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Israel beginnt das neue Jahr im Corona-Lockdown

Leere Straßen in Tel Aviv während des am Freitag in Kraft getretenen landesweiten Lockdown in Israel
Leere Straßen in Tel Aviv während des am Freitag in Kraft getretenen landesweiten Lockdown in Israel (© Imago Images / Xinhua)

Die Straßen sind wie ausgestorben. Am Freitag um 14:00 Uhr, kurz vor Rosh Hashana, begann in Israel der zweite Lockdown.

Die Markthändler packen ihre Waren zusammen und Kellner räumen Stühle und Tische in die Cafes und Restaurants. Wenige Stunden später sind die Straßen in großen Städten, wie Tel Aviv und Jerusalem menschenleer. Es ist nicht nur der Beginn des zweiten Lockdowns, sondern auch der Beginn eines neuen Jahres.

Das Jahr 5781, nach dem jüdischen Kalender, beginnt in Stille. Rosh Hashana ist einer der höchsten Feiertage im Judentum, an dem sich für gewöhnlich Freunde und Familie treffen, um mit einem großen Mahl das neue Jahr zu beginnen. In Corona-Zeiten findet das gemeinsame Abendessen stattdessen über Zoom statt. In anderen Jahren sah man am Abend von Rosh Hashana Israelis mit Tupperware in der Hand zum Dinner eilen. Heute sind die Straßen jedoch leer.

Beim Essen werden traditionell Äpfel in Honig getunkt. Das steht metaphorisch für den Beginn eines süßen neuen Jahres. Die Bevölkerung Israels ist jedoch seit dem letzten Lockdown von Ungewissheit, finanzieller Not und einer melancholischen Grundstimmung geplagt, die sich durch die Gesellschaft zieht. Die Arbeitslosenquote ist enorm gestiegen und viele Menschen haben bereits durch den ersten Lockdown ihre Jobs verloren oder ihre Geschäfte schließen müssen. Die Angst weitere finanzielle Verluste zu machen, ist somit groß.

Dennoch beschloss die Regierung, zusammen mit dem Corona-Virus-Kabinett, das mehrere Ministerien umschließt, einen weiteren Lockdown anzuordnen. Wieder ist das Bildungssystem stillgelegt, alle Lokale und Geschäfte, die nicht als essenziell gelten (wie Lebensmittelhändler und Apotheken) haben geschlossen, und die Menschen dürfen sich nur einen Kilometer von ihrem Wohnsitz entfernen. Dies lässt mehr Flexibilität zu als beim ersten Lockdown, bei dem die Ausgangssperre 100 Meter betrug. Israelis dürfen außerdem weiterhin Sport im Freien machen.

Ein neues Jahr mit vielen Herausforderungen

Es werden 7000 Polizisten und 1000 Soldaten im Einsatz sein, um die Isolation zu überwachen. Teilweise wurden auch Checkpoints an den Stadtgrenzen aufgebaut. Dabei soll vor allem versucht werden, große Zusammenkünfte von Menschen zu unterbinden, weswegen auch nur Versammlungen von zehn Personen drinnen und 20 Personen draußen stattfinden dürfen. Auch religiöse Treffen und Gebete wurden zahlenmäßig beschränkt. An der Westmauer des ehemaligen Tempels in Jerusalem, wurden Zäune aufgestellt, sodass nur Kleingruppen zusammen beten können.

Die israelische Regierung möchte aufgrund der hohen Feiertage: Rosh Hashana, Yom Kippur und Sukkot vermeiden, dass sich Familien und Freunde in großen Gruppen treffen und gemeinsam feiern. Professor Ronni Gamzu, der das Corona-Kabinett leitet, meinte er hätte sich nicht für einen allgemeinen Lockdown ausgesprochen, wären nicht die Feiertage gekommen: „Wir müssen auch die Wirtschaft berücksichtigen. Auch wenn ich der Bevölkerung sage, dass es 1000 Sterbefälle pro Woche gibt, wird sie das nicht überzeugen können.“

Letzten Donnerstag beschloss das Kabinett die Ausgangssperre von 500 Metern auf einen Kilometer zu erweitern und versucht so, auf die Selbstdisziplin der Menschen zu vertrauen. Wissenschaftler meinen eine strikte Ausgangssperre hätte keine Auswirkung auf die Effizienz der Corona-Bekämpfung. Dennoch befürchtet die Regierung, die Menschen könnten den Lockdown nicht ernst nehmen und weiterhin ihre Familien besuchen, in den Park oder an den Strand gehen. Itamar Grotto, Vorstand des Gesundheitsministeriums, spricht sich trotzdem für einen „dynamischeren“ Lockdown aus, wie ihn auch andere Länder eingeführt haben, während Gamzu davon augeht, dass der geplante dreiwöchige Lockdown die Zahlen der Neuinfizierten pro Tag auf etwa 3000-4000 reduzieren würde. Danach möchte er sich vor allem auf die sogenannten roten Zonen, sprich: die am stärksten betroffenen Gebiete konzentrieren.

Am vergangenen Mittwoch lag die Zahl der Neuinfizierten bei über 5000. Solange die Krankenhäuser weiter überfüllt sind, ist nicht klar zu sagen, ob der Lockdown wirklich nach drei Wochen enden wird, oder ob die Restriktionen nicht gar noch einmal verschärft werden müssen. Klar ist jedoch, dass Rosh Hashana diesmal ein Jahr mit vielen neuen Herausforderungen und Entwicklungen einleitet.

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