Die in London lebende und im Iran geborene Menschenrechts- und Frauenaktivistin Elaaheh Jamali ist in den letzten zwei Jahren durch ihre aktive Rolle gegen das iranische Regime und dessen Unterdrückung der Frauen bekannt geworden.
Etgar Lefkovits
Es war der Tag nach dem Hamas-Massaker vom 7. Oktober 2023, als britische Juden eine kleine Veranstaltung zur Unterstützung Israels vor der israelischen Botschaft in London organisiert hatten. Elaaheh Jamali erfuhr von einigen ihrer iranisch-jüdischen Freunde von der Kundgebung und kam mit ihrer Mutter, ihrer Schwester und ihrem Schwager in der Erwartung, dort Hunderte Londoner zu sehen, die ihrem Protest gegen das größte antijüdische Massaker seit dem Holocaust Ausdruck verleihen. Tatsächlich waren sie und ihre Verwandten die einzigen vier Nicht-Juden unter den Dutzenden von Menschen, die sich versammelt hatten.
Die Veranstaltung war ein Wendepunkt im Leben der 37-jährigen in London lebenden, im Iran geborenen Menschenrechts- und Frauenaktivistin, die in den sozialen Medien auch als LilyMoo (persisch für »dunkle Schönheit«) bekannt ist und in den vergangenen zwei Jahren in Großbritannien durch ihre aktive Rolle gegen das iranische Regime und dessen Unterdrückung iranischer Frauen bekannt geworden ist.
»In diesem Moment wusste ich, das ist erst der Anfang«, sagte Jamali in einem Interview mit dem Jewish News Syndicate in Tel Aviv. »Ich spürte das gleiche Gefühl der Isolation und des Verlassenseins und dass diese Menschen genauso einsam sind wie die Iraner selbst. Es ließ mich innerlich ein wenig sterben, dass die Leute einfach vorbeigingen und die jüdischen Demonstranten bloß ansahen, ohne sich mit ihnen solidarisieren.«
Seit diesem Tag setzt sich die zur Menschenrechtsaktivistin gewordene iranische Modeunternehmerin trotz Todesdrohungen ununterbrochen für Israel ein. Prompt wurde eine Fatwa, ein islamischer religiöser Erlass, gegen sie erlassen, der sie für fast einen Monat untertauchen ließ. Als sie im November von der jüdischen Gemeinde gebeten wurde, auf einer weiteren Veranstaltung zu sprechen, überlegte sie erst, ob sie verkleidet teilnehmen sollte, doch ihre Mutter ermahnte sie: »Du gehst selbst als stolze iranische Frau.« Der Rest sei Geschichte, meinte Jamali.
Etwas tun gegen die Ohnmacht
In diesem Frühjahr reiste Jamali zum ersten Mal nach Israel, als Teil einer Delegation von neun im Ausland lebenden Iranern, die vom israelischen Außenministerium gesponsert wurde. Ihre einzige frühere Begegnung mit Israelis war, so erzählte sie, in einem Einkaufszentrum in England, wo sie einem der allgegenwärtigen Teams von Israelis um die zwanzig begegnete, die Kosmetikprodukte vom Toten Meer verkaufen.
Am ersten Tag ihres Besuchs stellte sie fest, dass die Führer der Hamas in Teheran sitzen. Die Rhetorik der Islamischen Republik gegen Israel nahm zu und der Krieg gegen die Hamas tobte; sie fühlte sich Israel so verbunden, dass sie beschloss, einen Monat statt der ursprünglich vorgesehenen fünf Tage zu bleiben.
Jamali rechnete nicht mit dem, was als Nächstes geschah: In einem noch nie dagewesenen direkten Angriff auf den jüdischen Staat attackierte der Iran Israel mit dreihundert Raketen und Drohnen. Kurzerhand trat sie in Aktion und gab 72 Stunden lang nonstop Interviews von dem Vorort von Tel Aviv aus, in dem sie bei einem Freund wohnte.
»Ich hatte das Gefühl, etwas unternehmen und im Namen des iranischen Volks sprechen zu müssen, um der Welt mitzuteilen, dass dieser Krieg gegen ein souveränes Land nicht im Namen des iranischen Volks geführt wird«, sagte sie und erklärte, wie sie ihre Angst vor den einfliegenden Raketen unterdrückte: »Manchmal muss man blindes Vertrauen haben, sonst verliert man den Verstand. Ich habe den IDF und dem israelischen Raketenabwehrsystem vertraut.«
Dennoch war sie nicht ungerührt, als sie sich plötzlich an der Seite von Israelis an der Frontlinie eines Kriegs wiederfand. »Nach 45 Jahren [seit der iranischen Revolution 1979], in denen mein Land in Geiselhaft gehalten wird, sah ich nun, wie meine [israelischen] Cousins von denselben Geiselnehmern im Iran angegriffen wurden.« Der Schock dieses Tages, den sie durch die Vereinigung von Israelis und Persern gegen Extremismus und Hass abzuwehren suchte, brachte sie zurück zu dem Trauma, das sie als Kind in der Islamischen Republik erlitten hatte.
