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Iran bombardiert Irakisch-Kurdistan

Die irnaischen angriffe auf die autonome Region Kurdistan im Irak gehen weiter
Die iranischen Angriffe auf die autonome Region Kurdistan im Irak gehen weiter (© Imago Images / ZUMA Wire)

Mit den jüngsten Angriffen im Irak hat der Iran zumindest eines schon erreicht: Eine Welle der Solidarität mit den iranischen Protesten gegen die Islamische Republik.

Iranische Drohnen- und Artillerieangriffe auf Einrichtungen der iranisch-kurdischen Oppositionsparteien haben am Mittwoch mindestens dreizehn Menschen getötet und weitere verletzt. Bilder von Schulkindern, die sich hinter Felsen in Sicherheit brachten, machten auf kurdischen und iranischen Social-Media-Accounts die Runde, denn die Angriffe, die Ziele in der Nähe der kurdischen Städte Koya und Suleymaniah trafen, galten nicht nur militärischen Zielen, sondern der zivilen Infrastruktur.

Die beiden angegriffenen Parteien sind seit Jahrzehnten sowohl mit Milizen als auch zivilen Einrichtungen in Irakisch-Kurdistan präsent, haben allerdings in den letzten Jahren den bewaffneten Kampf gegen das iranische Regime aufgegeben. Beide Parteien versorgen in ihren Camps Flüchtlinge aus dem Iran und unterhalten dort Schulen, Altenheime und andere Einrichtungen für Zivilisten. Für das Regime im Iran gelten sie als »Terroristen« und »aus dem Ausland gesteuerte Feinde der Islamischen Revolution«, die es, so eine Stellungnahme der Revolutionsgarden, bekämpfen werde, bis ihre Präsenz im Irak beendet sei.

Schon kurz nach dem gewaltsamen Tod der Kurdin Mahsa Jina Amini, der die Massenproteste im Iran auslöste, bombardierte der Iran einige Stellungen iranischer-kurdischer Parteien im Grenzgebiet, der Angriff vom Mittwoch allerdings war der schwerste seit Langem.

Das Regime ist nervös

»Sie wollen, dass wir uns rächen und zurückschlagen und uns dann die Schuld in die Schuhe schieben«, erklärt Hiwa Bahrami, Europasprecher der Kurdischen Demokratischen Partei –­ Iran (KDP-I) in einem Gespräch mit Mena-Watch. »Aber das werden wir nicht tun, sondern weiter die Massenproteste unterstützen.« Das Regime sei, so Bahrami, äußerst nervös, eben weil das Opfer Kurdin gewesen sei und nun zum ersten Mal seit undenkbarer Zeit sich überall im Land Menschen mit ihr solidarisierten und es nicht wie früher zu Spaltungen entlang ethnischer und religiöser Zugehörigkeiten komme. In Iranisch-Kurdistan ist zudem der Widerstand gegen das Regime traditionell besser organisiert als in vielen anderen Teilen des Landes.

In mehreren kurdischen Städten gelang es den Demonstranten in den letzten Tagen, Sicherheitskräfte und Basiji-Milizionäre zu verjagen und zumindest kurzfristig die Kontrolle zu übernehmen:

»Die Stadt Oshnavieh, auf Kurdisch als Shno bekannt, fiel Berichten zufolge in die Hände von Demonstranten. Auf Videos, die auf iranischen und kurdischen Telegram-Kanälen kursieren und von Rudaw English verifiziert wurden, ist zu sehen, wie Tausende Demonstranten durch die Stadt marschieren und dabei Regierungsbüros, Banken und einen IRGC-Stützpunkt in Brand setzen.«

»Sie haben Angst, dass diese Einheit für sie gefährlich wird«, so Bahrami, »und suchen einen Schuldigen. Das sollen dann wir und die Komala sein.«

Kurdische Kooperation …

Seit einiger Zeit arbeiten die beiden Parteien enger zusammen: Die KDP-I wurde 1945 gegründet und unterhält traditionell recht enge Beziehungen zur Demokratischen Partei Kurdistan im Irak; Komala ist der kurdische Ableger der iranischen Kommunisten.

Verärgert zeigt sich deshalb Bahrami über Medienberichte in Deutschland, die seine Partei als »Separatistengruppe« bezeichnet: Wie die Komala auch, fordere man seit jeher den Sturz des Mullah-Regimes und die Schaffung eines demokratischen föderalen Iran. Ihn ärgert, dass man in Europa sofort an die PKK und ihre Unterorganisationen denke, wenn von Kurden die Rede sei, dabei sei seine Partei die viel ältere und traditionsreichere.

Auch fiele auf, dass die Stellungen der PJAK, einer iranischen Schwesterpartei der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK), von den Angriffen weitgehend verschont geblieben sei. Sowohl die irakische KPD als auch die KDP-I werfen der PKK seit Jahren vor, enge Beziehungen zum Iran zu unterhalten. Umso mehr begrüßt Bahrami, dass sich prominente Vertreter der türkisch-kurdischen HDP so deutlich mit den Demonstrationen im Iran solidarisieren.

So haben sich der in der Türkei inhaftierte ehemalige Vorsitzende der HPD Selahattin Demirtaş und andere Gefangene aus Solidarität die Haare geschoren, und nicht nur in Irakisch-Kurdistan und der Türkei, sondern auch in Rojava, den kurdischen Selbstverwaltungsgebieten in Nordostsyrien, kam es in den letzten Tagen zu Solidaritätskundgebungen.

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…  aber auch Gespaltenheit

Anders dagegen verlief eine Kundgebung im irakisch-kurdischen Suleymaniah: Hier versuchten Sicherheitskräfte, die Demonstration zu unterbinden. In Suleymaniah hat traditionell die Patriotische Union Kurdistan (PUK) das Sagen, die anders als die KDP enge Beziehungen zum Iran unterhält. Dies zeigt einmal mehr, wie tief gespalten die kurdischen Parteien auch im Irak sind.

Die Angriffe wurden derweil nicht nur von der irakischen Regierung, die den iranischen Botschafter einbestellte, und kurdischen Politikern scharf verurteilt, sondern auch den USA, der UNO und Deutschland. Ob es allerdings zu weiteren Schritten gegen das Regime in Teheran kommen wird, wie etwa von der KDP-I in einer Erklärung gefordert, ist unklar. Ohne internationalen Druck und Unterstützung der Demonstrationen, so auch die Befürchtung von Bahrami, könnte es den Sicherheitskräften im Iran erneut gelingen, die Protestbewegung mit äußerster Brutalität niederzuschlagen. Täglich steigen die Zahlen derjenigen, die getötet oder verletzt wurden, und einmal mehr füllen sich auch die Gefängnisse des Landes.

Trotzdem gehen die Proteste auch am Tag dreizehn nach Aminis Tod im ganzen Land weiter, und inzwischen werden auch Forderungen nach Streiks in der wichtigen Ölindustrie lauter. Mit den jüngsten Angriffen im Irak hat der Iran zumindest schon eines erreicht: Eine Welle der Solidarität mit den Protesten im Iran in allen Teilen Kurdistans, verbunden mit der vielfältig geäußerten Hoffnung, dass es diesmal gelingen könnte, das verhasste Regime in Teheran endlich zu stürzen.

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