Die Politik der Islamischen Republik Iran folgt seit jeher einem sich wiederholenden Muster: der Dualität von Rhetorik und Handeln zwischen dem Obersten Führer und den Regierungsfunktionären.
Diese Taktik, insbesondere im Umgang mit internationalen Fragen und innenpolitischen Krisen, die als Arbeitsteilung zwischen zwei verschiedenen Fraktionen innerhalb der Machtstruktur der Islamischen Republik interpretiert werden kann, hat sich über Jahrzehnte als Strategie zur Aufrechterhaltung des Systems bewährt.
Ein aktuelles Beispiel für diese Doppelstrategie findet sich in den Äußerungen von Masoud Peseschkian, dem iranischen Präsidenten, und Ali Khamenei, dem Obersten Führer der Islamischen Republik. So verkündete Peseschkian, der Iran sei zu direkten Verhandlungen mit den Vereinigten Staaten bereit, während Khamenei nur wenige Tage zuvor solche abgelehnt hatte.
Dieses doppeldeutige Verhalten ist nicht nur in der Außenpolitik, sondern auch innerhalb des Landes zu einem Instrument geworden, um die überhandnehmenden Krisen zu bewältigen und das Überleben des Regimes zu sichern. Aber ist diese Strategie noch wirksam? Werden die iranische Bevölkerung und die internationale Gemeinschaft durch diese Taktik immer noch getäuscht?
Dualität der Macht
Seit der Gründung der Islamischen Republik im Jahr 1979 basiert die politische Struktur dieses Systems auf Dualität: Auf der einen Seite die »Regierung« als Vertreterin diplomatischer Bemühungen und Flexibilität und auf der anderen die »Führung« als Verteidigerin ideologischer Werte und revolutionärer Prinzipien. Dieses Prinzip wird besonders in Krisenzeiten deutlich, in denen sich die Regierung als verhandlungs- und kompromissbereit präsentiert, während der Oberste Führer durch eine harte Haltung grundlegende Veränderungen verhindert.
Ein Beispiel dieser Politik waren die Verhandlungen zum Atomabkommen (JCPOA): Bemühte sich die Regierung von Hassan Rohani und Außenminister Javad Zarif auf diplomatischer Ebene um einen Abschluss des Abkommens, bot der Oberste Führer nur zweideutige Unterstützung an und betonte sein Misstrauen gegenüber dem Westen. Dieser Ansatz beschränkt sich nicht nur auf den Umgang mit den Vereinigten Staaten, sondern erstreckt sich auch auf andere sensible Themen wie die Präsenz des Irans in der Region und den Umgang mit Menschenrechten.
Die Arbeitsteilung zwischen Regierung und Führung verfolgt mehrere Ziele:
- Umgang mit internationalem Druck: Gerät das Regime unter Druck der Weltgemeinschaft, nimmt die Regierung eine verhandlungsbereite Haltung ein und zeigt sich kooperationswillig, um die Intensität dieses Drucks zu verringern. Währenddessen hält die Führung an ihren prinzipientreuen Standpunkten fest und verhindert so jede echte Veränderung der übergreifenden Politik des Regimes.
- Falsche Hoffnung in der Bevölkerung wecken: Im Inland funktioniert diese Strategie so, dass sie vorübergehend die Hoffnung der Öffentlichkeit auf Besserung weckt. Sprechen Regierungsfunktionäre beispielsweise von Verhandlungen und der Aufhebung von Sanktionen, schöpfen die Menschen Hoffnung, dass die wirtschaftlichen Probleme gelöst werden könnten. Rasch wird jedoch klar, dass es sich bei solchen Aussagen lediglich um politische Manöver handelt ohne eine tatsächliche Änderung der Situation.
- Täuschung der internationalen Gemeinschaft: Die internationale Gemeinschaft ist wiederholt in die Falle dieser Strategie getappt. Westliche Mächte, die auf einen Wandel des iranischen Verhaltens hofften, haben Verhandlungen aufgenommen, nur um schließlich erkennen zu müssen, dass diese Gespräche lediglich Taktiken waren, um Zeit zu gewinnen und die internen Positionen des Regimes zu stärken.
Jahrelanges Spiel
Im jüngsten Beispiel für diese Arbeitsteilung verkündete Peseschkian, sein Land sei bereit, mit den USA zu verhandeln, wobei er auch behauptete, die Islamische Republik habe nie versucht, den nun wieder amtierenden Präsidenten Donald Trump zu töten. Diese Äußerungen kamen nur wenige Tage, nachdem Ali Khamenei jegliche Verhandlungen mit den USA abgelehnt und von tiefem Groll gegen Trump gesprochen hatte.
