Eine aktuelle Analyse zeigt: Die Luftabwehrradare des Irans sind weniger vernetzt als angenommen.
Zu einem Zeitpunkt, an dem der amerikanische Präsident Donald Trump mit militärischen Maßnahmen droht, um das Atomprogramm des Irans einzudämmen, hat eine neue Open-Source-Analyse ergeben, dass die Luftabwehrsysteme um eine der wichtigsten Atomanlagen möglicherweise weniger vernetzt und daher anfälliger sind als erwartet. Die Untersuchung stammt vom James Martin Center for Nonproliferation Studies, das laut Analysten einen seltenen Fehler der iranischen Sicherheitsbehörden ausnutzte, um Einblick in die Radardaten rund um Natanz zu erhalten, einer wichtigen iranischen Atomanlage.
Der Forscher am Martin Center Sam Lair erklärte, dass der Einblick zwar nur sehr kurz war, aber »den klarsten Blick auf die Luftabwehr von Nuklearstandorten ermöglichte, den wir je hatten«. Er fügte hinzu, dass dies sowohl hinsichtlich der Menge der gewonnenen Daten als auch hinsichtlich des Fehlers der iranischen Zensurbehörden, die solche Informationen in der Vergangenheit stets vertuscht hatten, bemerkenswert sei.
Die Informationen stammen aus einem etwa zwei Sekunden dauernden Clip aus einer iranischen Kommandozentrale, der anlässlich des ersten Jahrestags der israelischen Angriffe auf eine iranische Drohnenanlage in der Nähe von Natanz veröffentlicht worden war. In diesem Clip zeigen drei Bildschirme Informationen von vier Radarsystemen.
Anhand dieser Informationen und öffentlich zugänglicher Bilder konnten Lair und seine Kollegen die Radargeräte geolokalisieren und feststellen, um welche Art von Systemen es sich in der Umgebung von Natanz handelt. Der interessanteste Aspekt ist jedoch die Tatsache, dass die Radargeräte auf verschiedenen Bildschirmen angezeigt werden mussten, was darauf hindeutet, dass die Systeme – ein Sammelsurium älterer Radarkonstruktionen – nicht zusammenarbeiten können.
Überraschende Erkenntnisse
»Es ist überraschend, dass die Verteidigungsanlagen für einen der modernsten Standorte so isoliert und fragmentiert sind. Ich hätte für einen so wichtigen Bereich etwas mehr Raffinesse erwartet«, ist Lair erstaunt.
Auf die Möglichkeit angesprochen, ob es sich bei der Veröffentlichung der Bilder um eine bewusste Irreführung handeln könnte, erklärte der Forscher, dass er dies bezweifle: »Ich denke, das ist einfach eine grundlegende Wahrheit über den Menschen: Wir machen irgendwann Fehler. Und manchmal sind Redakteure schlecht in ihrem Job. Ich glaube, es handelt sich um einen wirklichen Fehler, denn in vielen anderen Videos sind sie viel sorgfältiger, die Monitore zu verwischen.«
Es wäre auch nicht das erste Mal, dass vom Iran geteilte Bilder aus Natanz eifrigen Open-Source-Analysten als Material dienten. Im Jahr 2008 besuchte der damalige iranische Präsident Mahmoud Ahmadinejad die Atomanlage und wurde bei einer ausgiebigen Tour fotografiert, wobei Fotos auch Uranzentrifugen zeigten, was ein Analyst gegenüber der New York Times als »Informationen, für die man töten würde«, bezeichnete.
Dass die iranischen Verteidigungssysteme möglicherweise nicht so gut in der Lage sind, Daten auszutauschen, wie bisher angenommen, könnte für amerikanische oder israelische Militärstrategen von Bedeutung sein, wenn sie Optionen gegen Teheran abwägen, für einen möglichen Angriff auf Natanz dürften die neuen Informationen laut Lair jedoch keine Rolle spielen. »Wir waren überrascht«, sagte Lair, »aber als wir genauer darüber nachdachten, waren wir überrascht, wie wenig sich dadurch an der strategischen Kalkulation ändert«. Das liegt daran, dass Natanz über ein Netzwerk unterirdischer Anlagen verfügt, die selbst mit sogenannten Bunkerbrecher-Waffen nur schwerlich durch Luftangriffe zerstört werden können.
Allerdings könnte dies Auswirkungen auf andere, weniger gut gesicherte Nuklearstandorte haben, wenn sich die schwache Vernetzung der iranischen Verteidigungssysteme bestätigt. Ironischerweise könnte dies auch bedeuten, dass kinetische Angriffe mit Raketen zwar leichter die Luftabwehr überwinden könnten, aber Cyber-Angriffe weniger wirksam wären, da sie Schwierigkeiten hätten, von einem System zum anderen zu springen.
»Das deutet vielleicht darauf hin, dass die Iraner Hardware aus so unterschiedlichen Quellen verwenden, dass diese Systeme möglicherweise nicht gut miteinander kompatibel sind. Es ist überraschend, dass an den sensibelsten Standorten eine derart nicht integrierte Verteidigungsstruktur vorhanden ist. Und vielleicht gilt das auch für andere Orte«, so Sam Lair. Die Erkenntnisse seien zwar schwierig zu verallgemeinern, aber überraschend seien sie allemal.