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Israel-Boykott: Verliert Kuwait Airways die Landerechte in Deutschland?

Kuwait airways weigert sich, israelische Passagiere zu befördern
Kuwait airways weigert sich, israelische Passagiere zu befördern

Von Alex Feuerherdt

Nach einem Gerichtsurteil hat Kuwait Airways in Deutschland das Recht, die Beförderung von Israelis zu verweigern. Dabei könne sich die Fluggesellschaft auf ein kuwaitisches Boykottgesetz berufen. Deshalb fordern Politiker nun, der Airline die Start- und Landerechte in der Bundesrepublik zu entziehen.

Israel-Boykott: Verliert Kuwait Airways die Landerechte in Deutschland?Was sich im Laufe der Verhandlung vor dem Frankfurter Landgericht bereits angedeutet hatte, ist nun zum Urteil geworden: Die staatliche kuwaitische Fluggesellschaft Kuwait Airways muss keine Israelis befördern, die mit dieser Airline von Deutschland aus in ein anderes Land reisen wollen. Die Zivilkammer des Gerichts entschied, dass es dem Unternehmen nicht zuzumuten sei, die Flugbuchung eines Bürgers des jüdischen Staates zu akzeptieren, weil es damit einen Gesetzesverstoß nach den Regeln seines eigenen Staates begehe und es deswegen damit rechnen müsse, dort bestraft zu werden. Deshalb habe die Fluggesellschaft rechtmäßig gehandelt, als sie Ende Juni 2016 den Ticketkauf von Adar M. stornierte. Der in Berlin lebende israelische Student wollte mit Kuwait Airways von Frankfurt über Kuwait City nach Bangkok fliegen. Das lehnte die Airline mit der Begründung ab, das kuwaitische Gesetz erlaube keinerlei Geschäftsbeziehungen mit Israelis. Außerdem sei israelischen Staatsbürgern die Einreise in den Golfstaat, wie sie bei einem Zwischenstopp notwendig werde, grundsätzlich verboten. Bei Zuwiderhandlungen drohten drakonische Strafen.

Adar M. verklagte Kuwait Airways daraufhin. Sein Anwalt Nathan Gelbart sagte: „Wir können dieses Gesetz hier nicht berücksichtigen, das ist diskriminierend.“ Hinzu komme, dass das Flugzeug ein öffentliches Verkehrsmittel sei. Wenn Kuwait Airways im Rahmen des Wettbewerbs das Angebot unterbreite, Passagiere von Frankfurt nach Bangkok zu fliegen, dann müsse sich das Unternehmen auch an die internationalen Regeln halten. Außer einem Verstoß gegen das Gleichbehandlungsgebot sah Gelbart auch eine Verletzung des deutschen Luftverkehrsgesetzes, das Fluggesellschaften dazu verpflichtet, prinzipiell jeden zahlenden Passagier zu befördern. Wenn Kuwait Airways das nicht könne, müsse die Airline „solche Strecken einstellen“. Genau das war in den USA und der Schweiz geschehen. Dort war die Fluggesellschaft behördlich dazu verpflichtet worden, Israelis mitzunehmen. Sie weigerte sich jedoch und strich stattdessen die betreffenden Flüge aus ihrem Angebot.

Dem Frankfurter Richter Wolfram Sauer dagegen genügte das kuwaitische „Einheitsgesetz zum Israel-Boykott“ aus dem Jahr 1964, um die Stornierung der Flugbuchung für berechtigt zu halten und die Klage von Adar M. abzuweisen. Dabei habe das Gericht, so hieß es, nicht zu entscheiden gehabt, „ob das Gesetz eines fremden Staates sinnvoll ist und ob es nach Wertungen der deutschen und europäischen Rechtsordnung Bestand haben könnte“. Außerdem greife das deutsche Antidiskriminierungsgesetz nicht, weil es nur bei einer Benachteiligung aufgrund der „Rasse“, der ethnischen Herkunft oder der Religion gelte, nicht aber wegen einer bestimmten Staatsangehörigkeit. Eine untaugliche formale Argumentation des Richters, schließlich versteht sich Israel als jüdischer Staat und wird als solcher nicht nur von Kuwait, sondern auch von etlichen anderen arabischen Staaten boykottiert.

 

Der Grund für den Boykott ist Antisemitismus

Israel-Boykott: Verliert Kuwait Airways die Landerechte in Deutschland?
Sabah al-Ahmad al-Dschabir as-Sabah, Emir von Kuwait