Dieser klare Widerspruch zwischen zwei hochrangigen Vertretern der Islamischen Republik zeigt, dass die Taktik der Doppeldeutigkeit weiterhin ein zentrales Instrument ihrer Politikgestaltung ist.
Das Ziel der widersprüchlichen Aussagen ist es, unterschiedliche Botschaften an verschiedene Zielgruppen zu senden. An die internationale Gemeinschaft soll vermittelt werden, der Iran sei verhandlungsbereit; zugleich sollen die Anhänger des Regimes im Inland im Glauben bestärkt werden, die Grundsätze der Revolution blieben intakt und es würden keine Kompromisse mit dem Feind eingegangen werden.
Obwohl dieser duale Ansatz jahrelang zur Aufrechterhaltung der Islamischen Republik beigetragen hat, scheint er nicht mehr so wirksam zu sein wie früher, wobei sich die Gründe dafür wie folgt zusammenfassen lassen:
- Öffentliches Misstrauen: Nach Jahren ineffektiver Politik und leerer Versprechungen vertraut die Bevölkerung diesen politischen Manövern nicht mehr. Sie ist sich bewusst, dass es keinen bedeutenden Wandel in der Gesamtpolitik des Landes geben und ihr Leben weiterhin von wirtschaftlichen, sozialen und politischen Nöten beherrscht sein wird, solange das jetzige Regime an der Macht ist.
- Internationale Ermüdung: Die westlichen Länder haben allmählich erkannt, dass die Strategien des Irans letztlich bloß darauf abzielen, Zeit zu gewinnen, ohne ihre Taktiken wirklich zu ändern. Infolgedessen sind die internationalen Reaktionen auf Äußerungen iranischer Funktionäre weitaus weniger wohlwollend als in der Vergangenheit.
- Schwäche des Regimes: In den letzten Jahren war die Islamische Republik mit zahlreichen Krisen konfrontiert, von Protesten im Inland bis hin zu internationaler Isolation und Misserfolgen bei ihren regionalen Projekten. Diese Umstände deuten darauf hin, dass sich das Regime in seiner schwächsten Phase befindet und sich nicht mehr ausschließlich auf seine früheren Verhaltensweisen verlassen kann, um sein Überleben zu sichern.
Keine Hoffnung auf Änderung
Die vielleicht gravierendste Folge dieser Politik der Doppeldeutigkeit ist der verloren gegangene Optimismus der Bevölkerung. In den letzten Jahren bauten viele Iraner auf eine Verbesserung der wirtschaftlichen und sozialen Bedingungen des Landes, wenn von Verhandlungen oder Vereinbarungen die Rede war, doch jedes Mal war das Ergebnis nichts anderes als eine weitere Enttäuschung.
Heute ist ein Großteil der Bevölkerung zu dem Schluss gekommen, dass die Probleme nicht durch Verhandlungen mit dem Westen aus der Welt geschafft werden können, sondern vielmehr durch die Lösung der zugrunde liegenden innenpolitischen Strukturprobleme, die dem reformunfähigen Regime zu verdanken sind. Die rigide Unterdrückung von Protesten und der Mangel an politischer Freiheit haben jedoch dazu geführt, dass viele Menschen desillusioniert sind und keine Aussicht auf einen Wandel besteht.
Die Arbeitsteilung zwischen der Führung und den Regierungsfunktionären in der Islamischen Republik hat sich jahrzehntelang als erfolgreiche Taktik erwiesen. Diese Politik hat es dem Regime in der Vergangenheit ermöglicht, diverse Krisen zu bewältigen und sein Überleben zu sichern. Heute hat diese Strategie jedoch ihre frühere Wirksamkeit verloren. Sowohl das iranische Volk als auch die internationale Gemeinschaft sind sich dieser politischen Manöver bewusst und lassen sich nicht mehr von ihnen täuschen.
Für den Iran wäre es an der Zeit, echte Reformen anzustreben. Dennoch scheint das Regime weiterhin darauf zu beharren, seine ewiggleichen Muster anzuwenden, um Zeit zu gewinnen, anstatt die Ursachen seiner Probleme anzugehen. Währenddessen leidet die Bevölkerung unter beispiellosen Nöten und es besteht kaum noch Hoffnung auf eine Veränderung innerhalb der bestehenden Strukturen.