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Nach Inkrafttreten des Waffenstillstands ziehen Israelis Bilanz über Verwüstungen im Norden

Von Hisbollah Raketen getroffenes Haus in der vom Krieg am stärksten betroffenen Gemeinde Metula im Norden Israels
Von Hisbollah Raketen getroffenes Haus in der vom Krieg am stärksten betroffenen Gemeinde Metula im Norden Israels (Quelle: JNS)

In einigen der Ortschaften im Norden Israels wurde über die Hälfte der Häuser beschädigt, teilweise irreparabel. Der Gesamtschaden beträgt rund 527 Millionen Euro.

Canaan Lindor

Der Krieg zwischen Israel und der Hisbollah hat in Metula, der nördlichsten Stadt Israels, wo mehr als sechzig Prozent der Häuser durch Raketenbeschuss schwer beschädigt wurden, eine Trümmerlandschaft hinterlassen. Doch diese Schäden machen nur einen Bruchteil der großflächigen Verwüstungen aus, die von der Hisbollah im Norden des Landes verursacht wurden, wie sich nun immer deutlicher zeigt, während die an Rückkehr denkenden Israelis die Folgen der dreizehnmonatigen Kämpfe entlang der Nordgrenze untersuchen.

Es wird Monate oder gar Jahre dauern, die Schäden unter hohen finanziellen Kosten zu beheben. Doch abgesehen von den materiellen Schäden fragen sich viele Bewohner, wie sich der Krieg auf die Demografie der Region auswirken wird, die seit über einem Jahr weitgehend von Zivilisten verlassen ist.

Die Daten aus Metula, die von Israels Channel 12 News durch Drohnenaufnahmen und erste Schadensbewertungen gesammelt wurden, zeigen, dass das Stadtviertel Har Tzofiya besonders stark betroffen ist: fünfundsiebzig von hundert Häusern sind so zerstört, dass sie nur noch abgerissen werden können. Die Gebäude in der HaLevanon-Straße sind möglicherweise alle irreparabel. Nachdem die Straße direkt an der libanesischen Grenze liegt, war sie vom Panzerabwehrfeuer in besonderem Ausmaß betroffen.

Nach Inkrafttreten des Waffenstillstands ziehen Israelis Bilanz über Verwüstungen im Norden
Ein UNIFIL Posten im Südlibanon an der Grenze zu Israe

Die Zerstörungen durch den Krieg an der Nordgrenze Israels werden auf rund 527 Mio. Euro geschätzt, heißt es in dem Bericht, die auf mehr als 20.000 Entschädigungsanträgen von Einwohnern basieren, deren Eigentum vernichtet wurde. Insgesamt wurden etwa 9.000 Gebäude und 7.000 Fahrzeuge beschädigt, wie aus den von den Steuerbehörden letzte Woche veröffentlichten Daten hervorgeht.

Waffenstillstand

Metula liegt gegenüber der beiden libanesische Dörfer Kafr Kila und Al-Adeisa, die vor 128 Jahren gegründet wurden und von der Hisbollah als Hochburgen und Schusspositionen gegen Metula und andere Orte genutzt wurden. Israel hat beide Gemeinden, wie auch viele andere, größtenteils dem Erdboden gleichgemacht, so die in Beirut ansässige International Information Company. Am 27. November vereinbarten Israel und die Hisbollah schließlich einen Waffenstillstand. Damit endete ein Konflikt, der am 8. Oktober 2023 begonnen hatte, als die Hisbollah aus Solidarität mit der Hamas, deren Terroristen am Vortag etwa 1.200 Menschen in Israel ermordet und 250 entführt hatten, Raketen auf Israel abfeuerte.

Fast ein Jahr lang verfolgte Israel, das etwa 60.000 Menschen aus den von der Hisbollah bedrohten Gemeinden im Norden evakuieren musste, eine Politik der Eindämmung gegenüber der libanesischen Terrorgruppe. Am 17. September wurden von Israel Tausende von Pagern, die von den Befehlshabern der Hisbollah auf mittlerer und oberster Ebene benutzt wurden, aus der Ferne zum Explodieren gebracht, was laut Analysten die Kampfkraft der Gruppe erheblich schwächte. Am 27. September tötete Israel den Hisbollah-Führer Hassan Nasrallah und weitere hochrangige Kommandeure bei einem Luftangriff auf seinen Bunker. Israel fuhr fort, die gesamte oberste Führungsriege der vom Iran unterstützten Miliz systematisch zu eliminieren, während es gleichzeitig deren Waffenlager und ballistische Einrichtungen angriff.

