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Islamismus beginnt nicht erst, wenn Menschen auf offener Straße enthauptet werden

Ditib-Moschee in Köln. Ditib ist dem Präsidiums für religiöse Angelegenheiten der Türkei unterstellt, das unter Erdogan zunehmend Islamismus verbreitet. (© imago images/Westend61)
Ditib-Moschee in Köln. Ditib ist dem Präsidiums für religiöse Angelegenheiten der Türkei unterstellt, das unter Erdogan zunehmend Islamismus verbreitet. (© imago images/Westend61)

Fast die Hälfte der Moscheen in Deutschland wird von Gruppen betrieben, die dem türkischen Islamismus zuzuordnen sind.

Alan Posener, Zeit Online

Internationalistische Linke und Liberale sind natürliche Verbündete, wenn es um die Abwehr nativistischer oder identitärer Positionen geht. Und beide haben ein Problem, weil der Islamismus – eine ebenfalls globalistische, aber reaktionäre Ideologie – den Nativisten und Identitären scheinbar recht gibt. Um es auf die emotionale Ebene herunterzubrechen: Nach dem Anschlag auf die Synagoge in Halle atmete ich auf, als klar wurde, dass der Täter ein Rechtsextremer war und kein Moslem. Eine beschämende Reaktion, aber ich müsste mich sehr irren, stünde ich mit dieser Erleichterung allein da.

Manchmal habe ich sogar den Eindruck, dass meine linken Freundinnen eine klammheimliche Freude über den Aufstieg der Neuen Rechten empfinden. Da sind die Fronten klar, da stehen die Symbole und Parolen schon bereit: No pasaran!

Dabei ist der Islamismus als Ideologie schlicht Klerikalfaschismus: demokratiefeindlich, frauenfeindlich, schwulenfeindlich, judenfeindlich, wissenschaftsfeindlich, lustfeindlich, ja im Kern lebensfeindlich. Alles, was Linken und Liberalen heilig ist, verachtet der Islamismus. Alles, was Linke und Liberale hassen, ist dem Islamismus heilig. Wir sind in seinen Augen alle Kandidaten für den Galgen oder den Genickschuss. (…)

Man darf nicht nur den Terror der Islamisten ablehnen, man muss sich mit ihrer Ideologie beschäftigen. Denn jede Praxis hat eine Theorie. Worte haben Folgen. Gedanken können töten. Wir wissen das vom Rassismus und Antisemitismus, vom Faschismus und Kommunismus. Beim Islamismus ist es nicht anders.

Wenn allerdings fast die Hälfte der 2.800 Moscheen in Deutschland entweder von der türkischen Religionsbehörde Ditib – dem verlängerten Arm des islamistischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan – oder von der noch rechts von Erdoğans AKP stehenden Millî Görüş kontrolliert werden; wenn also der Islamismus nicht bloß eine Sache von Onlinechatgruppen – obwohl sie gefährlich genug sind – und Hinterhofmoscheen, sondern von Amts wegen in Tausend Moscheen präsent ist, so ist die Abgrenzung des Islamismus vom Islam nicht so einfach, wie wir Liberalen und Linken es gern hätten. (…)

Wenn muslimische Halbstarke ihre Lehrerinnen so einschüchtern, dass bestimmte Stoffe – wie etwa der Holocaust – nicht oder nur kursorisch durchgenommen werden; wenn sie muslimische Mitschülerinnen zwingen Kopftuch zu tragen: Dann haben wir es mit Islamismus zu tun. Nicht erst, wenn muslimische Eltern einen Shitstorm organisieren, der zur Enthauptung eines Lehrers führt, wie im Fall des Samuel Paty. (…)

Die europäische Linke muss ihren naiven Antiimperialismus ebenso ablegen wie den naiven Glauben, der benachteiligte sei automatisch der bessere Mensch. Beide Haltungen wurzeln übrigens in einem romantischen Paternalismus, der mit dem europäischen Kolonialismus mehr gemein hat als Linken – und Liberalen – lieb sein dürfte.

(Aus dem Kommentar „Der Islamismus hasst alles, was Linken heilig ist“, der auf Zeit Online erschienen ist.)

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