Eine israelische Delegation ist am Mittwoch in Doha eingetroffen, um die Verhandlungen über die Freilassung von Geiseln und einen Waffenstillstand fortzusetzen.
Joshua Marks
Dem israelischen Team unter der Leitung von Mossad-Direktor David Barnea gehört auch der Chef des israelischen Sicherheitsdienstes (Shin Bet), Ronen Bar, an, der Anfang der Woche in Kairo war, um mit ägyptischen und amerikanischen Beamten ein Abkommen zu erörtern. Der Leiter der Abteilung für vermisste und gefangene Soldaten in den Israelischen Verteidigungsstreitkräften (IDF), Nitzan Alon, ist ebenfalls Teil der Delegation in Katar.
CIA-Direktor William Burns, der ägyptische Geheimdienstchef Abbas Kamel und der katarische Premierminister Mohammed bin Abdulrahman Al Thani werden ebenso zu den Gesprächen in Doha erwartet wie der Nahost-Berater des Weißen Hauses Brett McGurk der ebenfalls am Mittwoch von Israel nach Doha reiste, um an den Gesprächen teilzunehmen, nachdem er zuvor mit Premierminister Benjamin Netanjahu zusammengetroffen war. Auch bei den Verhandlungen am Dienstag in Kairo war McGurk mit dabei, bevor er am Abend mit dem israelischen Verteidigungsminister Yoav Gallant in Tel Aviv zusammentraf.
Während des Treffens mit McGurk am Mittwoch betonte Israels Premierminister Netanjahu sein Engagement für ein Abkommen, »solange Israels rote Linien gewahrt bleiben«, wie sein Büro mitteilte. Diese roten Linien bestehen in der Möglichkeit, die Kämpfe wieder aufzunehmen, bis alle Kriegsziele erreicht sind. Netanjahus Büro nannte diesbezüglich ein Ende des Waffenschmuggels in den Gazastreifen durch Ägypten; die Verhinderung einer Rückkehr von Tausenden von Terroristen in den Norden des Gazastreifens und die Maximierung der Zahl der lebenden Geiseln, die freigelassen werden.
Während ihres Treffens sagte Verteidigungsminister Gallant zu McGurk, dass »eine Lösung erforderlich ist, welche die Schmuggelversuche stoppt, den potenziellen Nachschub für die Hamas abschneidet und den Rückzug der IDF-Truppen aus dem [Philadelphi]-Korridor ermöglicht, als Teil eines Rahmens für die Freilassung der Geiseln«.
Die IDF haben vor Kurzem die Sicherheitskontrolle über den gesamten Philadelphi-Korridor, das vierzehn Kilometer lange Grenzgebiet zwischen dem Gazastreifen und Ägypten, übernommen und dabei zahlreiche Schmugglertunnel entdeckt. Ebenso haben Israels Streitkräfte die operative Kontrolle über die in Gaza liegende Seite des Grenzübergangs Rafah zu Ägypten übernommen. Laut Gallant unterstütze Jerusalem die Wiedereröffnung des Übergangs, werde aber »die Rückkehr der Hamas in das Gebiet nicht tolerieren«.
Während ihres Aufenthalts in Kairo erörterten Ronen Bar und sein Team auch die künftige Kontrolle des Grenzübergangs zwischen dem Gazastreifen und Ägypten. Es wird angenommen, dass Bar auch den Bau einer unterirdischen Sperre zwischen dem Gazastreifen und Ägypten diskutierte, um den Schmuggel zu verhindern. Das israelische Armee-Radio berichtete am Montag, Kairo habe Jerusalem mitgeteilt, mit den USA zusammenarbeiten zu wollen, um den Bau der High-Tech-Sperre zu unterstützen, falls ein Waffenstillstandsabkommen zustande komme. Dem Bericht zufolge sagte Ägypten, dass die Arbeiten an der Sperre in den ersten Tagen eines Waffenstillstands beginnen könnten.
