Propagandabegriff „Islamophobie“: Wie Muslime als Geiseln genommen werden

November 2019: Demonstration gegen „Islamophobie“ in Paris. (© imago images/Hans Lucas)
November 2019: Demonstration gegen „Islamophobie“ in Paris. (© imago images/Hans Lucas)

Laure Daussy

Der französische Innenminister will eine Organisation auflösen, die Mulisme glauben machen will, Opfer einer umfassenden „Islamophobie“ zu sein.

Das Collectif contre l’islamophobie en France (CCIF), gegründet von Personen aus dem Kreis der Muslimbrüder, ist ins Fadenkreuz des Innenministers geraten, der verkündet hat, die Organisation auflösen zu wollen. Untersucht worden war, wie CCIF die Muslime in Frankreich als Geiseln eines Pseudo-Antirassismus genommen hat.

Kaum war die mögliche Auflösung des CCIF verkündet, schon erhielt es auf Twitter Unterstützung von mehreren Personen der Linken, inklusive gewisser Feministinnen und Personen aus der Aktivistenszene, wie etwa der Direktorin der Onlinepetitionenplattform für Change.org, die tweetete: „Das CCIF bietet insbesondere muslimische Frauen, die Opfer von zahlreichen Angriffen und von Diskriminierung sind, unentbehrliche juristische Unterstützung. Ich finde diese Ankündigung schockierend.“

Wie es aussieht, setzt ein großer Teil der Linken das CCIF mit Vereinen gleich, die gegen Rassismus kämpfen, ohne zu verstehen, was es wirklich ist. Anders sieht es hingegen aus, wenn man die Gesamtheit der Bevölkerung befragt: Laut einer Umfrage von Ifop wird die Auflösung des CCIF von 76% der Franzosen befürwortet.

Warum ist das CCIF überhaupt ins Gerede gekommen? Weil es vom Vater der Schülerin zitiert wurde, der Samuel Paty in einem Video auf Facebook angegriffen hat. Dieser Vater ermahnte seine „Brüder und Schwestern“, zumindest „der Schule, dem CCIF und der Schulinspektion zu schreiben […]“ Das CCIF antwortete seinerseits, dass es von dem Vater „erschüttert“ worden sei und erklärte, „dass das Team des CCIF dabei sei, die Informationen zu überprüfen“.

Was also macht das CCIF, wenn es sich nicht gerade mit diesem Fall beschäftigt? Es stellt sich vor als „eine Vereinigung zur Verteidigung von Menschenrechten (…), deren Aufgabe es ist, die Islamophobie zu bekämpfen“. Es behauptet, im Jahr 2020 habe sich seine Rechtsabteilung 743 als „islamophob“ qualifizierten Vorfällen angenommen.

In seinem Bericht zitiert das CCIF wirkliche Fälle der Diskriminierung, wie das eines Restaurantbesitzers, der verschleierte Frauen aufgefordert hat, sein Restaurant in Tremblay-en-France (Seine-Saint-Denis) zu verlassen, weil „alle Muslime Terroristen sind“. Aber hinter dieser Fassade des Kampfes gegen Diskriminierung verbirgt das CCIF noch etwas ganz anderes.

Man muss die Stellungnahmen seiner Gründer beachten. Erinnern wir uns, dass die Vereinigung 2003 von Samy Debah gegründet wurde. Dieser wurde von den Muslimbrüdern ausgebildet und steht Tariq Ramadan nahe. Heute dementiert das CCIF jede Verbindung, der ehemalige Muslimbruder Mohamed Louizi erklärt jedoch, dass es

„seit seiner Schaffung 2003 eine Säule der Strategie der Muslimbrüder in Frankreich ist. Nicht alle seine Mitglieder sind Muslimbrüder, aber sie werden von diesen geführt. Ihre Ideologie und ihre Methoden sind die der Muslimbrüder. Das Kollektiv hat nur eine Aufgabe: die Viktimisierung zu institutionalisieren“.

Für das CCIF ist das Konzept der „Islamophobie“ – übrigens ein umstrittener Begriff, weil er oft gebraucht wird, um jede Kritik der Religion zum Schweigen zu bringen – extrem weitläufig. Isabelle Kersimon, die Gründerin des Instituts zur Untersuchung von Radikalismus (Inrer) und Autorin von „Islamophobie, die Gegenuntersuchung“ („Islamophobie. la contre-enquête“), erklärt gegenüber Charlie Hebdo:

„Sie haben die Vision einer totalen, globalen und immerwährenden Islamophobie in der Gesellschaft. Diese Vision erweckt den Eindruck, als ob die Muslime sich in Frankreich in einem Belagerungszustand befinden würden. Das ist eine Rhetorik, die einen Bruch in der Gesellschaft schafft.“

So ist für CCIF auch das Gesetz von 2004, das das Tragen von religiösen Symbolen in den Schulen untersagt, „islamophob“. Die Abschaffung dieses Gesetzes, das vom CCIF in einem Tweet aus dem Jahr 2014 sogar als „institutionalisierte Islamophobie“ charakterisiert wurde, gehört zu seinen bevorzugten Themen. Ein weiteres Beispiel: Die einfache Frage eines Beamten des Arbeitsamtes an eine junge verschleierte Frau, ob Sie den Schleier auch bei ihrer Arbeit tragen wolle, wurde in einem Bericht von 2011 als „diskriminierend“ bewertet.

(Der Artikel „CCIF : comment prendre les musulmans en otage“ ist bei Charlie Hebdo erschienen. Übersetzung von Karl Pfeifer.)

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