Noch drei Jahrzehnte später erinnert sie sich, wie sie ihren Vater nach den Schildern mit der Aufschrift »Tod für Israel« an Gebäuden in ihrer Heimatstadt Isfahan fragte. Sie erinnert sich, dass sie gezwungen wurde, solche und ähnliche Gesänge gegen Amerika zu wiederholen, dass sie zum Beten gezwungen wurde und schon als kleines Mädchen ihr Haar bedecken musste. »Das war pure Misshandlung«, sagte Jamali. Als sie dreizehn Jahre alt war, konnte ihre Familie fliehen und erhielt politisches Asyl im Vereinigten Königreich.
Die Ermordung der 22-jährigen Jina Mahsa Amini durch die berüchtigte iranische Sittenpolizei im Jahr 2022, weil sie angeblich ihr Kopftuch nicht angemessen trug, veranlasste sie, ihr Leben radikal zu ändern und sich hauptberuflich für iranische Frauen einzusetzen. »An diesem Tag im September 2022 hörte ich auf, etwas anderes zu tun», sagte Jamali. »Aber seit dem 7. Oktober arbeite ich nun doppelt.«
Schändlicher Einfluss der Medien
Die iranische Aktivistin findet harte Worte für die Berichterstattung der Medien über den aktuellen Krieg zwischen Israel und der Hamas und zieht Parallelen zur iranischen Revolution von 1979 und der Art und Weise, wie die Islamisten fast ein halbes Jahrhundert lang die Macht behalten haben. »Dieselbe Propaganda, welche den von der Islamische Republik im Westen verbreiteten Lügen ihr Gewicht verliehen hat, plagt nun Israel«, so Jamali.
Das iranische Regime habe an Stärke gewonnen, »weil sich die Kommunisten und die radikale Linke mit den islamischen Fundamentalisten verbündet haben, zusammen mit Sendern wie BBC und CNN, die ihnen Legitimität verleihen«. Jamali beklagte, die etablierten Medien hätten keinerlei Verständnis für die Lebenswirklichkeit im Nahen Osten und predigten aus ihren Fernsehstudios oder Nachrichtenredaktionen Moralvorstellungen, die nur ihrem eigenen Bewusstsein dienen. »Sie wollen die Terroristen umarmen, damit diese sich bessern, und dann sagen: Wir haben es wenigstens versucht.«
Die Tatsache, dass die Welt den Angriff auf israelische Frauen am 7. Oktober leugnete, gab der iranischen Aktivistin das akute Gefühl eines Déjà-vu. »Dieselbe freie Welt mit ihren angesehenen Institutionen, die den iranischen Frauen ihre Menschlichkeit verweigert hat, wiederholt dasselbe nun mit den israelischen Frauen, die ihrer Würde und Menschlichkeit beraubt werden«, sagte Jamali während ihrer jüngsten Reise nach Israel. Sie war zu einer Konferenz über geschlechtsspezifische Gewalt angereist, die vom European Leadership Network (ELNET), einer Nichtregierungsorganisation zur Förderung der israelisch-europäischen Beziehungen, veranstaltet wurde.
Die Iranerin äußerte sich empört, wenn nicht gar überrascht darüber, dass westliche feministische Gruppen und Frauen im Allgemeinen monatelang geschwiegen haben, obwohl sie Bilder von blutigen und misshandelten israelischen Frauen zu sehen bekamen. »Wenn man den 7. Oktober leugnet, leugnet man seine eigene Menschlichkeit«, sagte sie.
Trotz der schwierigen Situation, in der sich Israel in der Welt befindet, ist Jamali davon überzeugt, dass eine bessere Zukunft bevorsteht und das radikale Regime der Islamischen Republik in den letzten Zügen liegt. »Sie sagen, Israel verliere den Medienkrieg und den PR-Krieg. Sollen sie das doch sagen. Die Wahrheit wird am Ende immer siegen.«
Sie glaube den israelischen Frauen, deren Berichte über die erlebten Gräueltaten und werde das immer wiederholen: »Meine Stimme, unsere Stimme, wird immer zusammen sein«, sagte Jamali, die darauf besteht, dass ihre Stimme heute die Stimme der meisten Iranerinnern und Iraner ist.
Der Text erschien auf Englisch zuerst beim Jewish News Syndicate. (Übersetzung von Alexander Gruber.)