Die kürzliche Eröffnung einer sogenannten Hidschab-Verzichts-Klinik in Irans Hauptstadt Teheran hat großen öffentlichen Unmut erregt.
In den vergangenen Tagen hat die Eröffnung einer »Hidschab-Verzichts-Klinik« durch die iranische Zentralstelle für die Förderung der Tugend und die Verhinderung des Lasters in Teheran große öffentliche Aufmerksamkeit erregt. Die umstrittene neue Initiative scheint eine Reaktion der Regierung auf die jüngste Welle des zivilen Ungehorsams und der sozialen Proteste im Zusammenhang mit den obligatorischen Hidschab-Gesetzen zu sein.
Die Aufgabe der Klinik, Frauen zu unterstützen, die wegen sozialem oder umweltbedingtem Druck Probleme haben, den Hidschab zu tragen, wirft viele Fragen auf und hat in der iranischen Gesellschaft unterschiedliche Reaktionen hervorgerufen.
Mission und Struktur
Laut der Leiterin der Abteilung für Frauen und Familie in der Teheraner Zentralstelle zur Förderung der Tugend und Verhinderung des Lasters, Mehri Talebi Darstani, zielt die Klinik darauf ab, sich mit der »wissenschaftlichen und psychologischen Behandlung des Verzichts auf den Hidschab« zu beschäftigen, insbesondere für Frauen, welche die Zwangsverschleierung zwar einhalten möchten, aber mit sozialem und umweltbedingtem Druck zu kämpfen haben.
Zu den Dienstleistungen der Klinik gehören Einzelberatung, Gruppentherapie und Workshops, die sich auf Selbstbewusstsein, Identitätsentwicklung und den Umgang mit sozialem Druck konzentrieren. Das übergeordnete Ziel der Einrichtung besteht darin, das Bewusstsein zu schärfen und jenen Frauen und Mädchen, die den Hidschab tragen möchten, aber auf soziale Herausforderungen stoßen, mentale Unterstützung zu bieten.
Die Klinik gibt zwar an, psychologische Hilfe zu geben; für Kritiker besteht deren wahre Absicht jedoch darin, die Assoziation und Identifikation des Hidschabs mit der persönlichen und sozialen Identität zu stärken. Regierungsbehörden stellen dies als Mittel dar, um die zunehmende Nichteinhaltung der Verschleierungspflicht einzudämmen und die kulturelle Bedeutung des Kopftuchs in der Gesellschaft zu stärken.
Die Bemühungen des iranischen Regimes, kulturelle Vorschriften in Bezug auf den Hidschab durchzusetzen, sind nicht neu. Aktuelle nationale Umfragen zu den »Werten und Einstellungen unter Iranern« zeigen, dass trotz jahrzehntelanger Propaganda und staatlicher Durchsetzung ein erheblicher Prozentsatz der Bevölkerung das Tragen des Hidschabs als persönliche Entscheidung ansieht.
Mehr als 38 Prozent der Befragten äußerten keine Einwände gegen die Nichteinhaltung der Kopftuchpflicht, während 46 Prozent für die Einhaltung sind, diese aber als eine persönliche Entscheidung außerhalb des gesellschaftlichen Einflussbereichs ansehen.
Kritische Betrachtung
Die neue Initiative wurde von Menschenrechtsaktivisten und Medien heftig kritisiert. Viele Gegner des obligatorischen Hidschabs betrachten zivilen Ungehorsam als eine Form des Widerstands gegen restriktive Sozialpolitik. Die Darstellung des »Verzichts auf den Hidschab« als psychische Störung oder soziale Anomalie wird als Regierungstaktik angesehen, Andersdenkende zu stigmatisieren und soziale Normen zu stärken, die lediglich das Regime und eine Minderheit der Gesellschaft befürworten. Aktivisten argumentieren, solche Maßnahmen zielten darauf ab, Proteste zu unterdrücken und enggesteckte soziale Standards durchzusetzen.
Darüber hinaus kritisieren viele die Verwendung psychologischer und medizinischer Begriffe seitens des Staates, um Verhaltensweisen zu beschreiben, die ihrer Meinung nach Ausdruck einer persönlichen Entscheidung und eine Frage der individuellen Freiheit sind. Einige Ärzte und Journalisten warnen davor, dass solche Richtlinien denjenigen, die sich dem sozialen Druck widersetzen, den Hidschab zu tragen, weiter schaden könnten. Die Einrichtung der Klinik wird von vielen als Versuch angesehen, abweichende Meinungen zu pathologisieren und konservative Normen durchzusetzen, obwohl diese in der iranischen Öffentlichkeit nicht allgemein akzeptiert werden.
