Israel braucht die USA an seiner Seite 

Tamir Hayman und Israel Präsident Herzog bei der Präsentation des INSS-Berichts
Tamir Hayman und Israel Präsident Herzog bei der Präsentation des INSS-Berichts (Quelle: inss.or.il)

Ein aktueller Bericht beleuchtet die strategischen Herausforderungen, die im Jahr 2023 auf Israels Militär und Sicherheitsdienste zukommen werden.

Tamir Hayman

Zum ersten Mal, seit das Institut für Nationale Sicherheitsstudien (INSS) seinen jährlichen strategischen Berichtveröffentlicht, wird diesmal die besondere und strategische Beziehung zu den USA, ist, als die wichtigste Herausforderung für Israel und als Schlüssel zu seiner Sicherheitsdoktrin genannt.

Es gibt Stimmen, die Israels Abhängigkeit von seinen Beziehungen zu den USA infrage stellen und vorschlagen, verschiedene Alternativen zu prüfen, doch das INSS stellt unzweideutig klar: Es gibt keinen Ersatz für die USA, weder in Bezug auf die Sicherheit noch bezüglich des diplomatischen Rückhalts. Ebenso wenig kann ein anderer Staat die USA ersetzen, wenn es um die gemeinsamen Werte der beiden Länder geht.

Allerdings hat die zunehmende Radikalisierung auf beiden Seiten zu einer Erosion der Kräfte geführt, die Israel unterstützen. Einerseits bedroht der Einfluss des progressiven Lagers in den USA – mit seiner Delegitimierung Israels und des Zionismus – auf die jüngere Generation sowie der zunehmende Antisemitismus und Rassismus bedrohen Israels Status. Andererseits könnten Maßnahmen der israelischen Regierung, die als Bedrohung des demokratischen Charakters des Landes oder als Veränderung seiner Beziehungen zu den Palästinensern angesehen werden, sowie mangelnde Solidarität mit den USA und dem Westen in deren Konkurrenz mit China und Russland Israels Position weiter schwächen.

Israel beginnt das Jahr 2023 als starke Militärmacht mit einem soliden internationalen Ansehen, aber viele der sicherheitspolitischen Herausforderungen dürften sich im Laufe des Jahres noch verschärfen. So ist der Iran nur noch einen kleinen Schritt davon entfernt, ein nuklearer Schwellenstaat zu werden, und sein Atomprogramm hat seinen bisher fortgeschrittensten und gefährlichsten Stand erreicht. Außerdem beschafft er sich große Mengen an konventionellen Waffen und hat sich durch seine Position an der Seite Russlands in der Ukraine eine Art Sicherheitsnetz gegen die westlichen Sanktionen geschaffen.

Ursprüngliche Ziele heute noch relevant?

In den palästinensischen Gebieten scheint Israel mittlerweile auf einen gefährlichen Sturm zuzusteuern. Die Brisanz dieses Schauplatzes war schon in den vergangenen Monaten im Vergleich zu anderen Orten am höchsten, wobei sich die internen Konflikte innerhalb der palästinensischen Gesellschaft noch weiter verschärfen werden, während sich beide Seiten auf die Zeit nach Mahmud Abbas vorbereiten.

Die Gefahr des Aufflammens neuer Gewalt als Reaktion auf israelische Maßnahmen und interne Unzufriedenheit besteht nach wie vor und tritt immer deutlicher zutage. Die war bereits nach den jüngsten israelischen Aktionen in Dschenin und Nablus zu erleben, wo mittlerweile jede Antiterroroperation wie ein Kriegseinsatz wirkt.

Die palästinensischen Bemühungen, Israel auf der Weltbühne zu schaden, werden sich ebenfalls noch weiter verstärken, da die Palästinensische Autonomiebehörde versucht, Israels Aktivitäten und sein Recht auf Selbstverteidigung per rechtlicher Kriegsführung (»lawfare«) zu delegitimieren. 

Die strategische Studie, die das INSS dem israelischen Präsidenten vorgelegt hat, betont auch, dass die sich verschärfende Polarisierung innerhalb Israels die allgemeine Sicherheit beeinträchtigen könnte. Diese Polarisierung droht, das israelische Durchhaltevermögen zu untergraben, das für die nationale Sicherheit entscheidend ist. 

Nicht zuletzt dieses Thema wird die Leiter des israelischen Verteidigungsapparats um den Schlaf bringen. Die Israelischen Verteidigungsstreitkräfte (IDF) sind schließlich ein Spiegelbild der israelischen Gesellschaft und jede Kontroverse im zivilen Leben greift zwangsläufig auch auf das Militär über. Verteidigungsminister Yoav galant und Generalstabschef Herzi Halevi werden dafür sorgen müssen, dass die politische Entwicklung das Militär nicht beeinflusst, was allerdings nicht einfach sein wird.

Die eingangs betonte Abhängigkeit von den USA bedeutet jedoch nicht, dass Israel nicht in der Lage sein wird, im Bedarfsfall einen Alleingang zu unternehmen, aber die besonderen Beziehungen verstärken Israels Stärken um ein Vielfaches. Israel braucht seinen wichtigsten Freund genauso wie in der Vergangenheit –aktuell vielleicht sogar noch mehr.

Generalmajor (a. D.) Tamir Hayman ist geschäftsführender Direktor des Instituts für Nationale Sicherheitsstudien (INSS). (Der Artikel erschien auf Englisch beim Jewish News Syndicate. Übersetzung von Alexander Gruber.)

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