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Iranische Präsidentschaftswahl: Schwindende Legitimität und ein schwieriger zweiter Wahlgang

Der Sprecher der iranischen Wahlbehörde, Mohsen Eslami, verkündet das Ergebnis der ersten Wahlrunde
Der Sprecher der iranischen Wahlbehörde, Mohsen Eslami, verkündet das Ergebnis der ersten Wahlrunde (© Imago Images / ZUMA Press)

Die beiden Präsidentschaftskandidaten Peseschkian und Dschalili werden am Freitag in einer zweiten Runde der iranischen Wahlen antreten, nachdem keiner von ihnen mehr als fünfzig Prozent der Stimmen erhalten hatte.

Das iranische Innenministerium gab am Samstag bekannt, dass von den 24,5 Millionen Wählern, die von ihrem Wahlrecht Gebrauch gemacht hatten, 10,4 Millionen dem Kandidaten des sogenannten Reformlagers, Masoud Peseschkian, ihre Stimmen gegeben haben, während der konservative Saeed Dschalili 9,4 Millionen erhielt und der ebenfalls kandidierende Parlamentspräsident Muhammad Baqir Qalibaf etwa 3,3 Millionen. Daher werden Peseschkian und Dschalili in der zweiten Runde gegeneinander antreten.

Im ersten Urnengang wurde auch der Rekord für die niedrigste Wahlbeteiligung in der Geschichte der Islamischen Republik gebrochen. Den offiziellen Statistiken zufolge lag die Beteiligung in diesem Wahlgang bei 39,92 Prozent gegenüber 48 Prozent bei den vorangegangenen Präsidentschaftswahlen im Jahr 2021. Dies verdeutlicht die Legitimationskrise, in der sich das politische System befindet.

Offizielle und inoffizielle Statistiken bestätigten, dass die Wahlbeteiligung in den Provinzen, in denen es in den letzten Jahren zu massiven Protesten gekommen war, noch stärker zurückging. So lag die Wahlbeteiligung im Gouvernement Kurdistan, einem der Hauptzentren des Jina-Mahsa-Amini-Aufstands im Jahr 2022, bei nur 23 Prozent, während sie bei den letzten Wahlen noch 37,4 Prozent erreichte. Offizielle Statistiken zeigen, dass in der Provinz Belutschistan, einem weiteren Zentrum der Proteste, nur vierzig Prozent der Bürger an den Wahlen teilgenommen haben gegenüber 62,8 Prozent im Jahr 2021.

Die zweite Runde

Der Wahlkampf für die zweite Runde der vierzehnten Präsidentschaftswahlen begann am Sonntag und soll bis zum 3. Juli andauern. Aber auch jetzt wird es schwierig sein, Wähler zu gewinnen, insbesondere diejenigen, die sich bereits in der ersten Runde der Stimme enthalten haben.

In der Geschichte des Irans gab es bisher nur eine Stichwahl, und zwar im Jahr 2005, als Mahmud Ahmadinedschad den in den 1990er Jahren amtierenden Präsidenten Akbar Haschemi Rafsandschani besiegte, der damals ein Comeback als Regierungschef versuchte.

Der 58-jährige Dschalili ist ein konservativer sogenannter Hardliner, der einer Annäherung an westliche Länder ablehnend gegenübersteht. Er ist einer der Vertreter des Obersten Führers Ali Khamenei im Obersten Nationalen Sicherheitsrat, der bereits 2013 und erneut 2017 bei Präsidentschaftswahlen kandidierte.

Der 69-jährige Peseschkian ist der älteste und einzige Kandidat, der die sogenannte reformistische Bewegung vertritt. Er fordert eine Öffnung des Irans gegenüber dem Westen, natürlich nur im enggesetzten Rahmen der Islamischen Republik.

Schwindende Legitimität

Der Thinktank Internationales Institut für Iranische Studien erklärte in einem Positionspapier, die Wahlergebnisse deuten darauf hin, Peseschkians Erfolg in der ersten Runde spiegelten den Erfolg seiner Präsidentschaftskampagne bei der Gewinnung gemäßigter Kräfte und der sogenannten Reformbewegung wider, die seit dem Ende der Amtszeit von Hassan Rohani im Jahr 2021 unter Spaltungen und Zerstreuung leidet.

Das Institut fuhr fort, dass es dem Regime nicht gelungen sei, »die Wahlbeteiligung zu erhöhen, obwohl die Planung des Wahlprozesses darauf abzielte, alle Bewegungen an die Urnen zu bringen, ob die Reformisten oder die Flügel der konservativen Bewegung«. In dieser Hinsicht sei die Zulassung Peseschkians zur Teilnahme an den Wahlen als taktischer Schachzug zu betrachten, der die »Reformer« mobilisieren sollte.

Die Wahlbeteiligung war die niedrigste in der Geschichte des Irans seit der Islamischen Revolution 1979, berechnete der Thinktank, was darauf hindeute, »dass die Aufrufe des Obersten Führers Ali Khamenei, sich um der Zukunft des Regimes willen an den Wahlen zu beteiligen, kein Echo gefunden haben, insbesondere nicht bei den jungen Generationen«. Dies, so die Conclusio, spiegle erneut den anhaltenden Rückgang der Popularität und Legitimität des Regimes wider.

Wer wird gewinnen?

Der iranische Politologe Saeed Shawwardi meinte, die Konservativen hätten den Reformisten den Sieg in der ersten Runde auf einem Silbertablett serviert, »oder sie haben sich zumindest dafür entschieden, die Wahlen in der ersten Phase nicht zu gewinnen, weil sie gespalten waren und darauf bestanden, mit mehr als einem Kandidaten anzutreten«.

Shawwardi fügte hinzu, die Konservativen wären leicht in der Lage gewesen, mehr Stimmen zu erhalten und die Wahlen bereits in der ersten Runde zu gewinnen, »hätten sie sich von Anfang an auf einen Kandidaten geeinigt«. Dies werde durch die Kombination der Stimmen von Dschalili und Qalibaf bestätigt, die insgesamt rund 2,3 Millionen Stimmen mehr einfahren konnten als Peseschkian.

Bleibe die Beteiligung im zweiten Durchgang mit rund vierzig Prozent auf der Höhe des ersten, »wird Dschalili die Wahlen gewinnen, weil er die Stimmen von Qalibafs Anhängern auf sich vereinigen können wird. Die kommenden Tage werden für die Reformisten und die Konservativen schicksalhaft und der Wettbewerb wird stark und intensiv sein.«

Die Präsidentschaftswahlen fanden statt, nachdem der iranische Präsident Ebrahim Raisi, sein Außenminister Hussein Amir Abdollahian und die sie begleitende Delegation bei einem Hubschrauberabsturz in der Provinz Ost-Aserbaidschan ums Leben gekommen waren, als sie am 19. Mai von der Eröffnungsfeier eines Staudamms an der Grenze zu Aserbaidschan zurückkehrten.

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