Finanzierung
Die »Hidschab-Verzichts-Klinik«, die von der Zentralstelle für die Förderung der Tugend und die Verhinderung der Laster geleitet wird, soll mit einem Budget von 366 Milliarden Toman an den Start gehen, was knapp fünf Millionen Euro entspricht und eine Steigerung von 125 Prozent gegenüber dem Vorjahr darstellt. Diese Mittel stellen einen erheblichen Teil der staatlichen Ressourcen dar, die für auf den Hidschab bezogene kulturelle und soziale Programme vorgesehen sind.
Die Zentralstelle strebt an, islamische Prinzipien, darunter eben die Einhaltung der Hidschabpflicht, in der gesamten Gesellschaft zu verbreiten, indem es staatlich kontrollierte Medien und verschiedene Plattformen als Basis zur Einflussnahme nutzt.
Das beträchtliche Budget für diese Initiative unterstreicht die Priorität, die der Staat der Durchsetzung der Zwangsverschleierung beimisst. Auch andere staatliche und religiöse Institutionen profitieren von ähnlicher finanzieller Unterstützung, aber die Mittel, die der Zentralstelle für die Förderung der Tugend und die Verhinderung des Lasters zugewiesen werden, unterstreichen das Engagement der Regierung, die Aufsicht über die Bekleidung der Bürger zu verstärken.
Die Klinik ist Teil eines umfassenderen Plans, der als »Ökosystem für Frömmigkeit und den Hidschab« bekannt ist und von der Zentralstelle für die Förderung der Tugend und die Verhinderung des Lasters entworfen wurde, um Fragen der Bescheidenheit und des Hidschabs auf persönlicher, familiärer und sozialer Ebene zu behandeln.
Das sogenannte »Ökosystem« legt den Schwerpunkt auf umfangreiche Maßnahmen wie Forschung und Beobachtung, Bildung und Ausbildung, Sensibilisierung der Öffentlichkeit und Überwachung, die alle darauf abzielen, den Hidschab als einen wichtigen kulturellen Grundsatz zu fördern. Ein Hauptziel besteht darin, den zunehmenden Trend der Nichteinhaltung der Zwangsverschleierung einzudämmen und den Hidschab als »Säule« der Islamischen Republik zu positionieren und zu zementieren.
Menschenrechtsaktivisten und Verfechter individueller Freiheiten argumentieren hingegen, dass Initiativen wie die Hidschab-Verzichts-Klinik die Absicht des Regimes widerspiegeln, allen Teilen der Gesellschaft bestimmte kulturelle Codes aufzuzwingen.
Soziale Umbrüche
Trotz der Bemühungen der iranischen Regierung, die Verschleierungsvorschriften durchzusetzen, finden im Land eindeutig erhebliche soziale und kulturelle Veränderungen statt. Nach den weit verbreiteten Protesten nach dem Tod von Jina Mahsa Amini in Polizeigewahrsam haben viele iranische Frauen zunehmend die Forderung nach einer Abschaffung der Verschleierungsgesetze laut werden lassen.
Diese Proteste haben sowohl im Inland als auch international Beachtung und Anklang gefunden und zeigen die wachsende Ambition nach umfassenderen Bürgerrechten im Iran. Sozialstudien zeigen, dass sich immer mehr Frauen und Männer gegen die Kopftuchpflicht aussprechen. Viele fordern nicht nur die Freiheit der Kleidungswahl, sondern auch mehr Bürgerrechte in allen Lebensbereichen.
Während die Regierung versucht, die Zwangsverschleierung durch Maßnahmen wie die »Hidschab-Verzichts-Klinik« wieder einzuführen, widersetzt sich eine wachsende Bewegung des zivilen Ungehorsams und Protests unter iranischen Frauen weiterhin diesen restriktiven Vorschriften. Der Ruf nach individuellen Rechten und Kleidungsfreiheit bleibt ein vordringliches Thema in der iranischen Gesellschaft. In diesem Zusammenhang erscheint die Klinik vielen eher als neues Instrument staatlicher Unterdrückung denn als ernsthafter Versuch, soziale und kulturelle Anliegen anzugehen.
Die Tatsache, dass die Klinik die Nichteinhaltung der Hidschabpflicht als psychologisches Problem oder soziale Störung einstuft, verstärkt die Wahrnehmung, dass die Regierung den zivilen Widerstand untergraben will, indem sie diejenigen stigmatisiert, die sich für persönliche Wahlfreiheit in Bezug auf Kleidung und andere Bereiche der persönlichen Freiheit einsetzen.