Wiederbelebung des Biden-Plans
Die Hamas hält immer noch mehr als hundert Geiseln gefangen, die während ihres Terrorangriffs auf den Süden Israels am 7. Oktober entführt und nach Gaza verschleppt wurden. Vermittler arbeiten daran, den von US-Präsident Joe Biden im Mai vorgelegten Entwurf für eine stufenweise Waffenruhe wiederzubeleben, der in der ersten Phase eine »vollständige und uneingeschränkte« sechswöchige Waffenruhe vorsieht, in der Dutzende von israelischen Geiseln – Frauen, Alte und Kranke – gegen Hunderte von palästinensischen Terroristen ausgetauscht werden sollen.
In dieser Zeit würden Jerusalem und die Hamas dem Plan zufolge die Bedingungen für die zweite Phase aushandeln, in der die verbleibenden männlichen Geiseln im Gegenzug für die Entlassung weiterer palästinensischer Terroristen aus den Gefängnissen durch Israel freigegeben werden sollen. In der dritten Phase würden die Leichen der israelischen Zivilisten und Soldaten zur Beerdigung übergeben werden und der Wiederaufbau des Gazastreifens beginnen.
Die Hamas hat ihre Hauptforderung fallen gelassen, dass Jerusalem sich im Rahmen eines Abkommens von vornherein zur Beendigung des Kriegs verpflichten müsse, berichtete die Nachrichtenagentur Associated Press am Samstag unter Berufung auf anonyme ägyptische Beamte und Hamas-Funktionäre. Die Terrorgruppe verlange jedoch immer noch schriftliche Garantien von den Vermittlern, dass der jüdische Staat weiterhin über einen »dauerhaften Waffenstillstand« verhandeln werde, sobald die erste Phase des Abkommens in Kraft trete, so die Quellen.
Ein zitierter Hamas-Funktionär sagte, der Schritt seiner Organisation sei erfolgt, nachdem diese »mündliche Zusagen und Garantien« von den Vermittlern erhalten habe, dass der Krieg nicht wieder aufgenommen werde und die Gespräche fortgesetzt würden, bis ein dauerhafter Waffenstillstand erreicht sei.
Der israelische Staatspräsident Isaac Herzog forderte am Sonntag anlässlich des neunmonatigen Kriegsbeginns die sofortige Rückkehr aller einhundertzwanzig Geiseln, die noch im Gazastreifen festgehalten werden, von denen vier schon vor dem 7. Oktober gefangen genommen wurden. Die Zahl umfasst sowohl lebende als auch verstorbene Männer, Frauen und Kinder.
»Unsere Herzen sind bei den trauernden Familien, den körperlich und seelisch Verwundeten, den Entführten und ihren Angehörigen, die sich seit Monaten für die Rückkehr ihrer Lieben einsetzen. Die ganze Nation will ihre Rückkehr, und eine absolute Mehrheit unterstützt einen Geiseldeal«, sagte Herzog.
Spare mir Optimismus auf
Jonathan Dekel-Chen, dessen 35-jähriger Sohn Sagui am 7. Oktober 2023 von der Hamas entführt worden war, sagte am Sonntag gegenüber dem Jewish News Syndicate: »Leider waren wir schon einmal an diesem Punkt und es ist nicht das erste Mal, dass bestimmte Parteien sich optimistisch über die Möglichkeit einer Einigung äußern. Ich für meinen Teil werde mir den Optimismus aufsparen, bis ein Abkommen tatsächlich zustande gekommen ist und die Geiseln wieder zu Hause sind.«
Ein hochrangiger israelischer Beamter, der an den Verhandlungen beteiligt ist, meinte im Juni gegenüber der Nachrichtenagentur AFP, mindestens ein paar Dutzend der verbliebenen Geiseln seien noch am Leben. Seiner Ansicht nach kann Israel sich nicht dazu verpflichten, den Krieg als Vorbedingung für ein Abkommen zu beenden, weil die Hamas »ihre Verpflichtung brechen … und die Verhandlungen zehn Jahre oder länger hinauszögern« könnte.
(Der Text erschien auf Englisch zuerst beim Jewish News Syndicate. (Übersetzung von Alexander Gruber.)