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Iranische Raketen auf Erbil bedrohen Stabilität im Irak

Bei iranischen Raketenangriff beschädigte Gebäude in Erbil
Bei iranischen Raketenangriff beschädigte Gebäude in Erbil (© Imago Images / Xinhua)

Dieser Angriff stellt eine gefährliche Entwicklung in der Region dar, da erstmals seit Langem direkt aus dem Iran Raketen abgefeuert wurden.

Am vergangenen Sonntag wurde die Welt mit der iranischen Aggression auf irakisches Gebiet geweckt. Die Revolutionsgarden griffen die Stadt Erbil, die Hauptstadt der Region Kurdistan, mit zwölf ballistischen Raketen unter dem Vorwand an, ein »strategisches Zentrum für Verschwörung und Verderben der Zionisten« ins Visier zu nehmen.

Dieser Angriff stellt eine gefährliche Entwicklung in der Region dar, da er von den Revolutionsgarden selbst und von iranischem Territorium aus durchgeführt wurde, während Teheran lange Zeit auf regimetreue Milizen im Irak zurückgegriffen hatte, um Anschläge auf amerikanische und westliche Interessen zu verüben.

Irakische Reaktionen

Die Behörden der Region Kurdistan leugneten sofort die Existenz des »israelischen Verschwörungszentrums«, auf das sich der Iran berief. Gleichzeitig verurteilten die meisten politischen Parteien und Führer in Bagdad den iranischen Angriff, und auch aus arabischen und westlichen Ländern kamen Verurteilungen.

Der Präsident der Region Kurdistan, Nechirvan Barzani, rief die irakische Regierung und die internationale Gemeinschaft auf, sich den iranischen Angriffen auf Erbil entgegenzustellen und kritisierte das »Schweigen der internationalen Gemeinschaft zu den feigen Angriffen«. Er fügte hinzu, dass Erbil

»einem feigen Angriff ausgesetzt war, unter dem Vorwand, einen israelischen Stützpunkt in der Nähe des amerikanischen Konsulats treffen zu wollen, aber das Ziel war ein ziviler Ort. Die iranische Rechtfertigung zielt darauf ab, die Motive für dieses abscheuliche Verbrechen zu verschleiern, und die Behauptungen der Attentäter sind weit von der Wahrheit entfernt.«

Die internationale Koalition gegen den Islamischen Staat erklärte, dass »die iranischen Angriffe eine Bedrohung der irakischen Souveränität und der zivilen Infrastruktur darstellen«, und sie bestritt, dass der Angriff »irgendwelche (Militär-)Basen, in denen Koalitionsberater untergebracht sind, oder das US-Konsulat« getroffen habe.

Ein Zeichen des Iran

Beobachter, die mit Sky News Arabia sprachen, vertraten die Ansicht, dass der iranische Angriff eine »signifikante Veränderung« bei der Durchführung von Angriffen auf irakisches Territorium darstelle, da diese Angriffe bislang hauptsächlich durch Drohnen und von ­– dem Iran loyalen – irakischen Milizen durchgeführt worden waren.

Die Beobachter vertraten die Ansicht, dass die Durchführung eines solch massiven Angriffs auf Erbil »in den Kontext der Versuche Teherans fällt, die aufgrund der Auswirkungen des Ukraine-Kriegs turbulente internationale Lage auszunutzen, um seine regionale Agenda durchzusetzen«.

Der irakische Autor und politische Analyst Ali Al-Baydar sagte:

»Es gibt natürlich mehr als einen Grund, wenn man die Motive dieses Großangriffs erklären möchte. So fällt der Angriff zum Beispiel mit der Israel zugeschriebenen Tötung hochrangiger Führer der iranischen Revolutionsgarden in Syrien vor Kurzem zusammen. Teheran glaubt, mit diesem Angriff, der das in Bau befindliche amerikanische Konsulat in der Nähe von Erbil ins Visier nahm, einen Racheakt vollzogen zu haben.«

Toby Dodge, Professor an der London School of Economics, erklärte, der Iran sende eine Reihe von Botschaften aus, die mit »den Verhandlungen über den Gemeinsamen Umfassenden Aktionsplan (das iranische Atomabkommen) und den gegenseitigen Feindseligkeiten zwischen den Iranern und den Israelis in Syrien, aber auch mit den Verhandlungen zur Bildung einer irakischen Regierung« zusammenhingen.

Die Hauptlast jeder weiteren Gewalttat werde aber der Irak tragen, sagte Dodge und fügte hinzu, die iranische Botschaft sei zwar draufgängerisch, aber auch gefährlich, weil die Gegner des Irans versuchen werden, auf Teheran oder seine Stellvertreter zu reagieren.

Die arabische Ausgabe der Zeitung Independent wies ebenfalls darauf hin, dass die iranischen Angriffe auf Erbil auch eine Botschaft an die irakischen politischen Parteien sein könnten. Die autonome Region Kurdistan wird von der Demokratischen Partei unter Massoud Barzani regiert, einem Partner im Bündnis des Führers der Sadristen-Bewegung, Muqtada al-Sadr, das sich gegen die politischen Parteien richtet, die mit dem Iran verbunden sind.

Der Autor Rustam Mahmoud stimmt dem zu, wenn er sagt:

»Aus den vorliegenden Informationen geht hervor, dass es dem Iran nicht gelungen ist, das Bündnis zwischen der Demokratischen Partei, der Sadristen-Bewegung und den sunnitischen Parteien aufzulösen oder von diesem Bündnis Garantien für die Strategien einer möglicherweise bald gebildeten irakischen Regierung zu erhalten.

Teheran fürchtet die Errichtung eines neuen politischen Systems im Irak, das zum Ziel hat, die iranfreundlichen Machtzentren, insbesondere die von Teheran unterstützten bewaffneten Milizen, zu zerschlagen. Der Iran versucht, eine Botschaft zu senden, vielleicht noch deutlicher und gewaltsamer als zuvor, dass er die Errichtung dieses neuen Systems niemals zulassen wird.

In der Vergangenheit hat er ein paar Drohnen vom Irak aus selbst gestartet und so die wahre Identität des Angreifers verschleiert. Dieses Mal aber hat er ballistische Raketen von iranischem Gebiet aus gestartet.«

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