Hinzu kommt, dass der kuwaitische Boykott auch Organisationen und Personen gilt, die „im Auftrag oder im Interesse Israels handeln, ungeachtet wo sie leben“ – ein weiterer deutlicher Hinweis darauf, dass es nicht nur um die Staatsangehörigkeit geht, sondern dass alle Juden gemeint sind. Denn in der antisemitischen Logik sind sie allesamt Agenten des „zionistischen Feindes“. Genauso wenig werden muslimische und christliche Israelis vom Boykott ausgenommen, ebenso wie Nicht-Israelis, die im Land leben. Jeder, den das Emirat auch nur entfernt verdächtigt, in irgendeiner Verbindung mit Israel zu stehen, wird zum Kollaborateur, der „mit einer empfindlichen Gefängnisstrafe und harter Gefängnisarbeit zwischen drei und zehn Jahren bestraft“ wird. Wer in Kuwait eine Firma besitzt, die verbotene Geschäftskontakte pflegt, muss außerdem mit einem Public Shaming rechnen: „Die Verurteilung der Angeklagten im Zusammenhang mit diesem Gesetz wird auf seine Kosten mit großer Schrift für drei Monate auf [der] Frontseite seines Geschäfts, seiner Fabrik oder seines Lagers angebracht“, heißt es in Artikel 8 des Boykottgesetzes.

„Man stelle sich vor, eine in Deutschland tätige Firma in ausländischem Besitz würde sich weigern, Schwule, Schwarze oder Muslime als Kunden zu bedienen. Man würde selbstverständlich rechtlich und behördlich gegen diese Firma vorgehen“, schrieb Alan Posener in einem Kommentar für Welt Online. „Auch dann, wenn im Herkunftsland der Besitzer die Diskriminierung von Schwulen, Schwarzen oder Muslimen vorgeschrieben wäre.“ Schließlich gelte in Deutschland das Grundgesetz. Ebenfalls auf Welt Online kommentierte Matthias Döpfner: „Fest steht, dass die von Kuwait gemeinte Diskriminierung sich nicht gegen die Geschäftsordnung der Knesset oder die Verfassung Israels richtet, sondern gegen ‚die‘ Juden. Gemeint und offiziell adressiert mit solchen Regelungen ist ‚der jüdische Staat‘. Der tiefere Grund des Transportverbots ist Antisemitismus. Sonst nichts.“

Anwalt Nathan Gelbart sprach von einem „schwarzen Tag für die deutsche Justiz, die Freiheit des Luftverkehrs und für unsere demokratischen Grundwerte“. Wenn dem rassistischen Gesetz „eines radikalen Familienunternehmens namens Kuwait in Deutschland Vorrang vor deutschem Recht eingeräumt wird, ist das juristisch und moralisch skandalös“. Gelbart kündigte an, vor dem Oberlandesgericht in Frankfurt in Berufung zu gehen. Der derzeit amtierende deutsche Verkehrsminister Christian Schmidt (CSU) kündigte Gespräche der Bundesregierung mit der kuwaitischen Seite an: „Bürger wegen ihrer Nationalität von der Nutzung von Verkehrsmitteln auszuschließen, ist inakzeptabel“, sagte er. Es könne nicht sein, „dass ein israelischer Staatsbürger oder ein Bürger einer anderen Nationalität das Gefühl hat, er würde hier in Deutschland in seinen Rechten diskriminiert“. Die Bundesregierung werde alles rechtlich Mögliche unternehmen, um weitere Vorfälle dieser Art künftig zu vermeiden.

 

Ende der Diskriminierung oder Ende der Geschäfte

Der Grünen-Politiker Volker Beck hatte schon vor dem Gerichtsurteil gefordert, dass Kuwait Airways nur die Wahl zwischen zwei Optionen haben dürfe: „Ende der Diskriminierung oder Ende der Geschäfte in Deutschland.“ Wenn das Frankfurter Landgericht der Fluggesellschaft Recht gebe, sei es die Aufgabe der Politik, der Airline „alle Start- und Landerechte auf deutschen Flughäfen zu entziehen“. Dieser Ansicht schloss sich nun der parlamentarische Staatssekretär im Justizministerium, Christian Lange, an. „Wir dürfen niemals schweigen, wenn Juden diskriminiert oder schikaniert werden“, argumentierte er. Gerade die deutsche Regierung müsse diese Form der Diskriminierung und des Hasses klar und deutlich ablehnen. „Unsere Freundschaft zu Israel ist unverhandelbar.“ FDP-Generalsekretärin Nicola Beer forderte ebenfalls, dass Kuwait Airways „mit sofortiger Wirkung alle Landerechte in Deutschland entzogen“ werden sollten, wenn sie die Diskriminierung nicht beende.

Diesen Schritt will das dafür zuständige Bundesverkehrsministerium nun prüfen. Alles andere als eine Entscheidung wie in den USA und der Schweiz würde den Skandal noch vergrößern. Es gebe „für die Politik keinen Grund zuzulassen, dass Deutschland von Fluggesellschaften angeflogen wird, die Antisemitismus betreiben“, kommentierte Alan Posener treffend. Als das US-Verkehrsministerium Kuwait Airways Ende 2015 verpflichtete, einen Israeli von London nach New York zu fliegen, bediente die Airline die Strecke nicht länger. Der New Yorker Stadtrat Rory Lancman kommentierte diese Entscheidung damals mit den Worten: „Wenn jemand so antisemitisch ist, dass er lieber eine Flugverbindung einstellt, als israelische Staatsbürger zu befördern – dann ist es gut, dass wir ihn los sind.“

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