Joe Biden will sich nicht im Nahen Osten verstricken. Das iranische Regime weiß das – und erhöht im Machtpoker den Einsatz.
Noah Rothmann, Commentary
Ein am Montag veröffentlichter Politico-Bericht enthüllte, dass Joe Bidens Regierung sich vom lästigen Nahen Osten befreien will. In Hinblick auf die globale Prioritätensetzung bemerkte ein Biden-Berater, dass die Region sich „nicht unter den Top drei“ befinde. Die neue Regierung wolle sich lieber auf die Instabilität in der westlichen Hemisphäre konzentrieren, Bedrohungen eindämmen, diplomatische Initiativen in Europa verfolgen, und natürlich endlich den Schwenk Richtung Asien vollziehen. „Sie sind fest entschlossen, sich nicht in den Nahen Osten hineinziehen zu lassen“, sagte ein anderer Berater. (…)
Die Biden-Regierung sah sich Anfang des Monats nach einem tödlichen Raketenangriff auf eine irakische Militärbasis, bei dem ein ziviler Auftragnehmer getötet und neun weitere, darunter ein US-Soldat, verwundet wurden, mit einer ersten Bewährungsprobe für ihre Entschlossenheit konfrontiert, sich aus dem Nahen Osten zurückzuziehen. Die Schiitenmiliz Saraya Awliya al-Dam, die enge Verbindungen zu Teheran unterhält, bekannte sich zu dem Angriff.
Die Biden-Regierung reagierte laut der New York Times „maßvoll“. Sie will nicht, dass der noch junge Versuch, die Verhandlungen mit dem Iran über dessen Atomprogramm wiederaufzunehmen, durch diese vom Iran ausgehende Provokation aus der Spur gerät. Doch das unermüdliche Bemühen um eine „Annäherung“ an den Iran (…) wurde als Einladung zu weiteren Raketenangriffen verstanden.
Am Montag beobachteten Einheimische, wie Raketen auf die diplomatische Niederlassung der USA in Bagdad innerhalb der sogenannten „Grünen Zone“ abgefeuert wurden. Es war der dritte Angriff auf westliche diplomatische Vertretungen im Land binnen einer Woche. Der Irak hat daraufhin um eine größere NATO-Militärpräsenz gebeten, und die NATO wird diesem Ansuchen nachkommen. In den kommenden Wochen wird das atlantische Bündnis die Zahl seiner im Irak stationierten Soldaten von 500 auf etwa 4.000 erhöhen, und das Pentagon schließt zusätzliche Stationierungen zur Stärkung der westlichen Präsenz nicht aus.
Die iranische Strategie mag auf den ersten Blick kontraintuitiv erscheinen: Warum sollte ein Schurkenstaat, der verzweifelt auf die Belohnungen hofft, die mit der Wiederaufnahme diplomatischer Gespräche verbunden wären, alles riskieren, indem er die neue Regierung so dreist testet? Aber auch die Iraner verfolgen amerikanische Medien. Wenn Teheran glaubt, dass die Biden-Administration so sehr entschlossen ist, die Region zu verlassen, dass sie die Kosten, die mit einem Verbleib verbunden sind, nicht auf sich nehmen will, warum sollte sie diese Annahme nicht auf die Probe stellen? Das langfristige Ziel des Iran ist nicht bloß die Befreiung von den Wirtschaftssanktionen, sondern die Vorherrschaft in der Region, in der die USA kaum noch eine Rolle spielen.
(Aus dem Artikel „Joe Biden’s Emerging Folly in the Middle East“, der auf Commentary veröffentlicht wurde. Übersetzung von Florian Markl.)