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Iran: Versprechungen zur Aufhebung der Zensur sind bloß Wahlpropaganda

Auch bei Problemen für Wirtschaft: Irans Regime kann auf Internet-Zensur nicht verzichten
Auch bei Problemen für Wirtschaft: Irans Regime kann auf Internet-Zensur nicht verzichten (© Imago Images / NurPhoto)

Rund um die jüngsten Wahlen im Iran ist die Diskussion über die Aufhebung der Zensur bestimmter Websites und Plattformen wieder aufgeflammt. Es bleibt bei leeren Versprechungen.

Mohammad Bagheri, ein parlamentarischer Kontrolleur in der Arbeitsgruppe zur Ermittlung krimineller Inhalte, kündigte an, dass seine Organisation bereit sei, die Zensur von Internetseiten aufzuheben, die keine kriminellen Inhalte aufweisen. Einige Experten führen diese Aussagen jedoch eher auf Wahlversprechen als auf tatsächliche Absichten zu solch einem Vorgehen zurück.

Wahlversprechen oder echte Absicht?

Wahlversprechen zur Aufhebung der Zensur werden von Präsidentschaftskandidaten im Vorfeld von Wahlen immer wieder gemacht, doch in der Praxis sind keine wesentlichen Änderungen der Zensurpolitik zu beobachten. So sagte Mostafa Pourmohammadi einst die Aufhebung der Zensur im Falle seiner Wahl zu, doch weder in seiner Amtsperiode als Innenminister unter Mahmud Ahmadinedschad noch als Justizminister unter Hassan Rohani schien er sich daran erinnern zu wollen.

Das Problem erinnert an analoge Situationen in anderen diktatorischen Ländern, in denen ähnliche Versprechungen gemacht werden, letztendlich aber der freie Zugang zu Informationen eingeschränkt wird. In China kontrolliert und zensiert die Regierung ständig das Internet, wobei diese Maßnahmen in der Regel bei politisch sensiblen Ereignissen verschärft werden.

Eines der größten Probleme bei der Aufhebung der Zensur sind die Widersprüche und Ungereimtheiten in der institutionellen und rechtlichen Entscheidungsfindung. Der Oberste Rat für den Cyberspace, die Arbeitsgruppe zur Ermittlung krimineller Inhalte und die Sicherheitsbehörden haben jeweils unterschiedliche und manchmal widersprüchliche Aufgaben in dem Bereich, für den sie gemeinsam zuständig sind.

Diese Widersprüche deuten auf ein unkoordiniertes System hin, in dem verschiedene Institutionen eher in interne Konflikte verwickelt sind, als auf eine koordinierte Zusammenarbeit. In dieser Hinsicht ähnelt der Iran Russland, wo verschiedene Regierungsbereiche sich ebenfalls oft über die Internetpolitik uneinig sind, was zu einer zugleich strengeren wie unberechenbaren Internetkontrolle führt.

Kürzlich kam es zu Konflikten zwischen iranischen Parlamentsmitgliedern über die Frage der Aufhebung der Zensur, die eher einer Show glichen und ohne klares Ergebnis endeten. Solche Auseinandersetzungen verdeutlichen die tiefen Differenzen zwischen den verschiedenen Institutionen über die Verwaltung und Kontrolle des Cyberspace. Diese politischen Veranstaltungen, die ohne ein klares Ergebnis enden, tragen nur dazu bei, den Unmut der Öffentlichkeit zu vergrößern.

Unzufriedenheit wächst

Angesichts des unsicheren Zustands des Internets im Iran und der widersprüchlichen Aussagen von Regimefunktionären ist es schwierig, genaue Vorhersagen über die Zukunft virtueller Unternehmen zu treffen, denn die Entwicklung der digitalen Wirtschaft schreitet nur langsam voran. Die instabile Politik und unvorhersehbare Regierungsentscheidungen haben zu erheblichen Schäden für Unternehmen in der Internet- und Cyberbranche geführt.

Im Jahr 2023 etwa versuchte der Oberste Rat für den Cyberspace, eine wichtigere Rolle bei der Politikgestaltung und Regulierung im Bereich der Informations- und Kommunikationstechnologie einzunehmen. So beschloss er damals, die Nutzung virtueller privater Netzwerke (VPN) zu verbieten, die von Unbeteiligten nicht einsehbar sind, doch nach negativen Reaktionen der Internetnutzer gab der Sekretär des Rates bekannt, das Verbot gelte nicht für die allgemeine Öffentlichkeit.

Die Entscheidungen des Rates und anderer zuständiger Institutionen haben die Unzufriedenheit der Nutzer jedoch nicht wesentlich verringert. Ein weiter Beschluss des Rates war zum Beispiel die Schaffung eines nationalen und umfassenden Datensystems, das allerdings keine spürbaren Auswirkungen auf die Verbesserung des Internets hatte. Solche fruchtlosen Bemühungen, den Cyberspace zu kontrollieren, ähneln stark der Politik, die auch in Ländern wie der Türkei angewandt wird, wo die Regierung versucht, mehr Kontrolle über das Internet auszuüben, aber es nicht schafft, die öffentliche Unzufriedenheit einzudämmen.

Das iranische Parlament hat durch die Verabschiedung verschiedener Bestimmungen im siebten Entwicklungsplan versucht, das nationale Informationsnetz und die digitale Wirtschaft zu entwickeln. Grundlegende Probleme wie die gegen das Land verhängten Sanktionen und das Fehlen relevanter Entscheidungen im Parlament haben die digitalen Entwicklungsbemühungen jedoch weitgehend ineffektiv gemacht.

Artikel 75 dieses siebten Entwicklungsplans, der die Überwachung und Verfolgung des Lebensstils der Menschen durch ein vom Kulturministerium verwaltetes System vorschreibt, hat Bedenken hinsichtlich des Datenschutzes geweckt. Der im Jahr 2018 vorgeschlagene Datenschutzplan hingegen wurde vom Parlament noch nicht verabschiedet und es ist unklar, ob und wann seine endgültige Fassung genehmigt werden wird. Die umfassende Überwachung und Kontrolle des Privatlebens der Bürger ähnelt jenen Methoden, die in Saudi-Arabien angewandt werden, wo die Regierung die Internetnutzung und Online-Aktivitäten der Bevölkerung streng überwacht.

Regimewechsel notwendig

Trotz der großspurigen Bemühungen des Obersten Rates für den Cyberspace und anderer damit verbundener Institutionen, den Cyberspace zu verwalten, gibt es nach wie vor Probleme mit Zensur und Internetbeschränkungen. Wahlversprechen zur Aufhebung der Zensur dienen eher der Werbung, denn in der Praxis sind keine wesentlichen Veränderungen zu beobachten.

Solange die institutionellen und rechtlichen Widersprüche nicht gelöst sind und keine entschiedenen und koordinierten Entscheidungen in diesem Bereich getroffen werden, werden Nutzer und Internetunternehmen weiterhin mit ernsten Problemen konfrontiert sein. Ein Vergleich der Situation im Iran mit anderen Ländern, die den freien Zugang zum Internet einschränken, zeigt, dass die Aufhebung der Zensur nicht allein durch Wahlversprechen erreicht werden kann, sondern grundlegende Änderungen der Politik und der Regierungsstrukturen erfordert – also letztlich die Ersetzung der Islamischen Republik durch einen demokratischen Iran.

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