Alter von 16 Jahren als Freiwillige Hebräisch und Judaismus in Moskau und der Ukraine.

Die Jerusalem Post schrieb nach ihrem Einzug ins Parlament im April 2019:

„Die frischgebackene Abgeordnete ist Anwältin und Gesellschaftsaktivistin, die in den Haredi-Schulsystemen sowohl in Gateshead in Großbritannien als auch in Bnei Brak ausgebildet wurde. Sie erhielt einen Bachelor (BA) in Lehre von der Cambridge University, einen weiteren BA in Recht vom Ono College (in Kiryat Ono, Israel; S.F.) und einen Master in Recht von der Bar Ilan University (bei Tel Aviv; S.F.)“

2019 trat Yankelevich der Partei „Widerstandskraft für Israel“ des ehemaligen Generalstabschefs der israelischen Streitkräfte, Benny Gantz, bei, die später Teil von „Blau und Weiß“ wurde. Sie wurde zuerst im April 2019, dann im September 2019 und erneut im März 2020 auf der Liste von „Blau und Weiß“ in die Knesset gewählt und war erst die zweite Haredi-Frau, die je in die Knesset gewählt wurde.

Auf den Listen der beiden Parteien, die für sich in Anspruch nehmen, die Vertretung des Haredi-Judentums zu sein – die Shas-Partei und die Partei „Vereinigtes Torah-Judentum“ (UJT) – gibt es keine Frauen.

„Obwohl UTJ und Shas keiner Frau erlaubt haben, als Kandidatin auf ihren Wahllisten zu stehen, kritisierten sie Yankelevich dennoch dafür, einer nichtreligiösen Partei beigetreten zu sein“, schrieb die Jerusalem Post. Yitzhak Pindrus, bis September 2019 Knessetabgeordneter der UTJ, habe sie als „Dekoration“ und „irrelevant” bezeichnet, andere Parteifunktionäre hätten sie Berichten zufolge ein „Feigenblatt” genannt und über sie gesagt, sie stehe „am Rande der Haredi-Gemeinschaft”.

Yankelevich ist Mitbegründerin der Just Begun Foundation, die sich für die Integration randständiger und marginalisierter Bevölkerungsgruppen vor allem aus dem Haredi-Sektor einsetzt. Zu den Initiativen der Gruppe gehören die Eröffnung einer Kunstgalerie, in der Haredi-Künstler auf einem Flohmarkt in Tel Aviv ihre Kunstwerke ausstellen, sowie Projekte im Bereich der bildenden und der darstellenden Künste.

Ein anderes Projekt von ihr ist die „Alma“-Initiative zur Unterstützung von Haredi-Frauen in wirtschaftlichen und sozialen Notlagen.

Wie die Jerusalem Post schrieb, verteidigte sie die Geschlechtertrennung in Bildungseinrichtungen der Hardim, nachdem das Jerusalemer Arbeitsgericht 2018 entschieden hatte, dass ein geschlechtsspezifischer Kurs für Anwärter des öffentlichen Dienstes gesetzeswidrig sei. Das Urteil wurde später aufgehoben. Yankelevich schrieb laut der Jerusalem Post, dass Haredi-Frauen, wenn keine geschlechtsspezifischen Studienmöglichkeiten zur Verfügung stünden, überhaupt keine akademische Ausbildung erhalten könnten.

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