Nach Jahrzehnten des Aufbaus bewaffneter Gruppen in mehreren arabischen Ländern sieht sich der Iran einem klaren Moment der Schwäche gegenüber, während er die schweren Schläge ignoriert, die seine Verbündeten erhalten.
Seit über drei Monaten erleiden die Verbündeten des Irans einen Schlag nach dem anderen, seitdem der hochrangige Hisbollah-Militärbefehlshaber Fuad Shukr und der Chef des Hamas-Politbüros Ismail Haniyeh getötet wurden. Die Eliminierung Haniyehs erfolgte sogar direkt in Irans Hauptstadt Teheran. Vor einigen Tagen kam noch Hisbollah-Generalsekretär Hassan Nasrallah bei einem israelischen Angriff in Beirut ums Leben, was sowohl für die Terrororganisation selbst als auch für Teheran ein schwerwiegender Verlust ist.
Seit vierzig Jahren unterstützt der Iran die Hisbollah und baut sie als eine seiner Frontlinien gegen Israel auf. In den letzten zwei Wochen war die Miliz jedoch einer raschen Folge von Angriffen ausgesetzt, die zu einem Zusammenbruch ihrer Aktivitäten führten, aber auch ihr Raketenarsenal und ihre Kommunikationsstrukturen beschädigten.
Als Reaktion auf diese Entwicklungen griff der Iran den jüdischen Staat am Dienstagabend mit fast zweihundert ballistischen Raketen an, von denen Israel nach eigenen Angaben die meisten abfangen konnte. Teheran hingegen gab an, strategische Ziele getroffen zu haben, doch der Angriff forderte außer dem Tod eines Palästinensers im Westjordanland keine weiteren Opfer.
Was steckt hinter dem Angriff?
Der Analyst bei der International Crisis Group Ali Faez bezeichnete den Angriff vom Dienstag als waghalsigen Schritt des iranischen Regimes, der die zunehmenden Herausforderungen widerspiegle, mit denen es konfrontiert ist, während seine engsten Partner an mehreren Fronten geschwächt wurden. Er fügte hinzu, dass das Ausbleiben einer Reaktion »die Glaubwürdigkeit des Irans bei seinen Verbündeten weiter hätte schmälern und den Eindruck erwecken können, dass er sich nicht bewegt«.
Obwohl Teheran erklärte habe, dass die Sache damit beendet sei, ist Faez der Ansicht, dass »die ganze Angelegenheit in Wirklichkeit weit davon entfernt ist, ein Ende gefunden zu haben«. Das letzte Wort in diesem Konflikt gehöre nicht dem Iran, sondern Israel und den Vereinigten Staaten. Angesichts der jüngsten Entwicklungen im Gazastreifen, im Libanon und im Jemen, wo die mit dem Iran verbündeten Huthi-Rebellen präsent sind, »ist diese Konfrontation noch nicht vorbei«.
Der ägyptische Militär- und Strategieexperte und Berater am Command and Staff College Osama Mahmoud Kabir ist der Ansicht, dass der iranische Angriff einzig ein taktisches Ziel verfolgt habe, nämlich »der Hisbollah Zeit zu verschaffen, um nach der Tötung ihres Generalsekretärs Hassan Nasrallah Luft zu holen, ihre Kräfte zu sammeln und die Situation in der Führungsstruktur der Partei neu zu ordnen«.
Kabir fügte hinzu, der Angriff sei erfolgt, nachdem Israel bereits am Montagabend damit begonnen hatte, in den Südlibanon einzudringen, um den Erfolg der jüngsten Angriffe auf die Hisbollah auszunutzen und »den Schwung mitzunehmen, um den Prozess der Beseitigung der Gruppe vor Ort abzuschließen«.
Zeichen der Schwäche?
Zu den Auswirkungen des Angriffs sagte der libanesische Politikanalyst Muwaffaq Harb, der Iran wollte reagieren, ohne einen umfassenden Krieg zu riskieren: »Das ist die Gleichung, wie der Iran sie haben möchte. Der jüngste Angriff ist ein Versuch, regionale Einsatzregeln zu finden, aber wir wissen immer noch nicht, wo die roten Linien innerhalb des Rahmens dieser Regeln verlaufen.«
Der Iran wollte mit diesem Angriff sein Ansehen und seinen Ruf bei seinen Unterstützern wiederherstellen, ist Harb der Ansicht, aber die Region sei damit in eine neue Phase eingetreten: »Die Stellvertreterkriege sind beendet und wir sehen den Beginn direkter Konfrontationen, nachdem die regionalen Verteidigungslinien des Irans wie die Hisbollah und die Hamas in den letzten Monaten erheblich geschwächt wurden.«
Auch der Iran-Experte Hassan Hashemian ist der Ansicht, dass der Angriff die Schwäche des Irans und den Rückgang seines Einflusses unter seinen Anhängern und Agenten bewiesen habe. Um die schiitische Bevölkerung im Libanon und seine Loyalisten und Parteigänger zu täuschen, habe »der Iran diese Farce inszeniert«, die Welt aber »wisse sehr gut, dass jeder militärische Angriff kein Selbstzweck ist, sondern von seinen Ergebnissen und Auswirkungen abhängt, die sich erst danach und aus ihm ergeben. Was den iranischen Angriff betrifft, gibt es keinen Hinweis auf solche Ergebnisse.«
Er glaube nicht, sagte Hashemian abschließend, dass auch nur halbwegs neutrale Beobachter die triumphalen Botschaften teilen werden, die der Iran über die Ergebnisse seiner Attacke verkündet hat: »Jetzt ist für alle ersichtlich, dass der Iran eine Katze ist, die sich bloß als Löwe getarnt hat.«