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Israelische Soldaten sichern Arbeiten an der Grenze zum Libanon

Die Hisbollah feuerte täglich Dutzende von Raketen auf Israel ab, konnte jedoch weder die Wirtschaft zum Erliegen bringen noch das strategische Kräfteverhältnis zu ihren Gunsten verändern. Ende November stimmte sie einem Waffenstillstand zu, wobei sie ihre bisherigen Vorbedingungen zurückzog, darunter die Forderung, Israel solle seinen Krieg gegen die Hamas im Gazastreifen einstellen und sich von den im Libanon eingenommenen Vorposten zurückziehen.

Gemäß den Bedingungen der Waffenruhe wird Israel seine Positionen im Libanon beibehalten, während sich die Hisbollah-Kämpfer hinter den Litani-Fluss, etwa zwanzig Kilometer nördlich der Grenze zu Israel, zurückziehen müssen. Die libanesische Armee soll zwischen der Grenze und dem Fluss stationiert werden und das Gebiet gemeinsam mit den UN-Truppen halten, um eine Rückkehr der Hisbollah zu verhindern. Die israelischen Streitkräfte sollen sich innerhalb von sechzig Tagen nach diesem Vorgang zurückziehen.

Israel hat nach Schätzungen des Instituts für Nationale Sicherheitsstudien der Universität Tel Aviv in mindestens 14.729 Angriffen etwa 3.000 Hisbollah-Kämpfer getötet, die meisten von Luftplattformen aus. Die Hisbollah hat nach der jüngsten Zählung des Instituts in mindestens 3.630 Angriffen 127 Menschen in Israel getötet, hauptsächlich Soldaten, aber auch Zivilisten wie die zwölf drusischen Kinder in Madjal Shams im Juli.

Wiederaufbau

Die israelische Regierung hat die Finanzierung alternativer Unterkünfte für die evakuierten Bewohner des Nordens noch nicht eingestellt. Eine Handvoll von ihnen ist in ihren Häusern geblieben, darunter Amikam Zmirli. »Wir sind hier verwurzelt, unsere Wurzeln sind stark«, sagte er Channel 12. Aber für viele Familien kommt ein Bleiben nicht infrage, da es keine Schulen und keine kommunale Infrastruktur mehr gibt. Und auch wenn alles wieder instandgesetzt sein wird, werden einige vielleicht nicht mehr zurückkehren. »Selbst ich würde meine Kinder nicht hierherbringen«, meinte Zmirli.

Zwei Männer blicken vom israelischen Schlomi aus auf den Südlibanon
Zwei Männer blicken vom israelischen Schlomi aus auf den Südlibanon

Auch andere evakuierte Gemeinden, darunter solche, die weniger Raketenschäden erlitten haben als Metula, sind weitgehend menschenleer, abgesehen von einem stark ergrauten harten Kern von Bewohnern. Yona Samhi, ein Einwohner des knapp zwei Kilometer von der Grenze entfernten Schlomi, ist jedoch optimistisch, was die Rückkehr der Bevölkerung angeht, und verwies auf die starken familiären Bindungen, die viele der größtenteils sephardischen Einwohner der Stadt verbinden.

»Ich habe sieben Kinder und fünfzehn Enkelkinder, glaube ich. Das ist nicht ungewöhnlich für einen alten marokkanischen Juden wie mich«, erzählte der Siebzigjährige schmunzelnd. Seine Kinder seien alle vor Monaten evakuiert worden, aber »ich glaube nicht, dass einer von ihnen seine Familie, sein Zuhause, seine Stadt einfach so dauerhaft zurücklässt. Ich wette, sie kommen zurück.«

Schlomi hat mehr als hundert Raketeneinschläge abbekommen und gehört neben Kirjat Schmona, einer Stadt mit etwa 30.000 Einwohnern, und dem Kibbuz Manara zu den am stärksten beschädigten Orten.

Auch in Metula ist Bürgermeister David Azoulay zuversichtlich, was die Widerstandsfähigkeit seiner Stadt angeht, die zu den ersten neuen jüdischen Siedlungen gehörte, die von Zionisten 1896 gegründet wurden, als die Region noch vom Osmanischen Reich regiert wurde. Der ein Jahr später erstmals abgehaltene Zionistenkongress, organisiert von Theodor Herzl, brachte den ersten großen Entwurf für den Aufbau einer nationalen Heimstätte für das jüdische Volk hervor.

Im Interview mit Channel 12 verwies Azoulay auf das Pioniererbe der Stadt und zeigt sich überzeugt, dass »wir Metula wiederaufbauen, und zwar mit oder ohne die Regierung des Staates Israel«.

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Metulas Bürgermeister David Azoulay (li.) mit Schlomis Bürgermeister Gabi Naaman (re.) vor einem Bunker in Metula

Der Text erschien auf Englisch zuerst beim Jewish News Syndicate. (Übersetzung von Alexander Gruber.)

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